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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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wird in gutglasirte Thongefäße von der Form von Trinkbechern gethan, nach
Bedürfniß gemischt, mit Eidotter (complicirrere Mischungen übergehe ich) ver¬
setzt und mit einem abgestutzten Borstenpinsel gut durchgemengt.

Ist die Zeichnung wieder aufgefrischt und besonders die Außenkontur
wieder hergestellt, so werden die Schattenpartien sogleich auf dem weißen
Untergrunde mit grüner Erde ausgeführt, ebenso auch die Conturen der
letzteren verstärkt. Man wird sich des in den Schatten gräulichen Fleischtones der
Gemälde des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts erinnern -- er hängt
mit dieser Kunstregel zusammen. Die Kunstregel selbst ist daraus zu erklä¬
ren, daß grüne Erde ein dauerhafter und bequemer Neutralton ist, dem zu
Liebe man ein wenig Unnatur gern in den Kauf nimmt. Nun bereitet man sich
drei Schätzungen Fleischfarbe aus Bleiweiß und Cimabrese oder Zinnober
und führt mit ihnen Gesichter, Hände und den Corpus des Jesus-Kindes in
der Art aus, daß man die mittlere Schattirung als Localton behandelt, mit
der helleren aufhöbe und mit der dunkleren nach den Schattenpartien hin
arbeitet. Letztere werden zum Theil leicht überdeckt, zum Theil bleiben sie
stehen. Die Conturen werden, wo sie überdeckt sind, mit Sinopia wieder
herausgehoben, Wangen und Lippen (wir dürfen, da wir ein Tafelgemälde
ausführen, riskiren einen rothen Lak zu nehmen) rosa gefärbt und die lichte¬
sten Theile wie die Stirn über den Augenbrauen, Nasenrücken, oberer Rand
des Mundes u, s. w. mit ganz Heller Fleischfarbe, respective mit Weiß auf-
gehöht. Die Wangen setzen wir -- wiederum nach alter Kunstregel und dem
Vorgang Giotto's, aber im Gegensatz zur Natur, mehr nach den Ohren
als nach der Nase zu, damit sich das Gesicht besser runde. Es bleibt noch
übrig, den unteren Theil der Augen, die Umrisse der Nase, die Oberlippe
und Augenbrauen mit dunklem Sinopia zu schattiren, Augäpfel, Nasenlöcher
und Ohr mit Schwarz einzuzeichnen, und das Gesicht ist fertig. Ebenso wer¬
den die Haare mit grüner Erde gezeichnet und schattirt, der Localton -- lichter
Ocker -- zum Theil übergedeckt mit dunklem Ocker und Weiß nachgeholfen.

So wird ein Kopf nach allen Regeln der Kunst ausgeführt. Uns kommt
dies ein wenig handwerksmäßig vor und zwar mit Recht; wenigstens kann,
wenn auch die Zeichnung noch so edel wäre, von malerischen Verdiensten
nicht eigentlich die Rede sein. Wir haben aber auch in dieser Zeit mehr
colorirte Zeichnungen als Gemälde vor uns, ein Urtheil, das sich auch auf
die Fresken eines Raphaels und Michel-Angelo ausdehnen läßt.

Wie Christus ohne rothen Mantel nicht zu denken ist, so muß Maria
selbstverständlich einen blauen haben. Dies ist erklärlich genug. Die Haupt¬
personen müssen in die schönsten und lebhaftesten Farben gekleidet werden,


wird in gutglasirte Thongefäße von der Form von Trinkbechern gethan, nach
Bedürfniß gemischt, mit Eidotter (complicirrere Mischungen übergehe ich) ver¬
setzt und mit einem abgestutzten Borstenpinsel gut durchgemengt.

Ist die Zeichnung wieder aufgefrischt und besonders die Außenkontur
wieder hergestellt, so werden die Schattenpartien sogleich auf dem weißen
Untergrunde mit grüner Erde ausgeführt, ebenso auch die Conturen der
letzteren verstärkt. Man wird sich des in den Schatten gräulichen Fleischtones der
Gemälde des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts erinnern — er hängt
mit dieser Kunstregel zusammen. Die Kunstregel selbst ist daraus zu erklä¬
ren, daß grüne Erde ein dauerhafter und bequemer Neutralton ist, dem zu
Liebe man ein wenig Unnatur gern in den Kauf nimmt. Nun bereitet man sich
drei Schätzungen Fleischfarbe aus Bleiweiß und Cimabrese oder Zinnober
und führt mit ihnen Gesichter, Hände und den Corpus des Jesus-Kindes in
der Art aus, daß man die mittlere Schattirung als Localton behandelt, mit
der helleren aufhöbe und mit der dunkleren nach den Schattenpartien hin
arbeitet. Letztere werden zum Theil leicht überdeckt, zum Theil bleiben sie
stehen. Die Conturen werden, wo sie überdeckt sind, mit Sinopia wieder
herausgehoben, Wangen und Lippen (wir dürfen, da wir ein Tafelgemälde
ausführen, riskiren einen rothen Lak zu nehmen) rosa gefärbt und die lichte¬
sten Theile wie die Stirn über den Augenbrauen, Nasenrücken, oberer Rand
des Mundes u, s. w. mit ganz Heller Fleischfarbe, respective mit Weiß auf-
gehöht. Die Wangen setzen wir — wiederum nach alter Kunstregel und dem
Vorgang Giotto's, aber im Gegensatz zur Natur, mehr nach den Ohren
als nach der Nase zu, damit sich das Gesicht besser runde. Es bleibt noch
übrig, den unteren Theil der Augen, die Umrisse der Nase, die Oberlippe
und Augenbrauen mit dunklem Sinopia zu schattiren, Augäpfel, Nasenlöcher
und Ohr mit Schwarz einzuzeichnen, und das Gesicht ist fertig. Ebenso wer¬
den die Haare mit grüner Erde gezeichnet und schattirt, der Localton — lichter
Ocker — zum Theil übergedeckt mit dunklem Ocker und Weiß nachgeholfen.

So wird ein Kopf nach allen Regeln der Kunst ausgeführt. Uns kommt
dies ein wenig handwerksmäßig vor und zwar mit Recht; wenigstens kann,
wenn auch die Zeichnung noch so edel wäre, von malerischen Verdiensten
nicht eigentlich die Rede sein. Wir haben aber auch in dieser Zeit mehr
colorirte Zeichnungen als Gemälde vor uns, ein Urtheil, das sich auch auf
die Fresken eines Raphaels und Michel-Angelo ausdehnen läßt.

Wie Christus ohne rothen Mantel nicht zu denken ist, so muß Maria
selbstverständlich einen blauen haben. Dies ist erklärlich genug. Die Haupt¬
personen müssen in die schönsten und lebhaftesten Farben gekleidet werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/340>, abgerufen am 06.02.2025.