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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Heranfegen der nördlichen Heere ihre Sache niedergehen sahen, zog er die
Flagge der Conföderirten auf, und von dieser Zeit an bis zu Ende war er
ein trotziger und unerbittlicher Secessionist.

Er haßte die Unmäßigkeit im Trinken mit einer sich auf nichts einlassen¬
den Animosität mehr als irgend jemand von beiden Geschlechtern, dem ich je
begegnet bin, und nie wurde er müde, dagegen anzustürmen und Freunde
und Feinde inständig zu bitten, doch ja auf ihrer Hut zu sein und mit Maß
zu trinken. Und doch, wäre irgend ein Geschöpf dreist genug gewesen, einen
Wink fallen zu lassen, daß. wenn er während unserer Neise neun Gallonen
ungewässerten Whiskys vertilgte, dieß doch am Ende es nur einen kleinen
Bruchtheil an strenger und unbeugsamer Enthaltsamkeit fehlen lassen hieß,
so würde der Alte ihn im Nu mit dem Wirbelwind seines Grimmes bis zu
den äußersten Enden des Erdballs fortgewettert haben- Aber wohl zu be¬
merken , ich sage nicht, daß sein Whisky ihm jemals in den Kopf gestiegen
oder in die Beine gerathen wäre; denn das war niemals auch nur im lei¬
sesten Grade der Fall. Er konnte viel in sich aufnehmen, aber soviel doch
nicht, daß ihm etwas der Art hätte Passiren können. Jeden Morgen, bevor
er seine Kleider anzog, nahm er ein gestrichenes Nösel voll Whisky zu sich,
wie er sagte, "um sein Kielwasser zu glätten." Er genoß dann ein zweites,
wenn er die meisten seiner Kleider anhatte, "um sein Gemüth zu beruhigen
und die Höhe zu nehmen." Dann barbierte er sich und legte ein reines
Hemd an, worauf er mit inbrünstiger donnernder Baßstimme, welche das
Schiff bis zu seiner Kielschwinne erschütterte und alle Unterhaltung in der
Hauptkajüte für einige Minuten unmöglich machte, das Gebet des Herrn
hersagte. Hierauf genehmigte er sich, indem er in diesem Stadium unabän¬
derlich im Geiste "an der Nase" oder "auf dem Heat" war oder an Backbord
oder Steuerbord nach dem Rechten sah, einen dritten "Kleinen", der "ihn
auf einen ebnen Kiel zu bringen" hatte, "damit er hübsch ans Steuer
dächte und die Stagsegel nicht beizusetzen vergäße, wenn das Schiff den Wind
dafür kriegte."

Und nun that sich seine Schlafkammerthür auf, und die Sonne seines
gutherzigen Antlitzes strahlte röthlich heraus aus Männlein, Weiblein und
Kindlein, und er brüllte sein "glnmntzts ulroy!" in einer Weise, welche die
Todten hätte erwecken und den jüngsten Tag hätte beschleunigen können, wo¬
rauf er herausgescbritten kam. ein Bild, das sich sehen luß, und ein Wesen,
Elches aller Welt Aufmerksamkeit auf sich zog. stämmig und stattlich,
nicht ein einziges graues Haar, breitrandiger Schlepphnt. halb seemännische
Takelung von blauem Flannel, wie ihn die Matrosen tragen, geräumig und
reichlich, eine tüchtige Segelwand von Hemdbusen und eine verschwenderisch
Fülle schwarzer Seide, die in einen Seemann sknotcn geknüpft war, eine große


Heranfegen der nördlichen Heere ihre Sache niedergehen sahen, zog er die
Flagge der Conföderirten auf, und von dieser Zeit an bis zu Ende war er
ein trotziger und unerbittlicher Secessionist.

Er haßte die Unmäßigkeit im Trinken mit einer sich auf nichts einlassen¬
den Animosität mehr als irgend jemand von beiden Geschlechtern, dem ich je
begegnet bin, und nie wurde er müde, dagegen anzustürmen und Freunde
und Feinde inständig zu bitten, doch ja auf ihrer Hut zu sein und mit Maß
zu trinken. Und doch, wäre irgend ein Geschöpf dreist genug gewesen, einen
Wink fallen zu lassen, daß. wenn er während unserer Neise neun Gallonen
ungewässerten Whiskys vertilgte, dieß doch am Ende es nur einen kleinen
Bruchtheil an strenger und unbeugsamer Enthaltsamkeit fehlen lassen hieß,
so würde der Alte ihn im Nu mit dem Wirbelwind seines Grimmes bis zu
den äußersten Enden des Erdballs fortgewettert haben- Aber wohl zu be¬
merken , ich sage nicht, daß sein Whisky ihm jemals in den Kopf gestiegen
oder in die Beine gerathen wäre; denn das war niemals auch nur im lei¬
sesten Grade der Fall. Er konnte viel in sich aufnehmen, aber soviel doch
nicht, daß ihm etwas der Art hätte Passiren können. Jeden Morgen, bevor
er seine Kleider anzog, nahm er ein gestrichenes Nösel voll Whisky zu sich,
wie er sagte, „um sein Kielwasser zu glätten." Er genoß dann ein zweites,
wenn er die meisten seiner Kleider anhatte, „um sein Gemüth zu beruhigen
und die Höhe zu nehmen." Dann barbierte er sich und legte ein reines
Hemd an, worauf er mit inbrünstiger donnernder Baßstimme, welche das
Schiff bis zu seiner Kielschwinne erschütterte und alle Unterhaltung in der
Hauptkajüte für einige Minuten unmöglich machte, das Gebet des Herrn
hersagte. Hierauf genehmigte er sich, indem er in diesem Stadium unabän¬
derlich im Geiste „an der Nase" oder „auf dem Heat" war oder an Backbord
oder Steuerbord nach dem Rechten sah, einen dritten „Kleinen", der „ihn
auf einen ebnen Kiel zu bringen" hatte, „damit er hübsch ans Steuer
dächte und die Stagsegel nicht beizusetzen vergäße, wenn das Schiff den Wind
dafür kriegte."

Und nun that sich seine Schlafkammerthür auf, und die Sonne seines
gutherzigen Antlitzes strahlte röthlich heraus aus Männlein, Weiblein und
Kindlein, und er brüllte sein „glnmntzts ulroy!" in einer Weise, welche die
Todten hätte erwecken und den jüngsten Tag hätte beschleunigen können, wo¬
rauf er herausgescbritten kam. ein Bild, das sich sehen luß, und ein Wesen,
Elches aller Welt Aufmerksamkeit auf sich zog. stämmig und stattlich,
nicht ein einziges graues Haar, breitrandiger Schlepphnt. halb seemännische
Takelung von blauem Flannel, wie ihn die Matrosen tragen, geräumig und
reichlich, eine tüchtige Segelwand von Hemdbusen und eine verschwenderisch
Fülle schwarzer Seide, die in einen Seemann sknotcn geknüpft war, eine große


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/35>, abgerufen am 05.02.2025.