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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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1776 bis zum 1. October 1777 eine verhältnißmäßig bedeutende Summe aus
der Chatulle des Herzog Carl August (1064 Thlr. 9 Ngr.) für die theatrali¬
schen Aufführungen verwendet wurden, so war doch noch nicht die Zeit der
Maskenzüge gekommen; und bei einer genauern Durcharbeitung des Rech¬
nungsmaterials hätte Diezmann zu sicherern und ergiebigem Resultaten für
die Geschichte des Liebhabertheaters kommen können.

Im Beginn des Jahres 1777 nahm das Theater einen bedeutenden
Aufschwung. Nachdem man noch im November 1776*) an der jedenfalls
etrvas veränderten Aufführung "der Mitschuldigen" Goethe's gearbeitet,
wozu die Probe im Hause des Professors Musäus am 14. November statt¬
fand, der am 14. oder 21. November**) die Vorstellung gefolgt war, hatte
man wieder neue Stücke vorbereitet. Dahin rechnen wir den "Vormund",
zu dem am 24. November die Leseprobe, am 8. und 14. December die Thea¬
terproben stattfanden, nachdem die Mitschuldigen am 30. November 1776
wirklich wieder in Scene gegangen waren und der Edelknabe wahrschein¬
lich mit alter Besetzung am 28. November Wiederholung gefunden hatte.
Diese Stücke gab man auch im Beginn des Jahres 1777, am 8. Januar
die Gast Wirthin, am 9. die Mitschuldigen, am 16. den Vormund,
während Goethe schon die großartigsten Vorbereitungen zur Aufführung von
Lila machte, welche das Geburtsfest der Herzogin Louise 1777 am 30. Janar
verherrlichen sollte.

Dieses Stück brachte dem Theater eine gewaltige Umänderung. Denn
nicht allein der Zuschauerraum wurde gleichmäßig erhöht, sondern es wurden
auch die beweglichen und zum Theil arge Störung verursachenden Stühle
ganz entfernt und durch Bänke ersetzt. Quergallerie und Saal wurden mit
schwarzen Tüchern ausgeschlagen und dem Ganzen, bis auf die Theater¬
billets***) herab, eine würdigere Ausstattung gegeben.

Bei weitem wichtiger war aber, daß die Bühne selbst bedeutend ver¬
größert, zu Maschinen eingerichtet, um eine Versenkung bereichert und völlig
neue Decorationen mit vierfachen Veränderungen geschaffen wurden. Das
ganze Theaterpersonal war vollauf beschäftigt, Mieding zimmerte, Schuh¬
mann malte in dem nicht fern liegenden Hause des Hofcassicr König, die Ko¬
pisten der Partitur arbeiteten 21 volle Tage und aus der Druckerei gingen





n, Am 15- Nov. ist Probe der Mitschuldigen nach Dünher I. 42; dagegen stimmen die
"Usze'chnungen des Professors Musäus.
) Nach Düntzcr I. 42 sind an diesem Tage die Geschwister aufgeführt worden.
wi> ^ nur zwei Plätze: Saal und Gallerie. Diese Worte standen auf den Karten
" einfachen herzoglichen Wappen.

1776 bis zum 1. October 1777 eine verhältnißmäßig bedeutende Summe aus
der Chatulle des Herzog Carl August (1064 Thlr. 9 Ngr.) für die theatrali¬
schen Aufführungen verwendet wurden, so war doch noch nicht die Zeit der
Maskenzüge gekommen; und bei einer genauern Durcharbeitung des Rech¬
nungsmaterials hätte Diezmann zu sicherern und ergiebigem Resultaten für
die Geschichte des Liebhabertheaters kommen können.

Im Beginn des Jahres 1777 nahm das Theater einen bedeutenden
Aufschwung. Nachdem man noch im November 1776*) an der jedenfalls
etrvas veränderten Aufführung „der Mitschuldigen" Goethe's gearbeitet,
wozu die Probe im Hause des Professors Musäus am 14. November statt¬
fand, der am 14. oder 21. November**) die Vorstellung gefolgt war, hatte
man wieder neue Stücke vorbereitet. Dahin rechnen wir den „Vormund",
zu dem am 24. November die Leseprobe, am 8. und 14. December die Thea¬
terproben stattfanden, nachdem die Mitschuldigen am 30. November 1776
wirklich wieder in Scene gegangen waren und der Edelknabe wahrschein¬
lich mit alter Besetzung am 28. November Wiederholung gefunden hatte.
Diese Stücke gab man auch im Beginn des Jahres 1777, am 8. Januar
die Gast Wirthin, am 9. die Mitschuldigen, am 16. den Vormund,
während Goethe schon die großartigsten Vorbereitungen zur Aufführung von
Lila machte, welche das Geburtsfest der Herzogin Louise 1777 am 30. Janar
verherrlichen sollte.

Dieses Stück brachte dem Theater eine gewaltige Umänderung. Denn
nicht allein der Zuschauerraum wurde gleichmäßig erhöht, sondern es wurden
auch die beweglichen und zum Theil arge Störung verursachenden Stühle
ganz entfernt und durch Bänke ersetzt. Quergallerie und Saal wurden mit
schwarzen Tüchern ausgeschlagen und dem Ganzen, bis auf die Theater¬
billets***) herab, eine würdigere Ausstattung gegeben.

Bei weitem wichtiger war aber, daß die Bühne selbst bedeutend ver¬
größert, zu Maschinen eingerichtet, um eine Versenkung bereichert und völlig
neue Decorationen mit vierfachen Veränderungen geschaffen wurden. Das
ganze Theaterpersonal war vollauf beschäftigt, Mieding zimmerte, Schuh¬
mann malte in dem nicht fern liegenden Hause des Hofcassicr König, die Ko¬
pisten der Partitur arbeiteten 21 volle Tage und aus der Druckerei gingen





n, Am 15- Nov. ist Probe der Mitschuldigen nach Dünher I. 42; dagegen stimmen die
"Usze'chnungen des Professors Musäus.
) Nach Düntzcr I. 42 sind an diesem Tage die Geschwister aufgeführt worden.
wi> ^ nur zwei Plätze: Saal und Gallerie. Diese Worte standen auf den Karten
" einfachen herzoglichen Wappen.
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[0015] 1776 bis zum 1. October 1777 eine verhältnißmäßig bedeutende Summe aus der Chatulle des Herzog Carl August (1064 Thlr. 9 Ngr.) für die theatrali¬ schen Aufführungen verwendet wurden, so war doch noch nicht die Zeit der Maskenzüge gekommen; und bei einer genauern Durcharbeitung des Rech¬ nungsmaterials hätte Diezmann zu sicherern und ergiebigem Resultaten für die Geschichte des Liebhabertheaters kommen können. Im Beginn des Jahres 1777 nahm das Theater einen bedeutenden Aufschwung. Nachdem man noch im November 1776*) an der jedenfalls etrvas veränderten Aufführung „der Mitschuldigen" Goethe's gearbeitet, wozu die Probe im Hause des Professors Musäus am 14. November statt¬ fand, der am 14. oder 21. November**) die Vorstellung gefolgt war, hatte man wieder neue Stücke vorbereitet. Dahin rechnen wir den „Vormund", zu dem am 24. November die Leseprobe, am 8. und 14. December die Thea¬ terproben stattfanden, nachdem die Mitschuldigen am 30. November 1776 wirklich wieder in Scene gegangen waren und der Edelknabe wahrschein¬ lich mit alter Besetzung am 28. November Wiederholung gefunden hatte. Diese Stücke gab man auch im Beginn des Jahres 1777, am 8. Januar die Gast Wirthin, am 9. die Mitschuldigen, am 16. den Vormund, während Goethe schon die großartigsten Vorbereitungen zur Aufführung von Lila machte, welche das Geburtsfest der Herzogin Louise 1777 am 30. Janar verherrlichen sollte. Dieses Stück brachte dem Theater eine gewaltige Umänderung. Denn nicht allein der Zuschauerraum wurde gleichmäßig erhöht, sondern es wurden auch die beweglichen und zum Theil arge Störung verursachenden Stühle ganz entfernt und durch Bänke ersetzt. Quergallerie und Saal wurden mit schwarzen Tüchern ausgeschlagen und dem Ganzen, bis auf die Theater¬ billets***) herab, eine würdigere Ausstattung gegeben. Bei weitem wichtiger war aber, daß die Bühne selbst bedeutend ver¬ größert, zu Maschinen eingerichtet, um eine Versenkung bereichert und völlig neue Decorationen mit vierfachen Veränderungen geschaffen wurden. Das ganze Theaterpersonal war vollauf beschäftigt, Mieding zimmerte, Schuh¬ mann malte in dem nicht fern liegenden Hause des Hofcassicr König, die Ko¬ pisten der Partitur arbeiteten 21 volle Tage und aus der Druckerei gingen n, Am 15- Nov. ist Probe der Mitschuldigen nach Dünher I. 42; dagegen stimmen die "Usze'chnungen des Professors Musäus. ) Nach Düntzcr I. 42 sind an diesem Tage die Geschwister aufgeführt worden. wi> ^ nur zwei Plätze: Saal und Gallerie. Diese Worte standen auf den Karten " einfachen herzoglichen Wappen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/15>, abgerufen am 05.02.2025.