Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.eigen Sinne weit hinausgriff, und da das Vere-Sietum z. B. unmittelbar fest¬ Die Geschworenen waren anfangs, wenn sie ein falsches Verdict abgaben, Grenzboten 1873. III. ^
eigen Sinne weit hinausgriff, und da das Vere-Sietum z. B. unmittelbar fest¬ Die Geschworenen waren anfangs, wenn sie ein falsches Verdict abgaben, Grenzboten 1873. III. ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192908"/> <p xml:id="ID_293" prev="#ID_292"> eigen Sinne weit hinausgriff, und da das Vere-Sietum z. B. unmittelbar fest¬<lb/> zusetzen hatte: „(Zuis nnrjus Mg in ista tsrra nahete" auch den Nechtspunkt<lb/> unerledigte. Zu einem Urtheile wurde das Verdict erst dann, als man an¬<lb/> fing, vor der Jury selbst Beweis zu führen, und das wurde dadurch vermittelt<lb/> daß, wenn die Parteien Urkunden für ihr Recht geltend machen konnten, die Ur¬<lb/> kundspersonen (Urkundszeugen) mit den sonst ausgewählten Geschworenen zu¬<lb/> sammen das Verdict abgaben. Später wurden die Urkundszeugen von den<lb/> Geschworenen getrennt: so gaben sie ein Zeugniß und die Geschwornen fällten da¬<lb/> rüber ein Urtheil. So finden wir schon um die Mitte des XV. Jahrhunderts<lb/> einen ausgebildeten Zeugenbeweis. Indeß dauerte die Dopvelsunction der Jury<lb/> als Beweismittel und als Organ der Urtheilsfällung noch lange Zeit fort;<lb/> erst 1650 erklärte man die Funktion eines Zeugen und eines Geschworenen für<lb/> unvereinbar, und nun mußte das Verdict lediglich auf Grund der geführten<lb/> Beweise abgegeben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_294"> Die Geschworenen waren anfangs, wenn sie ein falsches Verdict abgaben,<lb/> ebenso wie andere Zeugen der Anklage des Meineides ausgesetzt, aber ge¬<lb/> schützt gegen diese Anklage, wenn sie in Gemäßheit der ihnen producirten<lb/> Beweismittel ihre Erklärung abgegeben hatten. Als dies Verdict sich nun<lb/> in ein wirkliches Urtheil verwandelte, mußte die Anklage auf Meineid<lb/> wegen eines unrichtigen Spruches unanwendbar werden. Aber die Con-<lb/> trole des Richters blieb: sie verwandelte sich indeß in das Recht des Richters,<lb/> das Verdict nicht zu beachten und ein Verdict einer anderen Jury zu veran¬<lb/> lassen, wenn das erste Verdict nach Ansicht des Richters offenbar gegen das<lb/> vorgebrachte Beweismaterial (I^viäenee) verstieß. So entwickelte sich das eng¬<lb/> lische Beweisrecht (I^a^v ot evicleneci), nicht als starre gesetzliche Theorie, sondern<lb/> als eine Controle des Richters darüber, daß nicht auf unsichere oder trügerische<lb/> Beweismittel ein Wahrspruch gefällt werde. Die Quelle, aus welcher diese<lb/> Regeln geschöpft werden, ist daher wesentlich die Tradition aus den Vorträgen<lb/> der Richter selbst, in welchen sie den Geschworenen den Stand der Sache aus¬<lb/> einandersetzen: so besitzen diese Regeln eine gewisse Festigkeit, ohne doch<lb/> jede Rücksicht aus die besondern Verhältnisse des einzelnen Falles auszuschlie¬<lb/> ßen, ein Umstand, der sie fortdauernd entwickelungsfähig machte und zu<lb/> einem kostbaren Schatze gerichtlichen Scharfsinnes anwachsen ließ. Zugleich<lb/> aber hatten die Richter von jeher darauf zu sehen, ob das juäicinm der<lb/> Schwurmänner ^'ustum sei oder katuum, d. h. sie hatten auf Beobachtung<lb/> zweifellos anerkannter oder anzuerkennender Rechtssätze zu halten. Auch wegen<lb/> Verletzung des materiellen Rechtes, das übrigens in England nicht so genau<lb/> wie bei uns vom Beweisrechte geschieden wird, konnten sie daher den Spruch<lb/> der Jury als unannehmbar bezeichnen, ohne doch selbst in der Sache unmittel¬<lb/> bar erkennen zu dürfen.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1873. III. ^</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105]
eigen Sinne weit hinausgriff, und da das Vere-Sietum z. B. unmittelbar fest¬
zusetzen hatte: „(Zuis nnrjus Mg in ista tsrra nahete" auch den Nechtspunkt
unerledigte. Zu einem Urtheile wurde das Verdict erst dann, als man an¬
fing, vor der Jury selbst Beweis zu führen, und das wurde dadurch vermittelt
daß, wenn die Parteien Urkunden für ihr Recht geltend machen konnten, die Ur¬
kundspersonen (Urkundszeugen) mit den sonst ausgewählten Geschworenen zu¬
sammen das Verdict abgaben. Später wurden die Urkundszeugen von den
Geschworenen getrennt: so gaben sie ein Zeugniß und die Geschwornen fällten da¬
rüber ein Urtheil. So finden wir schon um die Mitte des XV. Jahrhunderts
einen ausgebildeten Zeugenbeweis. Indeß dauerte die Dopvelsunction der Jury
als Beweismittel und als Organ der Urtheilsfällung noch lange Zeit fort;
erst 1650 erklärte man die Funktion eines Zeugen und eines Geschworenen für
unvereinbar, und nun mußte das Verdict lediglich auf Grund der geführten
Beweise abgegeben werden.
Die Geschworenen waren anfangs, wenn sie ein falsches Verdict abgaben,
ebenso wie andere Zeugen der Anklage des Meineides ausgesetzt, aber ge¬
schützt gegen diese Anklage, wenn sie in Gemäßheit der ihnen producirten
Beweismittel ihre Erklärung abgegeben hatten. Als dies Verdict sich nun
in ein wirkliches Urtheil verwandelte, mußte die Anklage auf Meineid
wegen eines unrichtigen Spruches unanwendbar werden. Aber die Con-
trole des Richters blieb: sie verwandelte sich indeß in das Recht des Richters,
das Verdict nicht zu beachten und ein Verdict einer anderen Jury zu veran¬
lassen, wenn das erste Verdict nach Ansicht des Richters offenbar gegen das
vorgebrachte Beweismaterial (I^viäenee) verstieß. So entwickelte sich das eng¬
lische Beweisrecht (I^a^v ot evicleneci), nicht als starre gesetzliche Theorie, sondern
als eine Controle des Richters darüber, daß nicht auf unsichere oder trügerische
Beweismittel ein Wahrspruch gefällt werde. Die Quelle, aus welcher diese
Regeln geschöpft werden, ist daher wesentlich die Tradition aus den Vorträgen
der Richter selbst, in welchen sie den Geschworenen den Stand der Sache aus¬
einandersetzen: so besitzen diese Regeln eine gewisse Festigkeit, ohne doch
jede Rücksicht aus die besondern Verhältnisse des einzelnen Falles auszuschlie¬
ßen, ein Umstand, der sie fortdauernd entwickelungsfähig machte und zu
einem kostbaren Schatze gerichtlichen Scharfsinnes anwachsen ließ. Zugleich
aber hatten die Richter von jeher darauf zu sehen, ob das juäicinm der
Schwurmänner ^'ustum sei oder katuum, d. h. sie hatten auf Beobachtung
zweifellos anerkannter oder anzuerkennender Rechtssätze zu halten. Auch wegen
Verletzung des materiellen Rechtes, das übrigens in England nicht so genau
wie bei uns vom Beweisrechte geschieden wird, konnten sie daher den Spruch
der Jury als unannehmbar bezeichnen, ohne doch selbst in der Sache unmittel¬
bar erkennen zu dürfen.
Grenzboten 1873. III. ^
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |