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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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dern Kämpen trocknete. Die Rolle des Dieners spielte der oftgenannte junge
v. Lhncker. Wieland, der sich natürlich unter den Zuschauern befand, schrie,
nachdem er lange genug feinen Unwillen bei der Begleitung der Arie mit
dem Posthorn zurückgehalten hatte, laut auf und verließ Wuth schnaubend
den Saal, erschien aber, wenn auch auf kurze Zeit, nämlich bei dem Sou¬
per besänftigt. Denn er konnte die Parodie nicht vergessen, lange nachher
schrieb er an Merck: So sind wir nun hier! Der unsaubere Geist der Po-
iissonerie und der Fratze, der in unsere Oberen gefahren ist. verdrängt noch
gerade alles Gefühl des Anständigen, alle Rücksicht auf Verhältnisse, alle
Delicatesse. alle Zucht und Scham. Ich gestehe dir Bruder, daß ichs müde
bin und bald muß ich glauben, die Absicht sei. daß ichs müde werden und
die Sottise machen soll, bloß davon zu fliehen '). Das war nun freilich die
Kehrseite des lustigen Treibens; und gut. daß Carl August und Goethe in
den Tagen darauf ihre Reise nach der Schweiz antraten; das brachte Ruhe
der aufgeregten Seele und die theatralischen Aufführungen erlitten zugleich
eine Unterbrechung, da man in Weimar überdies nicht spielte -- wo der
Bau eines neuen Redouteuhauses an der Stelle des jetzigen Theaters statt¬
fand. --

Aber auch jetzt gingen die Vorbereitungen zu den weitern Aufführungen
ruhig ihren Gang, wenn auch zunächst die Redouten eine vorzügliche Rolle
spielten, die Carl August mit dem Jahre 1780 unter einigen Beschränkungen
dem Publikum frei gab. Im Februar wurde Robert und K abliste")
vorbereitet; von neuem wurden "die Mitschuldigen" in Scene gesetzt, und
das Ballet "die Fischer", von Kranz componirt, beschäftigte das Personal
unaufhörlich. Für die Ausführung von Gozzi's "grünem Vögelchen", wel¬
ches Schöll in den Januar setzt, liegen uns quellenmäßige Belege nicht vor,
dagegen wurde am 0. April Iphigenia wiederholt und mit Goethe's Rück¬
kunft war auch sofort das auf der Schweizerreise entstandene Singstück Jery
und Bätely,'") wozu Seckendorf die Musik gemacht hatte, in Angriff ge¬
nommen, über deren erste Aufführung immer noch die widersprechendsten Nach¬
richten vorliegen.**") Wir möchten am liebsten dem Berichte der Frau von






*) Merck's Briefwechsel 1- 1""-
^..") Am 1.. Februar las v. senkend-rf das Stück v. vor und es fand da ne.es
d>° Vertheilnng der Rollen statt. Proben: 20. März in er Stadt, l . ^" ^ . ^'
2u,n Haupte. 26. Juni Anffnhmmr. (v. Loeper's M.tthettung aus v ^rM. s Tagebüchern)
November eine Wiederholung. Dünher fest l. W tue Ausführung 25, Ma.
-
) Am 17 Januar las Goethe diese Operette v. Knebeln vor to. Loepers MUtheüu g
aus des ^tem T^MchenY. Am März wurde die MM von Goethe's neuem Stuck
versucht, (ebendaselbst.)
) Diintzer I. 101 giebt kein Datum an.

dern Kämpen trocknete. Die Rolle des Dieners spielte der oftgenannte junge
v. Lhncker. Wieland, der sich natürlich unter den Zuschauern befand, schrie,
nachdem er lange genug feinen Unwillen bei der Begleitung der Arie mit
dem Posthorn zurückgehalten hatte, laut auf und verließ Wuth schnaubend
den Saal, erschien aber, wenn auch auf kurze Zeit, nämlich bei dem Sou¬
per besänftigt. Denn er konnte die Parodie nicht vergessen, lange nachher
schrieb er an Merck: So sind wir nun hier! Der unsaubere Geist der Po-
iissonerie und der Fratze, der in unsere Oberen gefahren ist. verdrängt noch
gerade alles Gefühl des Anständigen, alle Rücksicht auf Verhältnisse, alle
Delicatesse. alle Zucht und Scham. Ich gestehe dir Bruder, daß ichs müde
bin und bald muß ich glauben, die Absicht sei. daß ichs müde werden und
die Sottise machen soll, bloß davon zu fliehen '). Das war nun freilich die
Kehrseite des lustigen Treibens; und gut. daß Carl August und Goethe in
den Tagen darauf ihre Reise nach der Schweiz antraten; das brachte Ruhe
der aufgeregten Seele und die theatralischen Aufführungen erlitten zugleich
eine Unterbrechung, da man in Weimar überdies nicht spielte — wo der
Bau eines neuen Redouteuhauses an der Stelle des jetzigen Theaters statt¬
fand. —

Aber auch jetzt gingen die Vorbereitungen zu den weitern Aufführungen
ruhig ihren Gang, wenn auch zunächst die Redouten eine vorzügliche Rolle
spielten, die Carl August mit dem Jahre 1780 unter einigen Beschränkungen
dem Publikum frei gab. Im Februar wurde Robert und K abliste")
vorbereitet; von neuem wurden „die Mitschuldigen" in Scene gesetzt, und
das Ballet „die Fischer", von Kranz componirt, beschäftigte das Personal
unaufhörlich. Für die Ausführung von Gozzi's „grünem Vögelchen", wel¬
ches Schöll in den Januar setzt, liegen uns quellenmäßige Belege nicht vor,
dagegen wurde am 0. April Iphigenia wiederholt und mit Goethe's Rück¬
kunft war auch sofort das auf der Schweizerreise entstandene Singstück Jery
und Bätely,'") wozu Seckendorf die Musik gemacht hatte, in Angriff ge¬
nommen, über deren erste Aufführung immer noch die widersprechendsten Nach¬
richten vorliegen.**") Wir möchten am liebsten dem Berichte der Frau von






*) Merck's Briefwechsel 1- 1»«-
^..") Am 1.. Februar las v. senkend-rf das Stück v. vor und es fand da ne.es
d>° Vertheilnng der Rollen statt. Proben: 20. März in er Stadt, l . ^" ^ . ^'
2u,n Haupte. 26. Juni Anffnhmmr. (v. Loeper's M.tthettung aus v ^rM. s Tagebüchern)
November eine Wiederholung. Dünher fest l. W tue Ausführung 25, Ma.
-
) Am 17 Januar las Goethe diese Operette v. Knebeln vor to. Loepers MUtheüu g
aus des ^tem T^MchenY. Am März wurde die MM von Goethe's neuem Stuck
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/23>, abgerufen am 05.02.2025.