Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.derte eben darum auch den vollen Zorn des politischen und philosophischen Der eigenen Betheiligung an politischem Wirken war Biedermann durch derte eben darum auch den vollen Zorn des politischen und philosophischen Der eigenen Betheiligung an politischem Wirken war Biedermann durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129902"/> <p xml:id="ID_1227" prev="#ID_1226"> derte eben darum auch den vollen Zorn des politischen und philosophischen<lb/> Radicalismus heraus. Bald nach Begründung der Monatsschrift gründete<lb/> Biedermann auch seinen eigenen Heerd. Mehr und mehr trat das academi-<lb/> sche Wirken in den Hintergrund, füllte die Journalistik seine ganze Thätig¬<lb/> keit. Im Sommer 1844 unternahm er eine größere Reise durch das westliche<lb/> Deutschland und Belgien nach Paris, und kehrte, um eine Fülle persönlicher<lb/> Beziehungen (z. B. mit Cousin, Michel-Chevalier, Carnot, Haase, Bodenstedt,<lb/> Paul Pfizer, Menzel, Bassermann, Mathy, Nebenius,) bereichert, nach Leipzig<lb/> zurück, um hier vom Herbst 1844 ab auch noch eine Wochenschrift „für Poli¬<lb/> tik, Literatur und öffentliches Gerichtsverfahren" „der Herold", herauszugeben.<lb/> Allein um die Mitte der vierziger Jahre war es noch keineswegs erlaubt, na¬<lb/> tionalliberal in unserm heutigen Sinne zu denken und zu schreiben. Schon<lb/> im Jahr 1843 wurde die Monatsschrift und der Herold für ganz Preußen<lb/> verboten. Die Monatsschrift wurde zwar schnell durch Umwandlung in eine<lb/> eensurfreie Vierteljahrsschrift unter dem Titel „Unsere Gegenwart und Zu¬<lb/> kunft" (1846—48) in offenes Fahrwasser gebracht, und machte großes Auf¬<lb/> sehen und Glück, besonders durch eine freimüthige Kritik der sächsischen Zustände<lb/> im ersten Bande. Dagegen konnte Biedermann den Herold nur mit großen<lb/> Opfern (im Selbstverlag) noch eine Zeitlang fortführen, und mußte ihn 1847,<lb/> da Verbot auf Verbot folgte, aufgeben. An Broschüren Biedermann's aus<lb/> diesen Jahren ist zu nennen' „Ein Wort an Sachsens Stande", (der Abdruck<lb/> einer Rede beim Sachs. Verfassungsfest 1845, welche die Forderungen des<lb/> Landes aus Anlaß der bekannten Leipziger August-Ereignisse berührte) welche<lb/> ihrem Verfasser den ersten Preßproceß zuzog. Er wurde in dritter Instanz „in<lb/> Mangel mehreren Verdachts" freigesprochen. Aber das Ministerium untersagte ihm<lb/> in Folge dessen das fernere Halten staatsrechtlicher Vorlesungen (!), welche Bie¬<lb/> dermann in letzter Zeit an Stelle der rein philosophischen gesetzt hatte. Dann<lb/> gab der Sächsische und Vereinigte Preußische Landtag ihm Anlaß zu sehr in¬<lb/> teressanten politischen und persönlichen Schilderungen. Seine „Geschichte des<lb/> ersten Preußischen Reichstags" von der preußischen Regierung streng verfolgt,<lb/> fand dafür den Beifall des berühmten Schön, während seine längere An¬<lb/> wesenheit in Berlin ihm die Bekanntschaft mit Beckerath, Hansemann,<lb/> W. Beseler, I. Jakoby. H, Simon u. A. verschaffte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1228" next="#ID_1229"> Der eigenen Betheiligung an politischem Wirken war Biedermann durch<lb/> diese eifrige Public istische Thätigkeit immer näher geführt worden. Mehreren<lb/> Gesellschaften Leipzigs, die während der vierziger und fünfziger Jahre dem nationalen<lb/> Interesse Stütze boten, war er Begründer. Durch seine Zeitschriften galt er immer<lb/> mehr, und in immer weiteren Kreisen, namentlich aber in Leipzig und in Sachsen, als<lb/> ein Wortführer des gemäßigten Liberalismus, während die radicalen Elemente und<lb/> Massen des Landes sich längst um die mächtige Agitationskraft und Bered-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
derte eben darum auch den vollen Zorn des politischen und philosophischen
Radicalismus heraus. Bald nach Begründung der Monatsschrift gründete
Biedermann auch seinen eigenen Heerd. Mehr und mehr trat das academi-
sche Wirken in den Hintergrund, füllte die Journalistik seine ganze Thätig¬
keit. Im Sommer 1844 unternahm er eine größere Reise durch das westliche
Deutschland und Belgien nach Paris, und kehrte, um eine Fülle persönlicher
Beziehungen (z. B. mit Cousin, Michel-Chevalier, Carnot, Haase, Bodenstedt,
Paul Pfizer, Menzel, Bassermann, Mathy, Nebenius,) bereichert, nach Leipzig
zurück, um hier vom Herbst 1844 ab auch noch eine Wochenschrift „für Poli¬
tik, Literatur und öffentliches Gerichtsverfahren" „der Herold", herauszugeben.
Allein um die Mitte der vierziger Jahre war es noch keineswegs erlaubt, na¬
tionalliberal in unserm heutigen Sinne zu denken und zu schreiben. Schon
im Jahr 1843 wurde die Monatsschrift und der Herold für ganz Preußen
verboten. Die Monatsschrift wurde zwar schnell durch Umwandlung in eine
eensurfreie Vierteljahrsschrift unter dem Titel „Unsere Gegenwart und Zu¬
kunft" (1846—48) in offenes Fahrwasser gebracht, und machte großes Auf¬
sehen und Glück, besonders durch eine freimüthige Kritik der sächsischen Zustände
im ersten Bande. Dagegen konnte Biedermann den Herold nur mit großen
Opfern (im Selbstverlag) noch eine Zeitlang fortführen, und mußte ihn 1847,
da Verbot auf Verbot folgte, aufgeben. An Broschüren Biedermann's aus
diesen Jahren ist zu nennen' „Ein Wort an Sachsens Stande", (der Abdruck
einer Rede beim Sachs. Verfassungsfest 1845, welche die Forderungen des
Landes aus Anlaß der bekannten Leipziger August-Ereignisse berührte) welche
ihrem Verfasser den ersten Preßproceß zuzog. Er wurde in dritter Instanz „in
Mangel mehreren Verdachts" freigesprochen. Aber das Ministerium untersagte ihm
in Folge dessen das fernere Halten staatsrechtlicher Vorlesungen (!), welche Bie¬
dermann in letzter Zeit an Stelle der rein philosophischen gesetzt hatte. Dann
gab der Sächsische und Vereinigte Preußische Landtag ihm Anlaß zu sehr in¬
teressanten politischen und persönlichen Schilderungen. Seine „Geschichte des
ersten Preußischen Reichstags" von der preußischen Regierung streng verfolgt,
fand dafür den Beifall des berühmten Schön, während seine längere An¬
wesenheit in Berlin ihm die Bekanntschaft mit Beckerath, Hansemann,
W. Beseler, I. Jakoby. H, Simon u. A. verschaffte.
Der eigenen Betheiligung an politischem Wirken war Biedermann durch
diese eifrige Public istische Thätigkeit immer näher geführt worden. Mehreren
Gesellschaften Leipzigs, die während der vierziger und fünfziger Jahre dem nationalen
Interesse Stütze boten, war er Begründer. Durch seine Zeitschriften galt er immer
mehr, und in immer weiteren Kreisen, namentlich aber in Leipzig und in Sachsen, als
ein Wortführer des gemäßigten Liberalismus, während die radicalen Elemente und
Massen des Landes sich längst um die mächtige Agitationskraft und Bered-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |