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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Oberstallmeister v. Stein wegen ihres gewandten Spieles und ihrer vortrefflichen
Aussprache des Französischen aus. Eben so vertrat Graf Putbus die franzö¬
sische Operette, da er sehr musikalisch war, und führte diese durch den
"Faßbinder von Monsigni" ein, an dem man schon im Monat März
studirte, während man wahrscheinlich wiederholt den Westindier *)
gab, für welchen das Theater mit neuer Decoration versehen wurde. Bestimmt
läßt sich sagen, daß Goethe in diesem Stücke auftrat/") in dem er die Haupt¬
rolle, Herzog Carl August die des 0 ^Is-derti übernahm, während Siegmund
von Seckendorf zur allgemeinen Bewunderung die Gastwirthin Fulmer gab,
welche bei der spätern Aufführung auch von Fräulein v, Goechhausen gegeben
wurde. In allen diesen Stücken treten bei Weitem mehr mitwirkende Per¬
sonen auf, als solche uns in den bisherigen Darstellungsversuchen über das
Liebhabertheater genannt werden. Als solche erscheinen Sophie von Raschau,
die Hofdame von Waldner, der Geheim-Secretair Bertuch, der spätere Ge-
Heim-Secretair Schmidt, auch der Kammerrath von Hendrich, während in den
in der Regel von Siegmund von Seckendorf componirter und von Aulhorn
eingeübten Ballets der Oberhofstallmeister von Stein und der Lieutenant von
Scharbe, jener in den ernsthaften Solis, ?as ac äeux und dergleichen, dieser
in den komischen Tänzen, in den sogenannten Kapriolen sich auszeichneten,
und Fräulein von Lyneker namentlich den Oberstallmeister von Stein und
Hennette vo< Raschau den Herrn v. Scharbe unterstützten. Unter diesen
Ballets der frühsten Theaterzeit scheint das " Blumenballet" sehr beliebt
gewesen zu sein.

Man sieht schon aus dieser nothwendig lückenhaft bleibenden Geschichte
dieses Theaters, daß man sehr früh ein ausgedehnteres Repertoir anstrebte,
und daß auch der Hof sich nicht allein persönlich bei diesen Aufführungen be¬
theiligte, sondern auch durch seine scherzhaften Einladungen zur Theilnahme auf¬
zufordern verstand. Eine solche hat sich noch in Familienpapieren uns erhalten
und da sie charakteristisch für das Leben und freudige Treiben jener Zeit,
und noch nie mitgetheilt worden ist, so dürfen wir sie hier nicht vorenthalten :

Wir der thränenreichen Melpomene und der freudebringenden Thalia Söhne und
Töchter vermelden unserm viel und hochgeehrten Comvan und Mitgenossen, dem Geh.
Noth von Lyneker unsern freundlichen Gruß zum Voraus.

Nachdem wir Cndesunterschriebcne uns entschlossen haben, unsern Ur-ur-ur-
und Pflegemüttern obbenannten beyden Musen göttlichen Andenkens ein schuldiges Opfer





") Goethe's Briefe an die Stein I. 15.
Düntzer I. 2t.
"*) In diese Zeit fällt auch die Aufführung des Mahomet und der "beiden Geizigen."
(Diintzer I. o. v. 19.)

Oberstallmeister v. Stein wegen ihres gewandten Spieles und ihrer vortrefflichen
Aussprache des Französischen aus. Eben so vertrat Graf Putbus die franzö¬
sische Operette, da er sehr musikalisch war, und führte diese durch den
„Faßbinder von Monsigni" ein, an dem man schon im Monat März
studirte, während man wahrscheinlich wiederholt den Westindier *)
gab, für welchen das Theater mit neuer Decoration versehen wurde. Bestimmt
läßt sich sagen, daß Goethe in diesem Stücke auftrat/") in dem er die Haupt¬
rolle, Herzog Carl August die des 0 ^Is-derti übernahm, während Siegmund
von Seckendorf zur allgemeinen Bewunderung die Gastwirthin Fulmer gab,
welche bei der spätern Aufführung auch von Fräulein v, Goechhausen gegeben
wurde. In allen diesen Stücken treten bei Weitem mehr mitwirkende Per¬
sonen auf, als solche uns in den bisherigen Darstellungsversuchen über das
Liebhabertheater genannt werden. Als solche erscheinen Sophie von Raschau,
die Hofdame von Waldner, der Geheim-Secretair Bertuch, der spätere Ge-
Heim-Secretair Schmidt, auch der Kammerrath von Hendrich, während in den
in der Regel von Siegmund von Seckendorf componirter und von Aulhorn
eingeübten Ballets der Oberhofstallmeister von Stein und der Lieutenant von
Scharbe, jener in den ernsthaften Solis, ?as ac äeux und dergleichen, dieser
in den komischen Tänzen, in den sogenannten Kapriolen sich auszeichneten,
und Fräulein von Lyneker namentlich den Oberstallmeister von Stein und
Hennette vo< Raschau den Herrn v. Scharbe unterstützten. Unter diesen
Ballets der frühsten Theaterzeit scheint das „ Blumenballet" sehr beliebt
gewesen zu sein.

Man sieht schon aus dieser nothwendig lückenhaft bleibenden Geschichte
dieses Theaters, daß man sehr früh ein ausgedehnteres Repertoir anstrebte,
und daß auch der Hof sich nicht allein persönlich bei diesen Aufführungen be¬
theiligte, sondern auch durch seine scherzhaften Einladungen zur Theilnahme auf¬
zufordern verstand. Eine solche hat sich noch in Familienpapieren uns erhalten
und da sie charakteristisch für das Leben und freudige Treiben jener Zeit,
und noch nie mitgetheilt worden ist, so dürfen wir sie hier nicht vorenthalten :

Wir der thränenreichen Melpomene und der freudebringenden Thalia Söhne und
Töchter vermelden unserm viel und hochgeehrten Comvan und Mitgenossen, dem Geh.
Noth von Lyneker unsern freundlichen Gruß zum Voraus.

Nachdem wir Cndesunterschriebcne uns entschlossen haben, unsern Ur-ur-ur-
und Pflegemüttern obbenannten beyden Musen göttlichen Andenkens ein schuldiges Opfer





") Goethe's Briefe an die Stein I. 15.
Düntzer I. 2t.
"*) In diese Zeit fällt auch die Aufführung des Mahomet und der „beiden Geizigen."
(Diintzer I. o. v. 19.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/11>, abgerufen am 06.02.2025.