Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Kette mit imposanten Petschaften, die von seiner Uhrtasche herunterbaumelten, Aber diese Dinge standen erst in zweiter Reihe, sein Gesicht war der Der Admiral las selten Zeitungen, und wenn es geschah, glaubte er nie, Kette mit imposanten Petschaften, die von seiner Uhrtasche herunterbaumelten, Aber diese Dinge standen erst in zweiter Reihe, sein Gesicht war der Der Admiral las selten Zeitungen, und wenn es geschah, glaubte er nie, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192839"/> <p xml:id="ID_88" prev="#ID_87"> Kette mit imposanten Petschaften, die von seiner Uhrtasche herunterbaumelten,<lb/> Füße, die durch ihre Größe ehrfurchtsvolles Staunen erweckten, und eine<lb/> Hand „so gewaltig wie die Hand der Vorsehung", wie seine Collegen vom<lb/> Walfischfang sich ausdrückten, Manschetten und Aermel. mit Rücksicht auf<lb/> das warme Wetter bis halbwegs zum Ellbogen aufgestreift, sodaß man seine<lb/> haarigen Arme sah, die ganz bunt von rothen und blauen Ankern, Schiffen<lb/> und Freiheitsgöttinnen waren, welche man ihm mit chinesischer Tusche ein-<lb/> tätowirt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_89"> Aber diese Dinge standen erst in zweiter Reihe, sein Gesicht war der<lb/> Magnet, welcher das Auge fesselte. Es war eine glühende Scheibe, welche<lb/> durch eine verwetterte Maske von Mahagony hindurchbrannte, besetzt mit<lb/> Warzen, besäumt mit Narben und über und über mit den nie fehlenden<lb/> frischen Schnitten des Barbiermefsers verziert. Darin saßen dann ein paar<lb/> fröhliche Augen, über stachligen Brauen, welche die Welt über dem Rücken<lb/> einer knorrigen Klippe betrachteten, die, eine Nase vorstellend, sich mächtig<lb/> und einsam über die wellenförmige Fläche erhob, welche sich von ihren Grund¬<lb/> lagen an ausbreitete. Ihm auf den Fersen schnippelte der Liebling seines<lb/> Junggesellenlebens, sein Dachshündchen Far, hin, ein Geschöpfchen nicht<lb/> größer als ein Eichhörnchen. Der größere Theil seines täglichen Lebens<lb/> wurde davon in Anspruch genommen, daß er in mütterlicher Weise nach Far<lb/> sah und an ihm wegen hundert Unpäßlichkeiten herumdoctorte, die nur in<lb/> seiner Einbildung eristirten.</p><lb/> <p xml:id="ID_90" next="#ID_91"> Der Admiral las selten Zeitungen, und wenn es geschah, glaubte er nie,<lb/> was sie sagten. Er las nichts und glaubte an nichts als an „The Old Guard",<lb/> ein in New-Uork erscheinendes Secessionistenblatt. Stets führte er ein halb<lb/> Dutzend Nummern desselben bei sich, auf die er sich immer bezog, wenn Je¬<lb/> mand bei ihm Belehrung suchte. War es nicht zur Hand, so ersetzte er es<lb/> durch seine eigene fruchtbare Phantasie, die ihm Geschichte, Namen, Daten<lb/> und Alles andere erfand, was nothwendig war, um seine Behauptungen<lb/> durch Beispiele,zu belegen. Infolge dessen war er bei Streitigkeiten ein furchtbarer<lb/> Gegner. So oft er sich vom Geschriebenen losmachte und Geschichte zu dichten<lb/> anfing, war der Feind Hülflos und mußte sich ergeben. Freilich konnte die¬<lb/> ser Feind dann nicht umhin, leise Spuren von Entrüstung über seine gemachte<lb/> Geschichte zu verrathen. Aber wenn es zur Entrüstung kam. so war das ge¬<lb/> rade das beste Fahrwasser des Admirals. Er war stets bereit zu politischen<lb/> Erörterungen, und wenn niemand etwas der Art aufs Tapet brachte, so that<lb/> er es selbst. Hatte er einen Angriff zum dritten Mal abgeschlagen, so begann<lb/> es bei ihm im Innern zu kochen, und binnen fünf Minuten brauste aus ihm<lb/> ein Orkan, und binnen fünfzehn Minuten war seine Zuhörerschaft im Rauch¬<lb/> zimmer rein weggeweht, und der Alte schlug dann einsam und allein mit der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Kette mit imposanten Petschaften, die von seiner Uhrtasche herunterbaumelten,
Füße, die durch ihre Größe ehrfurchtsvolles Staunen erweckten, und eine
Hand „so gewaltig wie die Hand der Vorsehung", wie seine Collegen vom
Walfischfang sich ausdrückten, Manschetten und Aermel. mit Rücksicht auf
das warme Wetter bis halbwegs zum Ellbogen aufgestreift, sodaß man seine
haarigen Arme sah, die ganz bunt von rothen und blauen Ankern, Schiffen
und Freiheitsgöttinnen waren, welche man ihm mit chinesischer Tusche ein-
tätowirt hatte.
Aber diese Dinge standen erst in zweiter Reihe, sein Gesicht war der
Magnet, welcher das Auge fesselte. Es war eine glühende Scheibe, welche
durch eine verwetterte Maske von Mahagony hindurchbrannte, besetzt mit
Warzen, besäumt mit Narben und über und über mit den nie fehlenden
frischen Schnitten des Barbiermefsers verziert. Darin saßen dann ein paar
fröhliche Augen, über stachligen Brauen, welche die Welt über dem Rücken
einer knorrigen Klippe betrachteten, die, eine Nase vorstellend, sich mächtig
und einsam über die wellenförmige Fläche erhob, welche sich von ihren Grund¬
lagen an ausbreitete. Ihm auf den Fersen schnippelte der Liebling seines
Junggesellenlebens, sein Dachshündchen Far, hin, ein Geschöpfchen nicht
größer als ein Eichhörnchen. Der größere Theil seines täglichen Lebens
wurde davon in Anspruch genommen, daß er in mütterlicher Weise nach Far
sah und an ihm wegen hundert Unpäßlichkeiten herumdoctorte, die nur in
seiner Einbildung eristirten.
Der Admiral las selten Zeitungen, und wenn es geschah, glaubte er nie,
was sie sagten. Er las nichts und glaubte an nichts als an „The Old Guard",
ein in New-Uork erscheinendes Secessionistenblatt. Stets führte er ein halb
Dutzend Nummern desselben bei sich, auf die er sich immer bezog, wenn Je¬
mand bei ihm Belehrung suchte. War es nicht zur Hand, so ersetzte er es
durch seine eigene fruchtbare Phantasie, die ihm Geschichte, Namen, Daten
und Alles andere erfand, was nothwendig war, um seine Behauptungen
durch Beispiele,zu belegen. Infolge dessen war er bei Streitigkeiten ein furchtbarer
Gegner. So oft er sich vom Geschriebenen losmachte und Geschichte zu dichten
anfing, war der Feind Hülflos und mußte sich ergeben. Freilich konnte die¬
ser Feind dann nicht umhin, leise Spuren von Entrüstung über seine gemachte
Geschichte zu verrathen. Aber wenn es zur Entrüstung kam. so war das ge¬
rade das beste Fahrwasser des Admirals. Er war stets bereit zu politischen
Erörterungen, und wenn niemand etwas der Art aufs Tapet brachte, so that
er es selbst. Hatte er einen Angriff zum dritten Mal abgeschlagen, so begann
es bei ihm im Innern zu kochen, und binnen fünf Minuten brauste aus ihm
ein Orkan, und binnen fünfzehn Minuten war seine Zuhörerschaft im Rauch¬
zimmer rein weggeweht, und der Alte schlug dann einsam und allein mit der
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