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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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zu bringen und deren zeithero leider so sehr vernachlässigtes Andenken auf eine stattliche
und geziemende Weise zu erneuern; zu dem Ende auch Einer aus unseren Mitteln
von uns befehligt und ermuntert worden ist die Feder zu ergreifen und ein taugliches
präscntablcs Theaterstück an den Tag zu bringen, so hegen wir zu unserm eingangs erwähn¬
ten Compan und Mitgenossen das gegründete Vertrauen: Er werde sich rückerinnernd
seines vormals bezeugten Eifers und des so reichlich dafür empfangenen Dankes und
Beyfalls gern und willigst bewegen lassen an unserm so löblichen Vorhaben Theil zu
nehmen, sich in unsern Reihen anzuschließen oder passender uns auszudrücken, die¬
selben anführen zu wollen.' Solches hoffend und voraussehend haben wir gegenwär¬
tiges Schreiben abgefaßt und persönlich eigenhändig sammt und sonders unterschrieben.


Amelie, Herz. z. S.
Carl August, H, z. S. <M wor.
v. Goechhcmsen. Moritz Brühl Gastwirth.
Christine Brühl.
C. I. M. v. Wedel,
v. Hendrich, v. Staff.
von Einsiedel. coll.

Leider läßt sich nicht bestimmen, zu welcher Zeit derartige Einladungen
ergingen; doch gehören sie unstreitig in die frühste Epoche des Liebhaber¬
theaters, das aber eine weit größere Bedeutung erst dann gewann, als Goethe
ihm seine schöpferische Thätigkeit zuwandte und es zur Durchführung seiner
eignen Stücke benutzte. Diese Thätigkeit setzt aber bei weitem früher ein,
als man bisher angenommen hat, da er schon im Monat April 1776*) die
Rollen zu den "Mitschuldigen" ausschreiben ließ, die jedenfalls bald nach¬
her aufgeführt aber als "unmoralisch" angesprochen wurden. Goethe gab
selbst den Alcest, Corona Schröter die Sophie, Bertuch den Söller und Mu-
säus den Wirth zum Bären. Wahrscheinlich aus moralischen Gründen stieß
Goethe gleich bei der Vertheilung und Uebernahme der Rollen auf nicht ge¬
ringe Schwierigkeiten. Wenigstens zeigt sich dieses in Hinsicht des sonst so
jovialen Kammerherrn von Einsiedel, in dessen Nachlaß sich noch einige unda-
tirte hier zum ersten Male wiedergegebene Billets finden, deren Wort¬
laut folgender ist:

"Du mußt in einer verfluchten Hypochondrie stecken. -- Ich wollte schwören, du
wärst gut, wenn Du Dich nur ein bissel angriffst. Ich weiß nun nicht, was ich mache.
Die andern spielen brav und ich weiß absolut keinen Söller -- und weiß daß Du
,G. ihn gewiß gut spielen würdest. Vielleicht desund ich dich heut."

Dann lautet ein anderes Billet:



') Die Quittung darüber d-rtirt vom 20. April I77K. Dünper hat Recht, <C. August
I. 18.) wenn er anuinuut, daß im Februar nocy keine TlMncchmc Goethe's am Liebhaber-
theater festzustellen ist.

zu bringen und deren zeithero leider so sehr vernachlässigtes Andenken auf eine stattliche
und geziemende Weise zu erneuern; zu dem Ende auch Einer aus unseren Mitteln
von uns befehligt und ermuntert worden ist die Feder zu ergreifen und ein taugliches
präscntablcs Theaterstück an den Tag zu bringen, so hegen wir zu unserm eingangs erwähn¬
ten Compan und Mitgenossen das gegründete Vertrauen: Er werde sich rückerinnernd
seines vormals bezeugten Eifers und des so reichlich dafür empfangenen Dankes und
Beyfalls gern und willigst bewegen lassen an unserm so löblichen Vorhaben Theil zu
nehmen, sich in unsern Reihen anzuschließen oder passender uns auszudrücken, die¬
selben anführen zu wollen.' Solches hoffend und voraussehend haben wir gegenwär¬
tiges Schreiben abgefaßt und persönlich eigenhändig sammt und sonders unterschrieben.


Amelie, Herz. z. S.
Carl August, H, z. S. <M wor.
v. Goechhcmsen. Moritz Brühl Gastwirth.
Christine Brühl.
C. I. M. v. Wedel,
v. Hendrich, v. Staff.
von Einsiedel. coll.

Leider läßt sich nicht bestimmen, zu welcher Zeit derartige Einladungen
ergingen; doch gehören sie unstreitig in die frühste Epoche des Liebhaber¬
theaters, das aber eine weit größere Bedeutung erst dann gewann, als Goethe
ihm seine schöpferische Thätigkeit zuwandte und es zur Durchführung seiner
eignen Stücke benutzte. Diese Thätigkeit setzt aber bei weitem früher ein,
als man bisher angenommen hat, da er schon im Monat April 1776*) die
Rollen zu den „Mitschuldigen" ausschreiben ließ, die jedenfalls bald nach¬
her aufgeführt aber als „unmoralisch" angesprochen wurden. Goethe gab
selbst den Alcest, Corona Schröter die Sophie, Bertuch den Söller und Mu-
säus den Wirth zum Bären. Wahrscheinlich aus moralischen Gründen stieß
Goethe gleich bei der Vertheilung und Uebernahme der Rollen auf nicht ge¬
ringe Schwierigkeiten. Wenigstens zeigt sich dieses in Hinsicht des sonst so
jovialen Kammerherrn von Einsiedel, in dessen Nachlaß sich noch einige unda-
tirte hier zum ersten Male wiedergegebene Billets finden, deren Wort¬
laut folgender ist:

„Du mußt in einer verfluchten Hypochondrie stecken. — Ich wollte schwören, du
wärst gut, wenn Du Dich nur ein bissel angriffst. Ich weiß nun nicht, was ich mache.
Die andern spielen brav und ich weiß absolut keinen Söller — und weiß daß Du
,G. ihn gewiß gut spielen würdest. Vielleicht desund ich dich heut."

Dann lautet ein anderes Billet:



') Die Quittung darüber d-rtirt vom 20. April I77K. Dünper hat Recht, <C. August
I. 18.) wenn er anuinuut, daß im Februar nocy keine TlMncchmc Goethe's am Liebhaber-
theater festzustellen ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/12>, abgerufen am 05.02.2025.