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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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müde wird, höhnische Witze auf sein Geburtsland zu reißen und das zehn
Acker große "Reich" zu preisen, welches ihn adoptirt hat -- Salair 4000
Dollars, ungeheure Bedeutung für die Welt und keine Nebeneinkünfte. Als¬
dann haben wir Seine Excellenz den Reichsfinanzminister, der jährlich etwa
eine Million Dollars durch seine Hände gehen sieht, sein "Jahresbudget"
mit großer Feierlichkeit vorlegt, wunderbare Reden von "Finanzkunst" redet,
imposante Pläne für die Bezahlung der "Staatsschuld" andeutet (dieselbe be¬
trägt 150,000 Dollars) und das Alles für 4000 Dollars jährlich und un¬
denkbaren Ruhm leistet.

Zunächst folgt dann Seine Excellenz der Herr Kriegsminister, der über
die königlichen Armeen gebietet. Dieselben bestehen aus zweihundertunddreißig
bewaffneten Kanakas. meist Brigadegenerale, und wenn das Land je in Streit
mit einer fremden Macht geräth, fo werden wir vermuthlich von ihnen hören.
Ich lernte einen Amerikaner kennen. dessen aus einer Kupferplatte bestehende
Visitenkarte die eindrucksvoller Worte enthielt: "Oberstlieutenant in der
königlichen Infanterie." Wollte ich sagen. er wäre auf diese Auszeichnung
stolz gewesen, so würde das die Sache nicht halb ausdrücken. Der Kriegs¬
minister verwahrt in seiner Spielsachenschachtel auch ein paar ehrwürdige
Böller, die auf Punchbowl-Hill stehen, und mit denen man Salutschüsse ab¬
feuert, wenn fremde Kriegsschiffe in den Hafen einlaufen.

Nach diesem kommt Seine Excellenz der Marineminister -- ein Nabob.
welcher die "königliche Flotte" (einen Dampfschlepper und einen Schooner von
60 Tonnen) regiert.

Hierauf folgt Seine Gnaden, der Herr Bischof von Honolulu, der oberste
Würdenträger der "Staatskirche", d. h. der bischöflichen Hochkirche. Denn
als die amerikanischen Presbyterianer-Missionäre mit der Bekehrung der gan¬
zen Nation zum Christenthum fertig waren, trat die eingeborne Monarchie
herzu und errichtete über ihrem Werke das erhabne Gebäude einer "Staats¬
kirche", zu welchem Ende man einen wohlfeilen in England auf Lager vor¬
rätigen Bischof importirte. Der Verdruß der Missionäre ist, da Fluchen
und Lästern unzulässig, niemals in seiner ganzen Intensität zum Ausdruck
gelangt.

Alsdann kommen Seine Excellenz der Minister des öffentlichen Unter¬
richts, die Gouverneure von Oahu, Hawai u. s. w-, ebenfalls lauter Excel¬
lenzen, und ein Bündel Oberrichter, Richter und anderes Kleinvieh, das zu
zahlreich ist, um hier aufgezählt werden zu können.

Schließlich haben wir noch etwa ein Dutzend fremdländische Würdenträger:
den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Seiner Kaiser¬
lichen Majestät des Kaisers der Franzosen, den Gesandten Ihrer britischen
Majestät, den Ministerresidenten der Vereinigten Staaten und sechs oder acht


müde wird, höhnische Witze auf sein Geburtsland zu reißen und das zehn
Acker große „Reich" zu preisen, welches ihn adoptirt hat — Salair 4000
Dollars, ungeheure Bedeutung für die Welt und keine Nebeneinkünfte. Als¬
dann haben wir Seine Excellenz den Reichsfinanzminister, der jährlich etwa
eine Million Dollars durch seine Hände gehen sieht, sein „Jahresbudget"
mit großer Feierlichkeit vorlegt, wunderbare Reden von „Finanzkunst" redet,
imposante Pläne für die Bezahlung der „Staatsschuld" andeutet (dieselbe be¬
trägt 150,000 Dollars) und das Alles für 4000 Dollars jährlich und un¬
denkbaren Ruhm leistet.

Zunächst folgt dann Seine Excellenz der Herr Kriegsminister, der über
die königlichen Armeen gebietet. Dieselben bestehen aus zweihundertunddreißig
bewaffneten Kanakas. meist Brigadegenerale, und wenn das Land je in Streit
mit einer fremden Macht geräth, fo werden wir vermuthlich von ihnen hören.
Ich lernte einen Amerikaner kennen. dessen aus einer Kupferplatte bestehende
Visitenkarte die eindrucksvoller Worte enthielt: „Oberstlieutenant in der
königlichen Infanterie." Wollte ich sagen. er wäre auf diese Auszeichnung
stolz gewesen, so würde das die Sache nicht halb ausdrücken. Der Kriegs¬
minister verwahrt in seiner Spielsachenschachtel auch ein paar ehrwürdige
Böller, die auf Punchbowl-Hill stehen, und mit denen man Salutschüsse ab¬
feuert, wenn fremde Kriegsschiffe in den Hafen einlaufen.

Nach diesem kommt Seine Excellenz der Marineminister — ein Nabob.
welcher die „königliche Flotte" (einen Dampfschlepper und einen Schooner von
60 Tonnen) regiert.

Hierauf folgt Seine Gnaden, der Herr Bischof von Honolulu, der oberste
Würdenträger der „Staatskirche", d. h. der bischöflichen Hochkirche. Denn
als die amerikanischen Presbyterianer-Missionäre mit der Bekehrung der gan¬
zen Nation zum Christenthum fertig waren, trat die eingeborne Monarchie
herzu und errichtete über ihrem Werke das erhabne Gebäude einer „Staats¬
kirche", zu welchem Ende man einen wohlfeilen in England auf Lager vor¬
rätigen Bischof importirte. Der Verdruß der Missionäre ist, da Fluchen
und Lästern unzulässig, niemals in seiner ganzen Intensität zum Ausdruck
gelangt.

Alsdann kommen Seine Excellenz der Minister des öffentlichen Unter¬
richts, die Gouverneure von Oahu, Hawai u. s. w-, ebenfalls lauter Excel¬
lenzen, und ein Bündel Oberrichter, Richter und anderes Kleinvieh, das zu
zahlreich ist, um hier aufgezählt werden zu können.

Schließlich haben wir noch etwa ein Dutzend fremdländische Würdenträger:
den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Seiner Kaiser¬
lichen Majestät des Kaisers der Franzosen, den Gesandten Ihrer britischen
Majestät, den Ministerresidenten der Vereinigten Staaten und sechs oder acht


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[0118] müde wird, höhnische Witze auf sein Geburtsland zu reißen und das zehn Acker große „Reich" zu preisen, welches ihn adoptirt hat — Salair 4000 Dollars, ungeheure Bedeutung für die Welt und keine Nebeneinkünfte. Als¬ dann haben wir Seine Excellenz den Reichsfinanzminister, der jährlich etwa eine Million Dollars durch seine Hände gehen sieht, sein „Jahresbudget" mit großer Feierlichkeit vorlegt, wunderbare Reden von „Finanzkunst" redet, imposante Pläne für die Bezahlung der „Staatsschuld" andeutet (dieselbe be¬ trägt 150,000 Dollars) und das Alles für 4000 Dollars jährlich und un¬ denkbaren Ruhm leistet. Zunächst folgt dann Seine Excellenz der Herr Kriegsminister, der über die königlichen Armeen gebietet. Dieselben bestehen aus zweihundertunddreißig bewaffneten Kanakas. meist Brigadegenerale, und wenn das Land je in Streit mit einer fremden Macht geräth, fo werden wir vermuthlich von ihnen hören. Ich lernte einen Amerikaner kennen. dessen aus einer Kupferplatte bestehende Visitenkarte die eindrucksvoller Worte enthielt: „Oberstlieutenant in der königlichen Infanterie." Wollte ich sagen. er wäre auf diese Auszeichnung stolz gewesen, so würde das die Sache nicht halb ausdrücken. Der Kriegs¬ minister verwahrt in seiner Spielsachenschachtel auch ein paar ehrwürdige Böller, die auf Punchbowl-Hill stehen, und mit denen man Salutschüsse ab¬ feuert, wenn fremde Kriegsschiffe in den Hafen einlaufen. Nach diesem kommt Seine Excellenz der Marineminister — ein Nabob. welcher die „königliche Flotte" (einen Dampfschlepper und einen Schooner von 60 Tonnen) regiert. Hierauf folgt Seine Gnaden, der Herr Bischof von Honolulu, der oberste Würdenträger der „Staatskirche", d. h. der bischöflichen Hochkirche. Denn als die amerikanischen Presbyterianer-Missionäre mit der Bekehrung der gan¬ zen Nation zum Christenthum fertig waren, trat die eingeborne Monarchie herzu und errichtete über ihrem Werke das erhabne Gebäude einer „Staats¬ kirche", zu welchem Ende man einen wohlfeilen in England auf Lager vor¬ rätigen Bischof importirte. Der Verdruß der Missionäre ist, da Fluchen und Lästern unzulässig, niemals in seiner ganzen Intensität zum Ausdruck gelangt. Alsdann kommen Seine Excellenz der Minister des öffentlichen Unter¬ richts, die Gouverneure von Oahu, Hawai u. s. w-, ebenfalls lauter Excel¬ lenzen, und ein Bündel Oberrichter, Richter und anderes Kleinvieh, das zu zahlreich ist, um hier aufgezählt werden zu können. Schließlich haben wir noch etwa ein Dutzend fremdländische Würdenträger: den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Seiner Kaiser¬ lichen Majestät des Kaisers der Franzosen, den Gesandten Ihrer britischen Majestät, den Ministerresidenten der Vereinigten Staaten und sechs oder acht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/118>, abgerufen am 05.02.2025.