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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

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sanken Robert Blum's geschaart hatten. Der Gegensatz der beiden Männer
und Parteien war lebhaft zuerst in Folge der Augustereignisse 1845 hervor¬
getreten. Biedermann wußte damals die Absicht der Radicalen zu hintertrei¬
ben, das Verfassungsfest als Todtenfest für die Gefallenen u. s. w. zu feiern.
Er und Blum traten im Herbst desselben Jahres durch die Neuwahlen gleich¬
zeitig in das Collegium der Leipziger Stadtverordneten ein, das damals mann¬
haft an der Spitze des Fortschritts in Sachsen kämpfte. So kam das Jahr
1848 heran. Als am letzten Februar die Nachricht von der Pariser Februar¬
revolution nach Leipzig drang, besprach Biedermann sofort mit den einflu߬
reichsten Mitgliedern des Stadtverordneten-Collegiums die nothwendigsten Schritte
und entwarf eine Adresse an den König, welche den Zwiespalt zwischen Volk
und Regierung freimüthig schilderte, jedoch vorläufig nur größere Freiheit der
Presse und die Anbahnung einer Nationalvertretung am Bunde verlangte.
Dieser Entwurf wurde zwar von den Radicalen lebhaft bekämpft, indessen auch
von ihnen in der öffentlichen Sitzung des Collegiums einstimmig votirt, und
hierauf von einer Deputation, der Biedermann mit angehörte, dem König
in Dresden persönlich überreicht. Der König, dem die einzelnen Mitglieder
nicht vorgestellt wurden, hielt einen andern, sehr harmlosen, aber etwas wild
aussehenden Herrn der Deputation für Biedermann. -- Von allen Seiten
und aus allen Theilen des Landes gingen in Folge dieser politischen That
Zustimmungen und Beglückwünschungen an Biedermann ein, auch von solchen,
die ihn später, als einen "Feind der Volkssache" mit bitterem Haß und
Spott verfolgten. Selbst Arnold Rüge, damals Leipziger Stadtverordneter,
bezeugte ihm in einem Billet "seine ganze herzliche Hochachtung für diese folge¬
reiche That."

Die Dresdner Antwort auf die Leipziger Adresse war zunächst die Ent¬
sendung des Ministers von Carlowitz -- des späteren Preußischen und Reichs¬
tagsabgeordneten -- mit außerordentlichen Vollmachten nach Leipzig. In den
Hofkreisen herrschte noch ganz die hochmüthige Verblendung, die nichts, lernt noch
vergißt. Die Leipziger Adresse und die darin behauptete Unzufriedenheit war dem
tgi. Kommissar bei seiner Abreise als das Werk "einzelner Schreier" bezeichnet
worden*) -- er traf aus die einmüthige Unzufriedenheit der ganzen Bürger¬
schaft und entledigte sich seines Auftrags in einer Weise, welche nur die reak¬
tionäre Partei ihm nie hat vergeben können. Indessen Carlowitz fiel mit
den übrigen Ministern. Das Märzministerium Braun-Georgi - v. d. Pfordten



') Gerade so, wie in dem neuesten Machwerk des offiziellen Sachs. Blattes die heutige
Unzufriedenheit des Landes über das Hofiren hoher Kreise vor den reform- und reichsfeindlichcn
grün-weißen Junkern als das Werk einzelner Schreier, oder stilistisch noch vollkommener, als-
..Gebilde einer sich die Thatsachen nach Gutdünken zurechtlegenden Tcndcnzphantasic der Libe¬
D' Red, ralen" bezeichnet wird.
Grenzboten 1873. II. ^

sanken Robert Blum's geschaart hatten. Der Gegensatz der beiden Männer
und Parteien war lebhaft zuerst in Folge der Augustereignisse 1845 hervor¬
getreten. Biedermann wußte damals die Absicht der Radicalen zu hintertrei¬
ben, das Verfassungsfest als Todtenfest für die Gefallenen u. s. w. zu feiern.
Er und Blum traten im Herbst desselben Jahres durch die Neuwahlen gleich¬
zeitig in das Collegium der Leipziger Stadtverordneten ein, das damals mann¬
haft an der Spitze des Fortschritts in Sachsen kämpfte. So kam das Jahr
1848 heran. Als am letzten Februar die Nachricht von der Pariser Februar¬
revolution nach Leipzig drang, besprach Biedermann sofort mit den einflu߬
reichsten Mitgliedern des Stadtverordneten-Collegiums die nothwendigsten Schritte
und entwarf eine Adresse an den König, welche den Zwiespalt zwischen Volk
und Regierung freimüthig schilderte, jedoch vorläufig nur größere Freiheit der
Presse und die Anbahnung einer Nationalvertretung am Bunde verlangte.
Dieser Entwurf wurde zwar von den Radicalen lebhaft bekämpft, indessen auch
von ihnen in der öffentlichen Sitzung des Collegiums einstimmig votirt, und
hierauf von einer Deputation, der Biedermann mit angehörte, dem König
in Dresden persönlich überreicht. Der König, dem die einzelnen Mitglieder
nicht vorgestellt wurden, hielt einen andern, sehr harmlosen, aber etwas wild
aussehenden Herrn der Deputation für Biedermann. — Von allen Seiten
und aus allen Theilen des Landes gingen in Folge dieser politischen That
Zustimmungen und Beglückwünschungen an Biedermann ein, auch von solchen,
die ihn später, als einen „Feind der Volkssache" mit bitterem Haß und
Spott verfolgten. Selbst Arnold Rüge, damals Leipziger Stadtverordneter,
bezeugte ihm in einem Billet „seine ganze herzliche Hochachtung für diese folge¬
reiche That."

Die Dresdner Antwort auf die Leipziger Adresse war zunächst die Ent¬
sendung des Ministers von Carlowitz — des späteren Preußischen und Reichs¬
tagsabgeordneten — mit außerordentlichen Vollmachten nach Leipzig. In den
Hofkreisen herrschte noch ganz die hochmüthige Verblendung, die nichts, lernt noch
vergißt. Die Leipziger Adresse und die darin behauptete Unzufriedenheit war dem
tgi. Kommissar bei seiner Abreise als das Werk „einzelner Schreier" bezeichnet
worden*) — er traf aus die einmüthige Unzufriedenheit der ganzen Bürger¬
schaft und entledigte sich seines Auftrags in einer Weise, welche nur die reak¬
tionäre Partei ihm nie hat vergeben können. Indessen Carlowitz fiel mit
den übrigen Ministern. Das Märzministerium Braun-Georgi - v. d. Pfordten



') Gerade so, wie in dem neuesten Machwerk des offiziellen Sachs. Blattes die heutige
Unzufriedenheit des Landes über das Hofiren hoher Kreise vor den reform- und reichsfeindlichcn
grün-weißen Junkern als das Werk einzelner Schreier, oder stilistisch noch vollkommener, als-
..Gebilde einer sich die Thatsachen nach Gutdünken zurechtlegenden Tcndcnzphantasic der Libe¬
D' Red, ralen" bezeichnet wird.
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[0377] sanken Robert Blum's geschaart hatten. Der Gegensatz der beiden Männer und Parteien war lebhaft zuerst in Folge der Augustereignisse 1845 hervor¬ getreten. Biedermann wußte damals die Absicht der Radicalen zu hintertrei¬ ben, das Verfassungsfest als Todtenfest für die Gefallenen u. s. w. zu feiern. Er und Blum traten im Herbst desselben Jahres durch die Neuwahlen gleich¬ zeitig in das Collegium der Leipziger Stadtverordneten ein, das damals mann¬ haft an der Spitze des Fortschritts in Sachsen kämpfte. So kam das Jahr 1848 heran. Als am letzten Februar die Nachricht von der Pariser Februar¬ revolution nach Leipzig drang, besprach Biedermann sofort mit den einflu߬ reichsten Mitgliedern des Stadtverordneten-Collegiums die nothwendigsten Schritte und entwarf eine Adresse an den König, welche den Zwiespalt zwischen Volk und Regierung freimüthig schilderte, jedoch vorläufig nur größere Freiheit der Presse und die Anbahnung einer Nationalvertretung am Bunde verlangte. Dieser Entwurf wurde zwar von den Radicalen lebhaft bekämpft, indessen auch von ihnen in der öffentlichen Sitzung des Collegiums einstimmig votirt, und hierauf von einer Deputation, der Biedermann mit angehörte, dem König in Dresden persönlich überreicht. Der König, dem die einzelnen Mitglieder nicht vorgestellt wurden, hielt einen andern, sehr harmlosen, aber etwas wild aussehenden Herrn der Deputation für Biedermann. — Von allen Seiten und aus allen Theilen des Landes gingen in Folge dieser politischen That Zustimmungen und Beglückwünschungen an Biedermann ein, auch von solchen, die ihn später, als einen „Feind der Volkssache" mit bitterem Haß und Spott verfolgten. Selbst Arnold Rüge, damals Leipziger Stadtverordneter, bezeugte ihm in einem Billet „seine ganze herzliche Hochachtung für diese folge¬ reiche That." Die Dresdner Antwort auf die Leipziger Adresse war zunächst die Ent¬ sendung des Ministers von Carlowitz — des späteren Preußischen und Reichs¬ tagsabgeordneten — mit außerordentlichen Vollmachten nach Leipzig. In den Hofkreisen herrschte noch ganz die hochmüthige Verblendung, die nichts, lernt noch vergißt. Die Leipziger Adresse und die darin behauptete Unzufriedenheit war dem tgi. Kommissar bei seiner Abreise als das Werk „einzelner Schreier" bezeichnet worden*) — er traf aus die einmüthige Unzufriedenheit der ganzen Bürger¬ schaft und entledigte sich seines Auftrags in einer Weise, welche nur die reak¬ tionäre Partei ihm nie hat vergeben können. Indessen Carlowitz fiel mit den übrigen Ministern. Das Märzministerium Braun-Georgi - v. d. Pfordten ') Gerade so, wie in dem neuesten Machwerk des offiziellen Sachs. Blattes die heutige Unzufriedenheit des Landes über das Hofiren hoher Kreise vor den reform- und reichsfeindlichcn grün-weißen Junkern als das Werk einzelner Schreier, oder stilistisch noch vollkommener, als- ..Gebilde einer sich die Thatsachen nach Gutdünken zurechtlegenden Tcndcnzphantasic der Libe¬ D' Red, ralen" bezeichnet wird. Grenzboten 1873. II. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/377>, abgerufen am 11.01.2025.