Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.der deutsche Literar- und Culturhistoriker mit Recht Preis. dafür aber schil¬ Alles in allem gerechnet, würde somit das, was wir zum Lobe des Buches der deutsche Literar- und Culturhistoriker mit Recht Preis. dafür aber schil¬ Alles in allem gerechnet, würde somit das, was wir zum Lobe des Buches <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129886"/> <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> der deutsche Literar- und Culturhistoriker mit Recht Preis. dafür aber schil¬<lb/> dert er uns den wahrhaft vornehmen Mann, den Repräsentanten der ge¬<lb/> diegensten wissenschaftlichen und feinsten geselligen Bildung, den begeisterten<lb/> Kunstfreund und Mäcen, endlich auch noch den originellen Schriftsteller.<lb/> Denn das bleibt er, auch wenn man die Kunst seines Stiles nicht so hoch<lb/> anschlägt, wie es im vorigen Jahrhundert in England und in Deutschland<lb/> Mode war, und wie es auch nach Hettner, und wiederum diesem folgend und<lb/> sich auf ihn berufend, sein neuster Biograph und Darsteller thut. Es ist doch<lb/> sehr viel geblümtes, verzwicktes, gemachtes in diesem „glänzenden Stile",<lb/> kein Wunder, wenn man bedenkt, daß er in der Schule eines Dryden und<lb/> Butler witzig und geistreich zu sein gelernt hat, aber wir haben das Recht,<lb/> einen solchen Stil bei allem Glänze doch nicht für „schön" d. h. für die ab¬<lb/> solut gut passende Form des Inhalts anzusehen. Unsere modernen Essayisten,<lb/> mit deren Auffassungs- und Darstellungsweise Shaftesbury so viel verwandtes<lb/> hat. daß man ihn füglich zu einem ihrer Ahnen machen dürfte, werden einem<lb/> solchen abfälligen Urtheil nicht beitreten und sie haben ihre guten Gründe<lb/> dazu. Wer aber beweist uns, daß ihr Stil das Muster der Vollkommenheit<lb/> sei? denn sie selbst können doch nicht wol Richter in eigener Sache sein. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> Alles in allem gerechnet, würde somit das, was wir zum Lobe des Buches<lb/> des Herrn Dr. Gideon Spieler über Shaftesbury sagen können, nicht ausreichen,<lb/> um dasselbe auch für weitere Leserkreise als eine beachtenswerthe Leistung<lb/> zu bezeichnen. Und doch ist es eine solche. Daß es eine ernste Gesinnung,<lb/> eine wahre Begeisterung für die Wissenschaft, der der Autor sein Leben geweiht<lb/> hat. bekundet, ist lobenswerth genug, wenn es auch selbstverständlich sein<lb/> sollte, aber das Publikum wird sich wenig darum kümmern, vielleicht gar sich<lb/> ärgern, an gewissen enthusiastischen Expektorationen einer jugendlichen Ueber-<lb/> schwänglichkeit, weil sie der Philosophie gelten, von der es nicht viel zu halten<lb/> pflegt. Sie ist hier wieder einmal als die rsgina scientiarum gepriesen, was<lb/> man doch heute allenfalls nur der exacten Naturwissenschaft zugesteht. Wer<lb/> glaubt noch heutzutage, daß die Philosophie „Städte gegründet, die zerstreuten<lb/> Menschen zu einem gemeinsamen Leben vereinigt, durch die Bande der Ehe,<lb/> der Schrift und Sprache näher mit einander verbunden hat, daß sie die<lb/> Erfinderin der Gesetze, die Lehrerin von Kunst und Sitte gewesen ist?" Im<lb/> vorigen Jahrhundert, etwa auch zur Zeit der humanistischen Platonomanie<lb/> oder in der grauen Vorzeit. wo ein Pythagoras und Plato alles Ern¬<lb/> stes nicht bloß derartige Dinge von ihrer Philosophie rühmten, sondern mit<lb/> ihr auch praktisch durchführen zu können sich anheischig machten, war so<lb/> etwas angebracht, heute wissen wir anders Bescheid über die eigentlich bestim¬<lb/> menden Mächte des Menschen und der menschlichen Cultur. Wozu hätte denn<lb/> ein Buckle und Darwin geschrieben? Die Philosophie ist uns im besten Falle</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
der deutsche Literar- und Culturhistoriker mit Recht Preis. dafür aber schil¬
dert er uns den wahrhaft vornehmen Mann, den Repräsentanten der ge¬
diegensten wissenschaftlichen und feinsten geselligen Bildung, den begeisterten
Kunstfreund und Mäcen, endlich auch noch den originellen Schriftsteller.
Denn das bleibt er, auch wenn man die Kunst seines Stiles nicht so hoch
anschlägt, wie es im vorigen Jahrhundert in England und in Deutschland
Mode war, und wie es auch nach Hettner, und wiederum diesem folgend und
sich auf ihn berufend, sein neuster Biograph und Darsteller thut. Es ist doch
sehr viel geblümtes, verzwicktes, gemachtes in diesem „glänzenden Stile",
kein Wunder, wenn man bedenkt, daß er in der Schule eines Dryden und
Butler witzig und geistreich zu sein gelernt hat, aber wir haben das Recht,
einen solchen Stil bei allem Glänze doch nicht für „schön" d. h. für die ab¬
solut gut passende Form des Inhalts anzusehen. Unsere modernen Essayisten,
mit deren Auffassungs- und Darstellungsweise Shaftesbury so viel verwandtes
hat. daß man ihn füglich zu einem ihrer Ahnen machen dürfte, werden einem
solchen abfälligen Urtheil nicht beitreten und sie haben ihre guten Gründe
dazu. Wer aber beweist uns, daß ihr Stil das Muster der Vollkommenheit
sei? denn sie selbst können doch nicht wol Richter in eigener Sache sein. —
Alles in allem gerechnet, würde somit das, was wir zum Lobe des Buches
des Herrn Dr. Gideon Spieler über Shaftesbury sagen können, nicht ausreichen,
um dasselbe auch für weitere Leserkreise als eine beachtenswerthe Leistung
zu bezeichnen. Und doch ist es eine solche. Daß es eine ernste Gesinnung,
eine wahre Begeisterung für die Wissenschaft, der der Autor sein Leben geweiht
hat. bekundet, ist lobenswerth genug, wenn es auch selbstverständlich sein
sollte, aber das Publikum wird sich wenig darum kümmern, vielleicht gar sich
ärgern, an gewissen enthusiastischen Expektorationen einer jugendlichen Ueber-
schwänglichkeit, weil sie der Philosophie gelten, von der es nicht viel zu halten
pflegt. Sie ist hier wieder einmal als die rsgina scientiarum gepriesen, was
man doch heute allenfalls nur der exacten Naturwissenschaft zugesteht. Wer
glaubt noch heutzutage, daß die Philosophie „Städte gegründet, die zerstreuten
Menschen zu einem gemeinsamen Leben vereinigt, durch die Bande der Ehe,
der Schrift und Sprache näher mit einander verbunden hat, daß sie die
Erfinderin der Gesetze, die Lehrerin von Kunst und Sitte gewesen ist?" Im
vorigen Jahrhundert, etwa auch zur Zeit der humanistischen Platonomanie
oder in der grauen Vorzeit. wo ein Pythagoras und Plato alles Ern¬
stes nicht bloß derartige Dinge von ihrer Philosophie rühmten, sondern mit
ihr auch praktisch durchführen zu können sich anheischig machten, war so
etwas angebracht, heute wissen wir anders Bescheid über die eigentlich bestim¬
menden Mächte des Menschen und der menschlichen Cultur. Wozu hätte denn
ein Buckle und Darwin geschrieben? Die Philosophie ist uns im besten Falle
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