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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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deutschen Bunde, der ein so "trauriges Ende genommen, werden auch einige
Zähren geweiht. Namentlich gelten diese den früheren militärischen Einrich¬
tungen, die zu den Zeiten des seligen Bundestages Deutschland ungestörte
Sicherheit gewährt hätten. Um diese Klage vollständig würdigen zu können,
muß man sich beispielsweise nur daran erinnern, daß in dem ehemaligen
Bundesheer das IX. Armeecorps gestellt wurde von Sachsen -- Kurhessen --
Nassau -- und -- Luxemburg-Limburg, eine Combination, die mehr als
Alles an die elende Reichsarmee des heiligen römischen Reiches erinnerte.

Die drückenden Lasten der neuen preußischen Militäreinrichtungen wer¬
den gebührend hervorgehoben. "Eine frühere Einrichtung im sächsischen Heere,
heißt es weiter, ist jetzt gänzlich beseitigt worden. Früher konnte sich ein auf¬
gehobener Soldat loskaufen, d. h. er konnte sich gegen Entrichtung von 300
Thalern von der Militärpflicht befreien. Für diesen trat dann gegen die be¬
kannte Entschädigung ein Anderer in die Armee ein." -- Sollten wir
nun, lieber Herr Petermann auch die Abschaffung dieses ver¬
werflichen Systems beweinen, welches so recht den Egoismus der bemittelten
Klassen kennzeichnet, welches den Wohlhabenden von der nächsten und heilig¬
sten Pflicht gegen das Vaterland entband und diese allein dem Unbemittelten
aufbürdete, welches obendrein bei der Unbildung dieser Elemente die sächsische
Armee früher in den Ruf der Rohheit brachte? Nein, die sächsische Bevöl¬
kerung, welche jetzt den Segen der allgemeinen Wehrpflicht hinlänglich kennt
und den vollständigen Umschwung, der in unserem Heerwesen durch die be¬
währten preußischen Einrichtungen, vor Allem durch den Eintritt der gebil¬
deten Volksklassen hervorgebracht worden ist, zu würdigen weiß, wendet sich
mit Verachtung von solch philisterhafter Auffassung ab und will diese am
wenigsten noch in die Gemüther der sächsischen Jugend verpflanzt sehen.

Nachdem es in dem Krieg von 1870/71 den Wertheiner schlagfertigen Ar¬
mee kennen gelernt und sich mit Schaudern die finanziellen Opfer vorgestellt
hat, welche Deutschland zu bringen gehabt hätte, wenn die Franzosen Sieger
geblieben wären, wird es auch gegen den Schmerz gewappnet sein, welchen
der gute Dresdner aufs Neue in ihm mit den Worten zu erwecken sucht:
"Unser Vaterland bedarf für seine Armee jährlich ungefähr 3 Millionen
Thaler, während es als deutscher Bundesstaat weniger als die Hälfte dieser
Summe für die Militärzwecke aufzubringen hatte. Sehr natürlich, daß diese
gesteigerten Ausgaben eine nicht unbedeutende Erhöhung der Abgaben zur
Folge hatten."

Und so wird es denn auch die Schlußbetrachtung an sich abprallen lassen,
in der es heißt: "Wir haben unser Vaterland groß und einflußreich gesehen,
wir haben aber auch Zeiten kennen gelernt, zu welchen es von Anderer
Habgier und Herrschsucht aus seiner Stellung verdrängt wurde". --


Gmijbotm 1873. III. 29

deutschen Bunde, der ein so „trauriges Ende genommen, werden auch einige
Zähren geweiht. Namentlich gelten diese den früheren militärischen Einrich¬
tungen, die zu den Zeiten des seligen Bundestages Deutschland ungestörte
Sicherheit gewährt hätten. Um diese Klage vollständig würdigen zu können,
muß man sich beispielsweise nur daran erinnern, daß in dem ehemaligen
Bundesheer das IX. Armeecorps gestellt wurde von Sachsen — Kurhessen —
Nassau — und — Luxemburg-Limburg, eine Combination, die mehr als
Alles an die elende Reichsarmee des heiligen römischen Reiches erinnerte.

Die drückenden Lasten der neuen preußischen Militäreinrichtungen wer¬
den gebührend hervorgehoben. „Eine frühere Einrichtung im sächsischen Heere,
heißt es weiter, ist jetzt gänzlich beseitigt worden. Früher konnte sich ein auf¬
gehobener Soldat loskaufen, d. h. er konnte sich gegen Entrichtung von 300
Thalern von der Militärpflicht befreien. Für diesen trat dann gegen die be¬
kannte Entschädigung ein Anderer in die Armee ein." — Sollten wir
nun, lieber Herr Petermann auch die Abschaffung dieses ver¬
werflichen Systems beweinen, welches so recht den Egoismus der bemittelten
Klassen kennzeichnet, welches den Wohlhabenden von der nächsten und heilig¬
sten Pflicht gegen das Vaterland entband und diese allein dem Unbemittelten
aufbürdete, welches obendrein bei der Unbildung dieser Elemente die sächsische
Armee früher in den Ruf der Rohheit brachte? Nein, die sächsische Bevöl¬
kerung, welche jetzt den Segen der allgemeinen Wehrpflicht hinlänglich kennt
und den vollständigen Umschwung, der in unserem Heerwesen durch die be¬
währten preußischen Einrichtungen, vor Allem durch den Eintritt der gebil¬
deten Volksklassen hervorgebracht worden ist, zu würdigen weiß, wendet sich
mit Verachtung von solch philisterhafter Auffassung ab und will diese am
wenigsten noch in die Gemüther der sächsischen Jugend verpflanzt sehen.

Nachdem es in dem Krieg von 1870/71 den Wertheiner schlagfertigen Ar¬
mee kennen gelernt und sich mit Schaudern die finanziellen Opfer vorgestellt
hat, welche Deutschland zu bringen gehabt hätte, wenn die Franzosen Sieger
geblieben wären, wird es auch gegen den Schmerz gewappnet sein, welchen
der gute Dresdner aufs Neue in ihm mit den Worten zu erwecken sucht:
„Unser Vaterland bedarf für seine Armee jährlich ungefähr 3 Millionen
Thaler, während es als deutscher Bundesstaat weniger als die Hälfte dieser
Summe für die Militärzwecke aufzubringen hatte. Sehr natürlich, daß diese
gesteigerten Ausgaben eine nicht unbedeutende Erhöhung der Abgaben zur
Folge hatten."

Und so wird es denn auch die Schlußbetrachtung an sich abprallen lassen,
in der es heißt: „Wir haben unser Vaterland groß und einflußreich gesehen,
wir haben aber auch Zeiten kennen gelernt, zu welchen es von Anderer
Habgier und Herrschsucht aus seiner Stellung verdrängt wurde". —


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[0233] deutschen Bunde, der ein so „trauriges Ende genommen, werden auch einige Zähren geweiht. Namentlich gelten diese den früheren militärischen Einrich¬ tungen, die zu den Zeiten des seligen Bundestages Deutschland ungestörte Sicherheit gewährt hätten. Um diese Klage vollständig würdigen zu können, muß man sich beispielsweise nur daran erinnern, daß in dem ehemaligen Bundesheer das IX. Armeecorps gestellt wurde von Sachsen — Kurhessen — Nassau — und — Luxemburg-Limburg, eine Combination, die mehr als Alles an die elende Reichsarmee des heiligen römischen Reiches erinnerte. Die drückenden Lasten der neuen preußischen Militäreinrichtungen wer¬ den gebührend hervorgehoben. „Eine frühere Einrichtung im sächsischen Heere, heißt es weiter, ist jetzt gänzlich beseitigt worden. Früher konnte sich ein auf¬ gehobener Soldat loskaufen, d. h. er konnte sich gegen Entrichtung von 300 Thalern von der Militärpflicht befreien. Für diesen trat dann gegen die be¬ kannte Entschädigung ein Anderer in die Armee ein." — Sollten wir nun, lieber Herr Petermann auch die Abschaffung dieses ver¬ werflichen Systems beweinen, welches so recht den Egoismus der bemittelten Klassen kennzeichnet, welches den Wohlhabenden von der nächsten und heilig¬ sten Pflicht gegen das Vaterland entband und diese allein dem Unbemittelten aufbürdete, welches obendrein bei der Unbildung dieser Elemente die sächsische Armee früher in den Ruf der Rohheit brachte? Nein, die sächsische Bevöl¬ kerung, welche jetzt den Segen der allgemeinen Wehrpflicht hinlänglich kennt und den vollständigen Umschwung, der in unserem Heerwesen durch die be¬ währten preußischen Einrichtungen, vor Allem durch den Eintritt der gebil¬ deten Volksklassen hervorgebracht worden ist, zu würdigen weiß, wendet sich mit Verachtung von solch philisterhafter Auffassung ab und will diese am wenigsten noch in die Gemüther der sächsischen Jugend verpflanzt sehen. Nachdem es in dem Krieg von 1870/71 den Wertheiner schlagfertigen Ar¬ mee kennen gelernt und sich mit Schaudern die finanziellen Opfer vorgestellt hat, welche Deutschland zu bringen gehabt hätte, wenn die Franzosen Sieger geblieben wären, wird es auch gegen den Schmerz gewappnet sein, welchen der gute Dresdner aufs Neue in ihm mit den Worten zu erwecken sucht: „Unser Vaterland bedarf für seine Armee jährlich ungefähr 3 Millionen Thaler, während es als deutscher Bundesstaat weniger als die Hälfte dieser Summe für die Militärzwecke aufzubringen hatte. Sehr natürlich, daß diese gesteigerten Ausgaben eine nicht unbedeutende Erhöhung der Abgaben zur Folge hatten." Und so wird es denn auch die Schlußbetrachtung an sich abprallen lassen, in der es heißt: „Wir haben unser Vaterland groß und einflußreich gesehen, wir haben aber auch Zeiten kennen gelernt, zu welchen es von Anderer Habgier und Herrschsucht aus seiner Stellung verdrängt wurde". — Gmijbotm 1873. III. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/233>, abgerufen am 06.02.2025.