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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Faust auf den Tisch, stieß mit dem Fuß die Stühle um und brüllte gleich
einem Sturm die gottlosesten Reden. So geschah es denn nach einer Weile
jedesmal, wo der Admiral sich mit Politik im Auge näherte, daß die Passa¬
giere sich wie auf heimliche Abrede verzogen, indem sie besorgten, ihm Rede
stehen zu müssen, und daß er dann auf verlassenen Felde zu campiren hatte.

Aber zuletzt fand er doch seinen Meister, und zwar vor einer vollzäh¬
ligen Gesellschaft. Entweder bei der einen oder der andern Gelegenheit war
ihm allmählig jedermann gegenüber getreten und in die Flucht geschlagen worden,
nur der stillvergnügte Passagier Williams nicht. Niemals war er im Stande
gewesen, diesen zu einer Meinungsäußerung in politischen Dingen zu ver¬
mögen. Aber jetzt, gerade als der Admiral sich der Thür näherte und die
Gesellschaft im Begriff war, hinauszuschlüpfen, sagte Williams:

"Aber, Admiral, Sind Sie der Geschichte mit den beiden Geistlichen, die
Sie neulich erwähnten, ganz sicher?"

Alle Welt war entsetzt über die Tollkühnheit des Mannes. Der Ge¬
danke, daß jemand von freien Stücken zu seiner Vernichtung einladen könnte,
war etwas schier Unbegreifliches. Der Rückzug gerieth ins Stocken, dann
setzte sich jedermann mit erwartungsvoller Miene wieder hin, um zu sehen, was
das geben würde. Der Admiral selber war so überrascht wie alle Andern. Er
blieb auf der Thürschwelle stehen, sein rothes Taschentuch halb nach seinem
schweißglänzenden Gesicht erhoben, und betrachtete sich das dreiste Reptil im
Winkel.

"Sicher meiner Sache?" sagte er endlich. "Ob ich ihrer sicher bin?
Denken Sie denn, ich habe gelogen? Wofür halten sie mich, he? Wer diesen
Umstand nicht weiß, der weiß überhaupt nichts. Ein Kind sollte es wissen.
Lesen Sie doch einmal Ihre Geschichte durch. Lesen Sie -- Zum Himmel-
Kreuz-Donner -- -- und kommen sie nicht her und fragen einen, ob
man sicher ist über solchen Abc- Quark, den selber die Niggers unten im
Süden sich längst an den Schuhen abgelaufen haben.

Hier begann das Feuer im Admiral sich zu rühren und zu lodern. Die
Atmosphäre verdichtete sich, das herankommende Erdbeben rumorte, es sing
an zu donnern und zu blitzen. Binnen drei Minuten war sein Vulkan in
vollem Ausbruch. Er schleuderte Flammen und Asche der Entrüstung,
ließ schwarze Wolken fauler Geschichte emporsteigen und spie aus seinem Kra¬
ter glühende Ströme von Flüchen und Schwüren. Inzwischen saß Williams
schweigsam da und horchte dem Anschein nach mit tiefem und ernstem Interesse
auf das. was der Alte vorbrachte. Endlich, als Stille eintrat, sagte er in
unterwürfigster Weise und mit der befriedigten Miene eines Mannes, welchem
ein Geheimniß erschlossen worden ist, das ihn unbehaglich auf Lösung hat
warten lassen:


Faust auf den Tisch, stieß mit dem Fuß die Stühle um und brüllte gleich
einem Sturm die gottlosesten Reden. So geschah es denn nach einer Weile
jedesmal, wo der Admiral sich mit Politik im Auge näherte, daß die Passa¬
giere sich wie auf heimliche Abrede verzogen, indem sie besorgten, ihm Rede
stehen zu müssen, und daß er dann auf verlassenen Felde zu campiren hatte.

Aber zuletzt fand er doch seinen Meister, und zwar vor einer vollzäh¬
ligen Gesellschaft. Entweder bei der einen oder der andern Gelegenheit war
ihm allmählig jedermann gegenüber getreten und in die Flucht geschlagen worden,
nur der stillvergnügte Passagier Williams nicht. Niemals war er im Stande
gewesen, diesen zu einer Meinungsäußerung in politischen Dingen zu ver¬
mögen. Aber jetzt, gerade als der Admiral sich der Thür näherte und die
Gesellschaft im Begriff war, hinauszuschlüpfen, sagte Williams:

„Aber, Admiral, Sind Sie der Geschichte mit den beiden Geistlichen, die
Sie neulich erwähnten, ganz sicher?"

Alle Welt war entsetzt über die Tollkühnheit des Mannes. Der Ge¬
danke, daß jemand von freien Stücken zu seiner Vernichtung einladen könnte,
war etwas schier Unbegreifliches. Der Rückzug gerieth ins Stocken, dann
setzte sich jedermann mit erwartungsvoller Miene wieder hin, um zu sehen, was
das geben würde. Der Admiral selber war so überrascht wie alle Andern. Er
blieb auf der Thürschwelle stehen, sein rothes Taschentuch halb nach seinem
schweißglänzenden Gesicht erhoben, und betrachtete sich das dreiste Reptil im
Winkel.

„Sicher meiner Sache?" sagte er endlich. „Ob ich ihrer sicher bin?
Denken Sie denn, ich habe gelogen? Wofür halten sie mich, he? Wer diesen
Umstand nicht weiß, der weiß überhaupt nichts. Ein Kind sollte es wissen.
Lesen Sie doch einmal Ihre Geschichte durch. Lesen Sie — Zum Himmel-
Kreuz-Donner — — und kommen sie nicht her und fragen einen, ob
man sicher ist über solchen Abc- Quark, den selber die Niggers unten im
Süden sich längst an den Schuhen abgelaufen haben.

Hier begann das Feuer im Admiral sich zu rühren und zu lodern. Die
Atmosphäre verdichtete sich, das herankommende Erdbeben rumorte, es sing
an zu donnern und zu blitzen. Binnen drei Minuten war sein Vulkan in
vollem Ausbruch. Er schleuderte Flammen und Asche der Entrüstung,
ließ schwarze Wolken fauler Geschichte emporsteigen und spie aus seinem Kra¬
ter glühende Ströme von Flüchen und Schwüren. Inzwischen saß Williams
schweigsam da und horchte dem Anschein nach mit tiefem und ernstem Interesse
auf das. was der Alte vorbrachte. Endlich, als Stille eintrat, sagte er in
unterwürfigster Weise und mit der befriedigten Miene eines Mannes, welchem
ein Geheimniß erschlossen worden ist, das ihn unbehaglich auf Lösung hat
warten lassen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/37>, abgerufen am 06.02.2025.