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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Vertreter anderer fremden Nationen, alle mit schallenden Titeln, imposanter
Haltung und einem auf Sparsamkeit hinweisenden Einkommen.

Nun denke man sich diese ganze Pracht in einem Theater-Königreich,
dessen ganze Bevölkerung noch keine sechzigtausend Seelen beträgt. Aber das
Volk ist so sehr an neungltederige Titel und kolossale Magnaten gewöhnt,
daß ein fremder Prinz in Honolulu nicht mehr Aufsehen erregt als ein Con-
greßmitglied aus dem Westen in New ?)ort.

Und wolle man im Gedächtniß behalten, daß es eine genau vorgeschriebene
"Hoftracht" von so verblüffender Natur giebt, daß im Vergleich damit ein
Hanswurst in einer Bereiterbude zahm und gewöhnlich aussehen würde, und
daß jeder hawaiische Würdenträger eine seiner amtlichen Stellung zugetheilte
prachtvolle, bunte, goldgestickte Uniform hat. Nicht zwei derselben gleichen
sich, und es ist schwer zu sagen, welche am meisten "schreit". Zu bestimmten
Zeiten giebt's "Cour" bei Hofe, wie anderswo, und wenn diese verschiedenen
Uniformen sich dort sammeln, so müssen Leute mit schwachen Augen das
Schauspiel durch rauchgeschwärztes Glas betrachten. Ist nicht ein wohl¬
thuender Unterschied zwischen dieser Schaustellung und derjenigen, welche die
Ahnen einiger dieser Magnaten den Missionären nach der Kleidervertheilung
darboten? Siehe, was Religion und Civilisation alles zu Stande gebracht
haben!




Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung.*)

Wir sind im Augenblick keineswegs arm an Zeitschriften für das Fach
der deutschen Sprache und Literatur. Die von Haupt, die Germania Franz
Pfeiffer's jetzt Bartsch, die von Höpfner und Zacher in erster Reihe, dazu noch
der Anzeiger des Germanischen Museums, der doch zum großen Theil wenig¬
stens für die deutsche Literaturwissenschaft arbeitet, ganz abgesehen von ande¬
ren, welche bei einem allgemeineren Programm mit Vorliebe deutsche Themata
berühren, so die Zeitschriften für Sprachvergleichung und Völkerpsychologie, in de¬
nen die deutsche Sprachkunde sehr stark vertreten ist, die verschiedenen Literarhistoriker
und Bibliographisten, wie das Serapeum Gosche's, jetzt Schmorr's Archiv, wo
sich ebenso die deutsche Literatur ganz von selbst in den Vordergrund der
Weltliteratur stellt. Kommt dazu noch, wie wir sicher hoffen, sehr bald From-



Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung. Im Verein mit Fachge-
gelehrten und Liieraturfreuuden herausgegeben von I. M. Wagner. Wien, Kubasta u. Voigt.
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Vertreter anderer fremden Nationen, alle mit schallenden Titeln, imposanter
Haltung und einem auf Sparsamkeit hinweisenden Einkommen.

Nun denke man sich diese ganze Pracht in einem Theater-Königreich,
dessen ganze Bevölkerung noch keine sechzigtausend Seelen beträgt. Aber das
Volk ist so sehr an neungltederige Titel und kolossale Magnaten gewöhnt,
daß ein fremder Prinz in Honolulu nicht mehr Aufsehen erregt als ein Con-
greßmitglied aus dem Westen in New ?)ort.

Und wolle man im Gedächtniß behalten, daß es eine genau vorgeschriebene
„Hoftracht" von so verblüffender Natur giebt, daß im Vergleich damit ein
Hanswurst in einer Bereiterbude zahm und gewöhnlich aussehen würde, und
daß jeder hawaiische Würdenträger eine seiner amtlichen Stellung zugetheilte
prachtvolle, bunte, goldgestickte Uniform hat. Nicht zwei derselben gleichen
sich, und es ist schwer zu sagen, welche am meisten „schreit". Zu bestimmten
Zeiten giebt's „Cour" bei Hofe, wie anderswo, und wenn diese verschiedenen
Uniformen sich dort sammeln, so müssen Leute mit schwachen Augen das
Schauspiel durch rauchgeschwärztes Glas betrachten. Ist nicht ein wohl¬
thuender Unterschied zwischen dieser Schaustellung und derjenigen, welche die
Ahnen einiger dieser Magnaten den Missionären nach der Kleidervertheilung
darboten? Siehe, was Religion und Civilisation alles zu Stande gebracht
haben!




Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung.*)

Wir sind im Augenblick keineswegs arm an Zeitschriften für das Fach
der deutschen Sprache und Literatur. Die von Haupt, die Germania Franz
Pfeiffer's jetzt Bartsch, die von Höpfner und Zacher in erster Reihe, dazu noch
der Anzeiger des Germanischen Museums, der doch zum großen Theil wenig¬
stens für die deutsche Literaturwissenschaft arbeitet, ganz abgesehen von ande¬
ren, welche bei einem allgemeineren Programm mit Vorliebe deutsche Themata
berühren, so die Zeitschriften für Sprachvergleichung und Völkerpsychologie, in de¬
nen die deutsche Sprachkunde sehr stark vertreten ist, die verschiedenen Literarhistoriker
und Bibliographisten, wie das Serapeum Gosche's, jetzt Schmorr's Archiv, wo
sich ebenso die deutsche Literatur ganz von selbst in den Vordergrund der
Weltliteratur stellt. Kommt dazu noch, wie wir sicher hoffen, sehr bald From-



Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung. Im Verein mit Fachge-
gelehrten und Liieraturfreuuden herausgegeben von I. M. Wagner. Wien, Kubasta u. Voigt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/119>, abgerufen am 05.02.2025.