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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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sein, in dieser Hinsicht ein richtiges Mittelmaß zu treffen. Eine Legirung.
die dem Einen als unnöthige Beschränkung erscheint, wird leicht für dei?
Andern ein Luxus sein. Es ist deßhalb auch ganz natürlich, daß die Macht
der wirthschaftlichen Bedürfnisse die unbequemen und irrationeller Fesseln
einer solchen Gesetzgebung sprengt und ohne Rücksicht auf die Vorschriften
derselben lediglich den Forderungen des Verkehres folgt. Die Gesetzgebung
pflegt in solchen Fällen diesem Drange nachzugeben und sich dem Verkehre
anzupassen; freilich auch nur auf so lange, bis das practische Bedürfniß
oder die fortschreitende Technik neue Legirungen empfehlen und gegen das
Gesetz zur Ausführung bringen. Wir können diese Erscheinung in dem Gange
der Gesetzgebung auf das Genaueste verfolgen. Das Sächsische Ausschreiben
vom 12. November 1560 fordert 14Iöthiges Arbeitssilbcr, ein Zeichen
dafür, daß der Gebrauch des Silbers sich zu jener Zeit noch auf enge Kreise
beschränkte; das Mandat vom 18. Februar 1701 dagegen schrieb, nachdem in¬
zwischen das 13kolbige Silber gesetzlich gegolten hatte, vor,


"daß nunmehr und hinführo, weil bey der 13kothigen Probe, aus
Uns vorgestellten Motiven, und der ietzigen Zeiten Gelegenheit,
und gegenwärtigem Zustande nach, nicht wohl zu bestehen seyn will,
biß zu anderweitiger Verordnung, aller Orten, und durchgängig, das Silber-Werck auf
12 Loth fein, und darunter nicht gemachet und verkaufst werde, bey Confiscation der
Waare und hierüber bey fuuffzig Rheinischer Gold-Gülden, auch nach Gelegenheit
höherer Straffe."

Statt des sprungweisen, holprichten und durch gefährliche Uebergänge
allgemeiner Gesetzesübertretung vermittelten Nachhinkens der Gesetzgebung
ist hier ohne Zweifel Legirungsfreiheit zu empfehlen, welche den leisesten Ver¬
änderungen der Consumtionsbedürfnisse in leichtester Weise nachzugehen ge¬
stattet. Sehr erhebliche Schwierigkeiten bieten in solchen Fällen auch die be¬
reits vorhandenen Gold- und Silberwaaren, welche den neu vorgeschriebenen
Proben nicht entsprechen. Unsere ältere Gesetzgebung löste diesen Knoten
in derber alexandrinischer Weise, indem sie (Mandat von 1701) verordnete:


"es solle dasjenige Stück, so die 12 Löthige Probe nicht hält, mit einem sonder¬
bahren, vor dem sonst ordentlichen, genug kenntbaren Stempel, und zwar mit der
Numer, wie viel-kothig es ist, bemerket werden; Jedoch solle leder Goldschmied und
andere, so Silber verkauffen, sich binnen Jahres Frist alles unter 12 Loth
fein sättigen Gutes entschlagen, oder gewärtig seyn, daß, so
nach Ablaufs des Jahres dergleichen bey ihnen noch ange¬
troffen würde, solches, als dem Fisco verfallen, weggenom¬
men werde."

So haarsträubende Operationen legislatorischer Rhinoplastik sind heutzutage
glücklicherweise unmöglich geworden.

Beispielsweise enthielt das K. K. Oesterreichische Punzirungsgesetz von


sein, in dieser Hinsicht ein richtiges Mittelmaß zu treffen. Eine Legirung.
die dem Einen als unnöthige Beschränkung erscheint, wird leicht für dei?
Andern ein Luxus sein. Es ist deßhalb auch ganz natürlich, daß die Macht
der wirthschaftlichen Bedürfnisse die unbequemen und irrationeller Fesseln
einer solchen Gesetzgebung sprengt und ohne Rücksicht auf die Vorschriften
derselben lediglich den Forderungen des Verkehres folgt. Die Gesetzgebung
pflegt in solchen Fällen diesem Drange nachzugeben und sich dem Verkehre
anzupassen; freilich auch nur auf so lange, bis das practische Bedürfniß
oder die fortschreitende Technik neue Legirungen empfehlen und gegen das
Gesetz zur Ausführung bringen. Wir können diese Erscheinung in dem Gange
der Gesetzgebung auf das Genaueste verfolgen. Das Sächsische Ausschreiben
vom 12. November 1560 fordert 14Iöthiges Arbeitssilbcr, ein Zeichen
dafür, daß der Gebrauch des Silbers sich zu jener Zeit noch auf enge Kreise
beschränkte; das Mandat vom 18. Februar 1701 dagegen schrieb, nachdem in¬
zwischen das 13kolbige Silber gesetzlich gegolten hatte, vor,


„daß nunmehr und hinführo, weil bey der 13kothigen Probe, aus
Uns vorgestellten Motiven, und der ietzigen Zeiten Gelegenheit,
und gegenwärtigem Zustande nach, nicht wohl zu bestehen seyn will,
biß zu anderweitiger Verordnung, aller Orten, und durchgängig, das Silber-Werck auf
12 Loth fein, und darunter nicht gemachet und verkaufst werde, bey Confiscation der
Waare und hierüber bey fuuffzig Rheinischer Gold-Gülden, auch nach Gelegenheit
höherer Straffe."

Statt des sprungweisen, holprichten und durch gefährliche Uebergänge
allgemeiner Gesetzesübertretung vermittelten Nachhinkens der Gesetzgebung
ist hier ohne Zweifel Legirungsfreiheit zu empfehlen, welche den leisesten Ver¬
änderungen der Consumtionsbedürfnisse in leichtester Weise nachzugehen ge¬
stattet. Sehr erhebliche Schwierigkeiten bieten in solchen Fällen auch die be¬
reits vorhandenen Gold- und Silberwaaren, welche den neu vorgeschriebenen
Proben nicht entsprechen. Unsere ältere Gesetzgebung löste diesen Knoten
in derber alexandrinischer Weise, indem sie (Mandat von 1701) verordnete:


„es solle dasjenige Stück, so die 12 Löthige Probe nicht hält, mit einem sonder¬
bahren, vor dem sonst ordentlichen, genug kenntbaren Stempel, und zwar mit der
Numer, wie viel-kothig es ist, bemerket werden; Jedoch solle leder Goldschmied und
andere, so Silber verkauffen, sich binnen Jahres Frist alles unter 12 Loth
fein sättigen Gutes entschlagen, oder gewärtig seyn, daß, so
nach Ablaufs des Jahres dergleichen bey ihnen noch ange¬
troffen würde, solches, als dem Fisco verfallen, weggenom¬
men werde."

So haarsträubende Operationen legislatorischer Rhinoplastik sind heutzutage
glücklicherweise unmöglich geworden.

Beispielsweise enthielt das K. K. Oesterreichische Punzirungsgesetz von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/348>, abgerufen am 06.02.2025.