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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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ordentlich und bei alledem so rührend, daß die Missionäre es schwierig fan¬
den, beim Texte zu bleiben und mit dem Gottesdienste fortzufahren, und
bald nachher, als die einfachen Kinder der Sonne in offener Versammlung
mit den Kleidern wie Vögel mit den Fittichen zu schlagen begannen und un¬
widerstehlich zum Lachen reizende groteske Wirkungen mit Ankleiden hervor¬
brachten, blieb nichts dagegen übrig, als die Sache kurz mit dem Segen ab¬
zubrechen und die phantastische Versammlung heimzuschicken.

In unserm Lande spielen die Kinder "Haushaltens". In derselben hoch¬
klingenden, aber kleinlichen Weise spielt ein erwachsenes Volk hier mit dem
ärmlichen Bischen Material an schmalem Gebiet und magerer Bevölkerung
"Königreichs". Da haben wir Seine Königliche Majestät den König mit
dem Jahrgehalt eines Mitgliedes der neuyorker Geheimpolizei, dreißig oder
fünfunddreißigtausend Thalern, die aus der "königlichen Civilliste" fließen und
aus der "königlichen Domaine". Er wohnt in einem "Palast", der eine
zweistöckige Bretterbude ist. Und da haben wir ferner "die königliche Fa¬
milie" -- den üblichen Bienenstock von königlichen Brüdern, Schwestern,
Vettern und (wir verwahren uns vor der Annahme, daß wir die folgenden
respeetwidrigen Aeußerungen des boshaften Mnkees irgendwie gerechtfertigt
finden könnten) andern vornehmen Drohnen, die mit einer Monarchie ge¬
wöhnlich zusammenhängen -- alle mit einem Löffel in der Breischüssel der
Nation und alle mit Titeln wie Seine oder Ihre Königliche Hoheit, der
Prinz oder die Prinzessin So und so. Indeß können es nur wenige derselben
mit ihrer königlichen Pracht soweit treiben, daß sie in Kutschen fahren. Sie
bedienen sich des wohlfeilen Kanaka-Pferdes oder reiten wie die Plebejer auf
Schusters Rappen.

Dann ist da Seine Excellenz, der "königliche Kammerherr" -- eine Si-
nccure; denn die hawaiische Majestät kleidet sich mit eigner hoher Hand an,
ausgenommen, wenn sie in Waikiki den Landaufenthalt genießt, und dann
bedarf sie des Ankleidens überhaupt nicht.

Weiter haben wir Seine Excellenz den Oberbefehlshaber der Haustrup¬
pen, dessen Streitkräfte aus ungefähr ebensoviel Leuten bestehen, als man in
andern Ländern unter einen Korporal stellt.

Sodann kommt der Küchenmeister und der Großstallmeister, hohe Wür¬
denträger mit bescheidnen Gehalten und wenig zu thun, darauf Seine Excel¬
lenz der Oberbettmeister mit seinem prächtigen Titel und seinem leichten
Amte.

Hierauf kommen wir zu Seiner Excellenz, dem Premierminister, einem
amerikanischen Renegaten aus Newhampshire. Er ist ganz Maulwerk, Eitelkeit,
Bombast und Ignoranz, ein Advocat vom ordinärsten Caliber, ein geborner
Gauner, ein demüthiger Anbeter des Scepters über ihm, ein Reptil, das nie


ordentlich und bei alledem so rührend, daß die Missionäre es schwierig fan¬
den, beim Texte zu bleiben und mit dem Gottesdienste fortzufahren, und
bald nachher, als die einfachen Kinder der Sonne in offener Versammlung
mit den Kleidern wie Vögel mit den Fittichen zu schlagen begannen und un¬
widerstehlich zum Lachen reizende groteske Wirkungen mit Ankleiden hervor¬
brachten, blieb nichts dagegen übrig, als die Sache kurz mit dem Segen ab¬
zubrechen und die phantastische Versammlung heimzuschicken.

In unserm Lande spielen die Kinder „Haushaltens". In derselben hoch¬
klingenden, aber kleinlichen Weise spielt ein erwachsenes Volk hier mit dem
ärmlichen Bischen Material an schmalem Gebiet und magerer Bevölkerung
„Königreichs". Da haben wir Seine Königliche Majestät den König mit
dem Jahrgehalt eines Mitgliedes der neuyorker Geheimpolizei, dreißig oder
fünfunddreißigtausend Thalern, die aus der „königlichen Civilliste" fließen und
aus der „königlichen Domaine". Er wohnt in einem „Palast", der eine
zweistöckige Bretterbude ist. Und da haben wir ferner „die königliche Fa¬
milie" — den üblichen Bienenstock von königlichen Brüdern, Schwestern,
Vettern und (wir verwahren uns vor der Annahme, daß wir die folgenden
respeetwidrigen Aeußerungen des boshaften Mnkees irgendwie gerechtfertigt
finden könnten) andern vornehmen Drohnen, die mit einer Monarchie ge¬
wöhnlich zusammenhängen — alle mit einem Löffel in der Breischüssel der
Nation und alle mit Titeln wie Seine oder Ihre Königliche Hoheit, der
Prinz oder die Prinzessin So und so. Indeß können es nur wenige derselben
mit ihrer königlichen Pracht soweit treiben, daß sie in Kutschen fahren. Sie
bedienen sich des wohlfeilen Kanaka-Pferdes oder reiten wie die Plebejer auf
Schusters Rappen.

Dann ist da Seine Excellenz, der „königliche Kammerherr" — eine Si-
nccure; denn die hawaiische Majestät kleidet sich mit eigner hoher Hand an,
ausgenommen, wenn sie in Waikiki den Landaufenthalt genießt, und dann
bedarf sie des Ankleidens überhaupt nicht.

Weiter haben wir Seine Excellenz den Oberbefehlshaber der Haustrup¬
pen, dessen Streitkräfte aus ungefähr ebensoviel Leuten bestehen, als man in
andern Ländern unter einen Korporal stellt.

Sodann kommt der Küchenmeister und der Großstallmeister, hohe Wür¬
denträger mit bescheidnen Gehalten und wenig zu thun, darauf Seine Excel¬
lenz der Oberbettmeister mit seinem prächtigen Titel und seinem leichten
Amte.

Hierauf kommen wir zu Seiner Excellenz, dem Premierminister, einem
amerikanischen Renegaten aus Newhampshire. Er ist ganz Maulwerk, Eitelkeit,
Bombast und Ignoranz, ein Advocat vom ordinärsten Caliber, ein geborner
Gauner, ein demüthiger Anbeter des Scepters über ihm, ein Reptil, das nie


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[0117] ordentlich und bei alledem so rührend, daß die Missionäre es schwierig fan¬ den, beim Texte zu bleiben und mit dem Gottesdienste fortzufahren, und bald nachher, als die einfachen Kinder der Sonne in offener Versammlung mit den Kleidern wie Vögel mit den Fittichen zu schlagen begannen und un¬ widerstehlich zum Lachen reizende groteske Wirkungen mit Ankleiden hervor¬ brachten, blieb nichts dagegen übrig, als die Sache kurz mit dem Segen ab¬ zubrechen und die phantastische Versammlung heimzuschicken. In unserm Lande spielen die Kinder „Haushaltens". In derselben hoch¬ klingenden, aber kleinlichen Weise spielt ein erwachsenes Volk hier mit dem ärmlichen Bischen Material an schmalem Gebiet und magerer Bevölkerung „Königreichs". Da haben wir Seine Königliche Majestät den König mit dem Jahrgehalt eines Mitgliedes der neuyorker Geheimpolizei, dreißig oder fünfunddreißigtausend Thalern, die aus der „königlichen Civilliste" fließen und aus der „königlichen Domaine". Er wohnt in einem „Palast", der eine zweistöckige Bretterbude ist. Und da haben wir ferner „die königliche Fa¬ milie" — den üblichen Bienenstock von königlichen Brüdern, Schwestern, Vettern und (wir verwahren uns vor der Annahme, daß wir die folgenden respeetwidrigen Aeußerungen des boshaften Mnkees irgendwie gerechtfertigt finden könnten) andern vornehmen Drohnen, die mit einer Monarchie ge¬ wöhnlich zusammenhängen — alle mit einem Löffel in der Breischüssel der Nation und alle mit Titeln wie Seine oder Ihre Königliche Hoheit, der Prinz oder die Prinzessin So und so. Indeß können es nur wenige derselben mit ihrer königlichen Pracht soweit treiben, daß sie in Kutschen fahren. Sie bedienen sich des wohlfeilen Kanaka-Pferdes oder reiten wie die Plebejer auf Schusters Rappen. Dann ist da Seine Excellenz, der „königliche Kammerherr" — eine Si- nccure; denn die hawaiische Majestät kleidet sich mit eigner hoher Hand an, ausgenommen, wenn sie in Waikiki den Landaufenthalt genießt, und dann bedarf sie des Ankleidens überhaupt nicht. Weiter haben wir Seine Excellenz den Oberbefehlshaber der Haustrup¬ pen, dessen Streitkräfte aus ungefähr ebensoviel Leuten bestehen, als man in andern Ländern unter einen Korporal stellt. Sodann kommt der Küchenmeister und der Großstallmeister, hohe Wür¬ denträger mit bescheidnen Gehalten und wenig zu thun, darauf Seine Excel¬ lenz der Oberbettmeister mit seinem prächtigen Titel und seinem leichten Amte. Hierauf kommen wir zu Seiner Excellenz, dem Premierminister, einem amerikanischen Renegaten aus Newhampshire. Er ist ganz Maulwerk, Eitelkeit, Bombast und Ignoranz, ein Advocat vom ordinärsten Caliber, ein geborner Gauner, ein demüthiger Anbeter des Scepters über ihm, ein Reptil, das nie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/117>, abgerufen am 06.02.2025.