Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.weißen Leuten und dreißig oder vierzig Eingebornen bestand. Es war eine Der Präsident ist der Vater des Königs. Er ist ein gerade einherschrei¬ Kekuanaua ist nicht von königlichem Blute. Er leitete seinen fürstlichen weißen Leuten und dreißig oder vierzig Eingebornen bestand. Es war eine Der Präsident ist der Vater des Königs. Er ist ein gerade einherschrei¬ Kekuanaua ist nicht von königlichem Blute. Er leitete seinen fürstlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192916"/> <p xml:id="ID_331" prev="#ID_330"> weißen Leuten und dreißig oder vierzig Eingebornen bestand. Es war eine<lb/> dunkle Versammlung. Die Edlen und die Minister, zusammen ungefähr ein<lb/> Dutzend, nahmen David Kalakaua, den Kammerherrn des Königs, und den<lb/> Prinzen William an der Spitze, die äußerste Linke der Halle ein. Der Präsi¬<lb/> dent der Versammlung, Seine Königliche Hoheit Kekuancma (jetzt verstorben)<lb/> und der Mcepräsident, ein Weißer, saßen auf der Tribüne, wenn ich es so<lb/> nennen darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_332"> Der Präsident ist der Vater des Königs. Er ist ein gerade einherschrei¬<lb/> tender, stark gebauter, weißhaariger, brauner alter Gentleman mit einem breiten<lb/> Gesicht, der ungefähr achtzig Jahre alt sein mag. Er war einfach, aber gut<lb/> gekleidet in einen blauen Tuchrock, weiße Weste und weiße Beinkleider ohne<lb/> Flecken, Staub oder sonstigen Tadel. Er trägt sich mit einer ruhigen Würde<lb/> und ist ein Mann von vornehmer Haltung. Er war als junger Mann ein<lb/> hervorragender Krieger unter jenem schrecklichen Kriegshelden Kamehameha dem<lb/> Ersten, vor mehr als einem halben Jahrhundert. Kamille man seine Lauf¬<lb/> bahn, so sielen einem etwa solche Gedanken ein: Dieser Mann hat, nackt<lb/> wie der Tag, an dem er geboren worden, Kriegsleute und Speer in der Hand,<lb/> an der Spitze einer Horde von Wilden vor mehr als anderthalb Generationen<lb/> andre Horden von Wilden angegriffen und in Blutvergießen und Gemetzel<lb/> geschwelgt, er hat hölzerne Götzen auf fromm gebeugten Knieen angebetet<lb/> und Hunderte seines Volkes als Opfer diesen Holzbildern schlachten sehen,<lb/> zu einer Zeit, wo noch keines Missionärs Fuß diesen Boden betreten und er<lb/> noch nichts von dem Gotte des weißen Mannes gehört hatte, er hat geglaubt,<lb/> daß sein Feind ihn ins geheime todtbeten könne, hat in seiner Kindheit den<lb/> Tag gesehen, wo es ein todeswürdiges Verbrechen war, mit seiner Frau zu<lb/> essen oder, für einen gemeinen Mann, seinen Schatten auf den König fallen<lb/> zu lassen, und nun sieh Dir ihn mal jetzt an. Ein gebildeter Christ, nett<lb/> und sauber gekleidet, ein vornehm denkender eleganter Herr, ein Reisender in<lb/> gewissem Maß und ein Mann, welcher der geehrte Gast des Königthums in<lb/> Europa gewesen ist, ein Mann, der geübt in der Führung der Zügel einer<lb/> erleuchteten Regierung und wohlbewandert in der Politik seines Landes sowie<lb/> allgemeinen praktischen Wissen ist. Sieh ihn da sitzen und den Vorsitz<lb/> führen bei den Verhandlungen einer gesetzgebenden Körperschaft, unter deren<lb/> Mitgliedern sich Weiße befinden, eine ernste, würdige, staatsmännische Persön¬<lb/> lichkeit, allem Anschein nach für den Platz geboren und geschaffen, wie wenn<lb/> er in seinem Leben keinen andern inne gehabt. Wie die Erfahrungen des<lb/> verhängnißvollen Lebens dieses alten Mannes die wohlfeilen Erfindungen der<lb/> Romanschreiber beschämen!</p><lb/> <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> Kekuanaua ist nicht von königlichem Blute. Er leitete seinen fürstlichen<lb/> Rang von seiner Gemahlin ab, die eine Tochter Kamehameha's des Großen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
weißen Leuten und dreißig oder vierzig Eingebornen bestand. Es war eine
dunkle Versammlung. Die Edlen und die Minister, zusammen ungefähr ein
Dutzend, nahmen David Kalakaua, den Kammerherrn des Königs, und den
Prinzen William an der Spitze, die äußerste Linke der Halle ein. Der Präsi¬
dent der Versammlung, Seine Königliche Hoheit Kekuancma (jetzt verstorben)
und der Mcepräsident, ein Weißer, saßen auf der Tribüne, wenn ich es so
nennen darf.
Der Präsident ist der Vater des Königs. Er ist ein gerade einherschrei¬
tender, stark gebauter, weißhaariger, brauner alter Gentleman mit einem breiten
Gesicht, der ungefähr achtzig Jahre alt sein mag. Er war einfach, aber gut
gekleidet in einen blauen Tuchrock, weiße Weste und weiße Beinkleider ohne
Flecken, Staub oder sonstigen Tadel. Er trägt sich mit einer ruhigen Würde
und ist ein Mann von vornehmer Haltung. Er war als junger Mann ein
hervorragender Krieger unter jenem schrecklichen Kriegshelden Kamehameha dem
Ersten, vor mehr als einem halben Jahrhundert. Kamille man seine Lauf¬
bahn, so sielen einem etwa solche Gedanken ein: Dieser Mann hat, nackt
wie der Tag, an dem er geboren worden, Kriegsleute und Speer in der Hand,
an der Spitze einer Horde von Wilden vor mehr als anderthalb Generationen
andre Horden von Wilden angegriffen und in Blutvergießen und Gemetzel
geschwelgt, er hat hölzerne Götzen auf fromm gebeugten Knieen angebetet
und Hunderte seines Volkes als Opfer diesen Holzbildern schlachten sehen,
zu einer Zeit, wo noch keines Missionärs Fuß diesen Boden betreten und er
noch nichts von dem Gotte des weißen Mannes gehört hatte, er hat geglaubt,
daß sein Feind ihn ins geheime todtbeten könne, hat in seiner Kindheit den
Tag gesehen, wo es ein todeswürdiges Verbrechen war, mit seiner Frau zu
essen oder, für einen gemeinen Mann, seinen Schatten auf den König fallen
zu lassen, und nun sieh Dir ihn mal jetzt an. Ein gebildeter Christ, nett
und sauber gekleidet, ein vornehm denkender eleganter Herr, ein Reisender in
gewissem Maß und ein Mann, welcher der geehrte Gast des Königthums in
Europa gewesen ist, ein Mann, der geübt in der Führung der Zügel einer
erleuchteten Regierung und wohlbewandert in der Politik seines Landes sowie
allgemeinen praktischen Wissen ist. Sieh ihn da sitzen und den Vorsitz
führen bei den Verhandlungen einer gesetzgebenden Körperschaft, unter deren
Mitgliedern sich Weiße befinden, eine ernste, würdige, staatsmännische Persön¬
lichkeit, allem Anschein nach für den Platz geboren und geschaffen, wie wenn
er in seinem Leben keinen andern inne gehabt. Wie die Erfahrungen des
verhängnißvollen Lebens dieses alten Mannes die wohlfeilen Erfindungen der
Romanschreiber beschämen!
Kekuanaua ist nicht von königlichem Blute. Er leitete seinen fürstlichen
Rang von seiner Gemahlin ab, die eine Tochter Kamehameha's des Großen
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