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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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war. In andern Monarchien hat bei der Ableitung der Genealogien die
männliche Linie den Vorrang vor der weiblichen, aber hier ist das Gegentheil der
Fall -- die weibliche Linie geht vor. Ihr Grund dafür hört sich ganz vor¬
trefflich an, und ich empfehle ihn der Aristokratie von Europa. Sie sagen:
es ist leicht, zu wissen, wer jemandes Mutter ist, aber u. s. w. u. s. w.

Die Bekehrung der Eingebornen zum Christenthum hat einige Vorstellun¬
gen ihres barbarischen Aberglaubens kaum geschwächt, geschweige denn aus¬
gerottet. Ich bezog mich soeben erst auf eine derselben. Noch immer meint
ein großer Theil des Volkes, wenn einer unsrer Feinde irgend etwas von
unsern Sachen in seine Gewalt bekommen könne, so könne er uns, wenn er
darauf kniee, todtbeten. Deshalb welkt mancher Eingeborne hin und stirbt,
einfach, weil er sich einbildet, daß irgend ein Feind eine Reihenfolge gesund¬
heitsschädlicher Gebete gegen ihn losläßt. Dieses Todtbeten sieht auf den
ersten Augenblick recht albern aus, aber wenn wir uns gewisse Kanzelanstreng¬
ungen gewisser Geistlichen bei uns selbst (der Uebersetzer fügt hinzu: gewisse
neuerdings vorgekommene Leistungen Roms und seines ultramontanen Schweiss
im Fluchen) ins Gedächtniß zurückrufen, wird die Sache doch plausibel.

In früheren Zeiten war unter diesem Jnselvolke nicht nur eine Mehr¬
heit von Gattinnen gebräuchlich, sondern auch eine Mehrheit von Gatten.
Manche eingeborne Frau von vornehmem Stande hatte nicht weniger als sechs
Männer. Eine in der Art versorgte Frau wohnte nicht zu gleicher Zeit mit
allen ihren Gemahlen zusammen, sondern lebte abwechselnd mit einem mehrere
Monate. Ein gewisses wohlbekanntes Zeichen hing während dieser Monate
an ihrer Thür. Wenn das Zeichen weggenommen wurde, bedeutete das:
"Jetzt der Nächste!"

In diesen Zeiten wurden die Weiber streng belehrt, "wo ihr Platz war".
Ihr Platz war, alle Arbeit zu thun, alle Püffe hinzunehmen, alle Nahrung
zu beschaffen und sich mit dem zu begnügen, was übrig blieb, wenn ihr Ehe¬
herr mit seiner Mahlzeit fertig war. Der Frau war nicht blos durch ein
altes Gesetz bei Todesstrafe untersagt, mit ihrem Gatten zu essen oder ein
Kanoe zu> betreten, sondern es war ihr auch unter derselben Strafe verwehrt,
Bananen, Ananas, Orangen und anderes edles Obst zu irgend einer Heit
oder an irgend einem Orte zu essen- Sie hatte sich ziemlich streng aufPoi und harte
Arbeit zu beschränken. Diese armen unwissenden Heiden scheinen eine Art im
Düster tastender Idee davon gehabt zu haben, was dabei herauskam, als
das Weib im Garten Eden Obst aß und hatten keine Lust, das Risiko mit
der Sache nochmals zu übernehmen Aber die Missionäre machten dieser be¬
friedigenden Ordnung der Dinge ein Ende. Sie befreiten das Weib und
stellten es mit dem Manne auf gleiche Stufe.

Die Eingebornen hatten ferner die romantische Mode, einige ihrer Kinder


war. In andern Monarchien hat bei der Ableitung der Genealogien die
männliche Linie den Vorrang vor der weiblichen, aber hier ist das Gegentheil der
Fall — die weibliche Linie geht vor. Ihr Grund dafür hört sich ganz vor¬
trefflich an, und ich empfehle ihn der Aristokratie von Europa. Sie sagen:
es ist leicht, zu wissen, wer jemandes Mutter ist, aber u. s. w. u. s. w.

Die Bekehrung der Eingebornen zum Christenthum hat einige Vorstellun¬
gen ihres barbarischen Aberglaubens kaum geschwächt, geschweige denn aus¬
gerottet. Ich bezog mich soeben erst auf eine derselben. Noch immer meint
ein großer Theil des Volkes, wenn einer unsrer Feinde irgend etwas von
unsern Sachen in seine Gewalt bekommen könne, so könne er uns, wenn er
darauf kniee, todtbeten. Deshalb welkt mancher Eingeborne hin und stirbt,
einfach, weil er sich einbildet, daß irgend ein Feind eine Reihenfolge gesund¬
heitsschädlicher Gebete gegen ihn losläßt. Dieses Todtbeten sieht auf den
ersten Augenblick recht albern aus, aber wenn wir uns gewisse Kanzelanstreng¬
ungen gewisser Geistlichen bei uns selbst (der Uebersetzer fügt hinzu: gewisse
neuerdings vorgekommene Leistungen Roms und seines ultramontanen Schweiss
im Fluchen) ins Gedächtniß zurückrufen, wird die Sache doch plausibel.

In früheren Zeiten war unter diesem Jnselvolke nicht nur eine Mehr¬
heit von Gattinnen gebräuchlich, sondern auch eine Mehrheit von Gatten.
Manche eingeborne Frau von vornehmem Stande hatte nicht weniger als sechs
Männer. Eine in der Art versorgte Frau wohnte nicht zu gleicher Zeit mit
allen ihren Gemahlen zusammen, sondern lebte abwechselnd mit einem mehrere
Monate. Ein gewisses wohlbekanntes Zeichen hing während dieser Monate
an ihrer Thür. Wenn das Zeichen weggenommen wurde, bedeutete das:
„Jetzt der Nächste!"

In diesen Zeiten wurden die Weiber streng belehrt, „wo ihr Platz war".
Ihr Platz war, alle Arbeit zu thun, alle Püffe hinzunehmen, alle Nahrung
zu beschaffen und sich mit dem zu begnügen, was übrig blieb, wenn ihr Ehe¬
herr mit seiner Mahlzeit fertig war. Der Frau war nicht blos durch ein
altes Gesetz bei Todesstrafe untersagt, mit ihrem Gatten zu essen oder ein
Kanoe zu> betreten, sondern es war ihr auch unter derselben Strafe verwehrt,
Bananen, Ananas, Orangen und anderes edles Obst zu irgend einer Heit
oder an irgend einem Orte zu essen- Sie hatte sich ziemlich streng aufPoi und harte
Arbeit zu beschränken. Diese armen unwissenden Heiden scheinen eine Art im
Düster tastender Idee davon gehabt zu haben, was dabei herauskam, als
das Weib im Garten Eden Obst aß und hatten keine Lust, das Risiko mit
der Sache nochmals zu übernehmen Aber die Missionäre machten dieser be¬
friedigenden Ordnung der Dinge ein Ende. Sie befreiten das Weib und
stellten es mit dem Manne auf gleiche Stufe.

Die Eingebornen hatten ferner die romantische Mode, einige ihrer Kinder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/114>, abgerufen am 06.02.2025.