Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.lebendig zu begraben, wenn die Familie stärker als nothwendig wurde. Die Bis auf den heutigen Tag sind die Eingebornen im Stande, sich hinzu¬ Alle Eingebornen sind'jetzt Christen, aber viele von ihnen fallen in Zei¬ In den ländlichen Districten der Inseln stößt der Reisende fast stündlich lebendig zu begraben, wenn die Familie stärker als nothwendig wurde. Die Bis auf den heutigen Tag sind die Eingebornen im Stande, sich hinzu¬ Alle Eingebornen sind'jetzt Christen, aber viele von ihnen fallen in Zei¬ In den ländlichen Districten der Inseln stößt der Reisende fast stündlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192918"/> <p xml:id="ID_339" prev="#ID_338"> lebendig zu begraben, wenn die Familie stärker als nothwendig wurde. Die<lb/> Missionäre schritten auch in dieser Sache ein und beseitigten sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_340"> Bis auf den heutigen Tag sind die Eingebornen im Stande, sich hinzu¬<lb/> legen und zu sterben, sobald sie nur wollen, ob ihnen etwas fehlt oder nicht.<lb/> Setzt ein Kanaka fich's in den Kopf, zu sterben, so ist's sein Ende; niemand<lb/> kann ihn überreden, es sein zu lassen, alle Doctoren der Welt könnten ihn<lb/> nicht retten. Ein Luxus, der ihnen mehr Freude macht, als irgend etwas An¬<lb/> deres, ist ein stattliches Leichenbegängnis). Will jemand einen ihm lästigen<lb/> Eingebornen los sein, so braucht er nichts weiter zu thun, als ihm ein schönes<lb/> Begräbniß zu versprechen und die Stunde zu nennen, und sein Mann wird<lb/> mit der Minute zur Hand sein oder wenigstens seine sterblichen Reste wer¬<lb/> den es sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_341"> Alle Eingebornen sind'jetzt Christen, aber viele von ihnen fallen in Zei¬<lb/> ten der Noth zeitweilig ab, um sich um Hilfe an den großen Haifisch, den Gott<lb/> ihrer Väter, zu wenden. Ein Ausbruch des Vulkans Kilauja oder ein Erd¬<lb/> beben bringt immer ein gutes Theil latenter Ehrfurcht vor dem großen Hai-<lb/> fisch-Gotte zum Vorschein. Es wird allgemein behauptet, daß selbst der Kö¬<lb/> nig, ein so wohlerzogner, gebildeter und vornehmer Herr er unzweifelhaft auch<lb/> ist, sich an die Götzen seiner Väter um Beistand wendet, wenn ein Unglück<lb/> droht. Ein Pflanzer fing einen Haifisch, und einer von seinen christlichen Ein¬<lb/> gebornen bekundete seine Emancipation von der Herrschaft des alten Aber¬<lb/> glaubens dadurch, daß er den Haifisch nach einer Weise, die der von ihm auf¬<lb/> gegebene Glaube verbot, zerstücken half. Aber bald begann ihn das Gewissen<lb/> zu quälen. Er wurde schwermüthig und suchte die Einsamkeit auf, brütete<lb/> über seiner Sünde, wies alle Nahrung zurück und sagte schließlich, er müsse<lb/> sterben und von Rechtswegen sterben; denn er hätte gegen den großen Haifisch-<lb/> Gott gesündigt und könnte keinen Frieden mehr finden. Er blieb dabei, kein<lb/> Zureden und kein Spott half, und nach Verlauf eines Tages oder zweier legte<lb/> er sich in sein Bett und starb richtig, obwohl kein Symptom von Krankheit<lb/> an ihm zu merken war. Seine junge Tochter folgte ihm auf den Fersen und<lb/> erlitt binnen acht Tagen ein gleiches Schicksal. Der Aberglaube sitzt diesen<lb/> Kanakas in Blut und Knochen, und es ist nur natürlich, wenn er in Zeiten<lb/> der Noth zum Ausbruch kommt. Wohin auch man auf den Inseln gehl,<lb/> überall findet man neben dem Wege kleine Steinhaufen, die mit Laubopfern<lb/> bedeckt sind, welche die Eingebornen hingelegt haben, um böse Geister zu be¬<lb/> sänftigen oder Localgottheiten zu ehren, welche zu der Mythologie früherer<lb/> Tage gehörten.</p><lb/> <p xml:id="ID_342" next="#ID_343"> In den ländlichen Districten der Inseln stößt der Reisende fast stündlich<lb/> auf Schaaren brauner Mädchen, die in den Bächen oder in der See baden,<lb/> ohne irgend eine Bekleidung anzuhaben und keinen sehr unmäßigen Eifer</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0115]
lebendig zu begraben, wenn die Familie stärker als nothwendig wurde. Die
Missionäre schritten auch in dieser Sache ein und beseitigten sie.
Bis auf den heutigen Tag sind die Eingebornen im Stande, sich hinzu¬
legen und zu sterben, sobald sie nur wollen, ob ihnen etwas fehlt oder nicht.
Setzt ein Kanaka fich's in den Kopf, zu sterben, so ist's sein Ende; niemand
kann ihn überreden, es sein zu lassen, alle Doctoren der Welt könnten ihn
nicht retten. Ein Luxus, der ihnen mehr Freude macht, als irgend etwas An¬
deres, ist ein stattliches Leichenbegängnis). Will jemand einen ihm lästigen
Eingebornen los sein, so braucht er nichts weiter zu thun, als ihm ein schönes
Begräbniß zu versprechen und die Stunde zu nennen, und sein Mann wird
mit der Minute zur Hand sein oder wenigstens seine sterblichen Reste wer¬
den es sein.
Alle Eingebornen sind'jetzt Christen, aber viele von ihnen fallen in Zei¬
ten der Noth zeitweilig ab, um sich um Hilfe an den großen Haifisch, den Gott
ihrer Väter, zu wenden. Ein Ausbruch des Vulkans Kilauja oder ein Erd¬
beben bringt immer ein gutes Theil latenter Ehrfurcht vor dem großen Hai-
fisch-Gotte zum Vorschein. Es wird allgemein behauptet, daß selbst der Kö¬
nig, ein so wohlerzogner, gebildeter und vornehmer Herr er unzweifelhaft auch
ist, sich an die Götzen seiner Väter um Beistand wendet, wenn ein Unglück
droht. Ein Pflanzer fing einen Haifisch, und einer von seinen christlichen Ein¬
gebornen bekundete seine Emancipation von der Herrschaft des alten Aber¬
glaubens dadurch, daß er den Haifisch nach einer Weise, die der von ihm auf¬
gegebene Glaube verbot, zerstücken half. Aber bald begann ihn das Gewissen
zu quälen. Er wurde schwermüthig und suchte die Einsamkeit auf, brütete
über seiner Sünde, wies alle Nahrung zurück und sagte schließlich, er müsse
sterben und von Rechtswegen sterben; denn er hätte gegen den großen Haifisch-
Gott gesündigt und könnte keinen Frieden mehr finden. Er blieb dabei, kein
Zureden und kein Spott half, und nach Verlauf eines Tages oder zweier legte
er sich in sein Bett und starb richtig, obwohl kein Symptom von Krankheit
an ihm zu merken war. Seine junge Tochter folgte ihm auf den Fersen und
erlitt binnen acht Tagen ein gleiches Schicksal. Der Aberglaube sitzt diesen
Kanakas in Blut und Knochen, und es ist nur natürlich, wenn er in Zeiten
der Noth zum Ausbruch kommt. Wohin auch man auf den Inseln gehl,
überall findet man neben dem Wege kleine Steinhaufen, die mit Laubopfern
bedeckt sind, welche die Eingebornen hingelegt haben, um böse Geister zu be¬
sänftigen oder Localgottheiten zu ehren, welche zu der Mythologie früherer
Tage gehörten.
In den ländlichen Districten der Inseln stößt der Reisende fast stündlich
auf Schaaren brauner Mädchen, die in den Bächen oder in der See baden,
ohne irgend eine Bekleidung anzuhaben und keinen sehr unmäßigen Eifer
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