Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den Vormarsch gegen die Saar anordnete: eine Maßnahme, die bekanntlich
am 6. August zur Schlacht bei Spichern führte. Allerdings wird hervorgehoben,
daß diese Schlacht nicht in der Absicht des Generals v. Steinmetz gelegen
habe; "aber hiervon abgesehn" heißt es dann weiter "herrschte unverkennbar
zwischen dem Großen Hauptquartier und dem Oberbefehlshaber der Ersten
Armee eine gewisse Verschiedenheit der Anschauungen und nächsten Ab¬
sichten." Die Correspondenz der Generale v. Moltke und v. Stein¬
metz in den Tagen nach dem 3. August gibt über die bestimmenden Gründe
auf beiden Seiten folgenden Aufschluß: -- "Die Erste Armee war früher als
die beiden andern versammelt; sie stand zunächst am Feinde und bildete eine
Offensivflanke für die Zweite Armee, jedenfalls so lange bis diese in gleiche
Höhe mit ihr gelangen konnte. General v. Steinmetz strebte deßhalb von An¬
fang an dahin, Kräfte des Gegners auf sich zu ziehen, wie er es auch bei
Beginn des Feldzuges von 18L6 mit Erfolg gethan hatte. In diesem Sinne
war sein beabsichtigter Vorstoß aus der Linie Saarlouis-Hellenhausen gedacht,
als nach dem Gefecht bei Saarbrücken eine Verschiebung der französischen
Hauptkräfte in südöstlicher Richtung bekannt wurde. Als demnächst aus höheren
Befehl die Aufstellung bei Tholey genommen war, und Truppen der Zweiten
Armee bereits über die Quartiere der Ersten Armee nach Westen vorrückten,
mußte General v. Steinmetz befürchten, bet längerem Verweilen im Hunsrück
völlig in die zweite Linie gedrängt zu werden, wenn vor ihm die Corps des
Prinzen Friedrich Carl die Grenze erreichten. Der General ging dabei von
der Annahme aus, daß die Zweite Armee dazu bestimmt sei, unter Beibehal¬
tung ihrer bisherigen Marschrichtung gegen Nancy zu operiren. Für die
Erste Armee blieb in diesem Falle noch ein Bewegungsfeld südlich der Mosel¬
festungen, auf welchem der Oberbefehlshaber eine mehr selbständige Thätigkeit
entwickeln zu können gedachte. Nun hatte aber General v. Steinmetz bisher
nur verzögernde oder hemmende Weisungen von Oben erhalten. Er wünschte
daher weitergehende Direetiven für einen längeren Zeitabschnitt, innerhalb
welcher ihm jene Freiheit seiner Entschlüsse gewahrt blieb. -- Im großen
Hauptquartier andrerseits war man der Ansicht, daß weder die Zweite, noch
vollends die schwächere Erste Armee vereinzelt einem Zusammenstoß mit der
französischen Hauptmacht ausgesetzt werden dürfe. -- Wider Erwarten hatte
sich der Gegner bisher unthätig verhalten; aber es war immer noch möglich,
daß die Zweite Armee, beim Austritt aus der pfälzischen Waldzone ange¬
griffen, einer Unterstützung bedürfen werde. Da sich der Anmarsch der deut¬
schen Hauptarmee nicht mehr, als geschehn, beschleunigen ließ, so blieb für
solchen Fall nur übrig, die Erste Armee näher an jene heranzuziehen, um ihr
die Hand bieten zu können. Dies war aber offenbar nicht mehr angängig,
wenn die Erste Armee bis hart an oder über die Saar vorgerückt war. Es


den Vormarsch gegen die Saar anordnete: eine Maßnahme, die bekanntlich
am 6. August zur Schlacht bei Spichern führte. Allerdings wird hervorgehoben,
daß diese Schlacht nicht in der Absicht des Generals v. Steinmetz gelegen
habe; „aber hiervon abgesehn" heißt es dann weiter „herrschte unverkennbar
zwischen dem Großen Hauptquartier und dem Oberbefehlshaber der Ersten
Armee eine gewisse Verschiedenheit der Anschauungen und nächsten Ab¬
sichten." Die Correspondenz der Generale v. Moltke und v. Stein¬
metz in den Tagen nach dem 3. August gibt über die bestimmenden Gründe
auf beiden Seiten folgenden Aufschluß: — „Die Erste Armee war früher als
die beiden andern versammelt; sie stand zunächst am Feinde und bildete eine
Offensivflanke für die Zweite Armee, jedenfalls so lange bis diese in gleiche
Höhe mit ihr gelangen konnte. General v. Steinmetz strebte deßhalb von An¬
fang an dahin, Kräfte des Gegners auf sich zu ziehen, wie er es auch bei
Beginn des Feldzuges von 18L6 mit Erfolg gethan hatte. In diesem Sinne
war sein beabsichtigter Vorstoß aus der Linie Saarlouis-Hellenhausen gedacht,
als nach dem Gefecht bei Saarbrücken eine Verschiebung der französischen
Hauptkräfte in südöstlicher Richtung bekannt wurde. Als demnächst aus höheren
Befehl die Aufstellung bei Tholey genommen war, und Truppen der Zweiten
Armee bereits über die Quartiere der Ersten Armee nach Westen vorrückten,
mußte General v. Steinmetz befürchten, bet längerem Verweilen im Hunsrück
völlig in die zweite Linie gedrängt zu werden, wenn vor ihm die Corps des
Prinzen Friedrich Carl die Grenze erreichten. Der General ging dabei von
der Annahme aus, daß die Zweite Armee dazu bestimmt sei, unter Beibehal¬
tung ihrer bisherigen Marschrichtung gegen Nancy zu operiren. Für die
Erste Armee blieb in diesem Falle noch ein Bewegungsfeld südlich der Mosel¬
festungen, auf welchem der Oberbefehlshaber eine mehr selbständige Thätigkeit
entwickeln zu können gedachte. Nun hatte aber General v. Steinmetz bisher
nur verzögernde oder hemmende Weisungen von Oben erhalten. Er wünschte
daher weitergehende Direetiven für einen längeren Zeitabschnitt, innerhalb
welcher ihm jene Freiheit seiner Entschlüsse gewahrt blieb. — Im großen
Hauptquartier andrerseits war man der Ansicht, daß weder die Zweite, noch
vollends die schwächere Erste Armee vereinzelt einem Zusammenstoß mit der
französischen Hauptmacht ausgesetzt werden dürfe. — Wider Erwarten hatte
sich der Gegner bisher unthätig verhalten; aber es war immer noch möglich,
daß die Zweite Armee, beim Austritt aus der pfälzischen Waldzone ange¬
griffen, einer Unterstützung bedürfen werde. Da sich der Anmarsch der deut¬
schen Hauptarmee nicht mehr, als geschehn, beschleunigen ließ, so blieb für
solchen Fall nur übrig, die Erste Armee näher an jene heranzuziehen, um ihr
die Hand bieten zu können. Dies war aber offenbar nicht mehr angängig,
wenn die Erste Armee bis hart an oder über die Saar vorgerückt war. Es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129082"/>
            <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303" next="#ID_305"> den Vormarsch gegen die Saar anordnete: eine Maßnahme, die bekanntlich<lb/>
am 6. August zur Schlacht bei Spichern führte. Allerdings wird hervorgehoben,<lb/>
daß diese Schlacht nicht in der Absicht des Generals v. Steinmetz gelegen<lb/>
habe; &#x201E;aber hiervon abgesehn" heißt es dann weiter &#x201E;herrschte unverkennbar<lb/>
zwischen dem Großen Hauptquartier und dem Oberbefehlshaber der Ersten<lb/>
Armee eine gewisse Verschiedenheit der Anschauungen und nächsten Ab¬<lb/>
sichten." Die Correspondenz der Generale v. Moltke und v. Stein¬<lb/>
metz in den Tagen nach dem 3. August gibt über die bestimmenden Gründe<lb/>
auf beiden Seiten folgenden Aufschluß: &#x2014; &#x201E;Die Erste Armee war früher als<lb/>
die beiden andern versammelt; sie stand zunächst am Feinde und bildete eine<lb/>
Offensivflanke für die Zweite Armee, jedenfalls so lange bis diese in gleiche<lb/>
Höhe mit ihr gelangen konnte. General v. Steinmetz strebte deßhalb von An¬<lb/>
fang an dahin, Kräfte des Gegners auf sich zu ziehen, wie er es auch bei<lb/>
Beginn des Feldzuges von 18L6 mit Erfolg gethan hatte. In diesem Sinne<lb/>
war sein beabsichtigter Vorstoß aus der Linie Saarlouis-Hellenhausen gedacht,<lb/>
als nach dem Gefecht bei Saarbrücken eine Verschiebung der französischen<lb/>
Hauptkräfte in südöstlicher Richtung bekannt wurde. Als demnächst aus höheren<lb/>
Befehl die Aufstellung bei Tholey genommen war, und Truppen der Zweiten<lb/>
Armee bereits über die Quartiere der Ersten Armee nach Westen vorrückten,<lb/>
mußte General v. Steinmetz befürchten, bet längerem Verweilen im Hunsrück<lb/>
völlig in die zweite Linie gedrängt zu werden, wenn vor ihm die Corps des<lb/>
Prinzen Friedrich Carl die Grenze erreichten. Der General ging dabei von<lb/>
der Annahme aus, daß die Zweite Armee dazu bestimmt sei, unter Beibehal¬<lb/>
tung ihrer bisherigen Marschrichtung gegen Nancy zu operiren. Für die<lb/>
Erste Armee blieb in diesem Falle noch ein Bewegungsfeld südlich der Mosel¬<lb/>
festungen, auf welchem der Oberbefehlshaber eine mehr selbständige Thätigkeit<lb/>
entwickeln zu können gedachte. Nun hatte aber General v. Steinmetz bisher<lb/>
nur verzögernde oder hemmende Weisungen von Oben erhalten. Er wünschte<lb/>
daher weitergehende Direetiven für einen längeren Zeitabschnitt, innerhalb<lb/>
welcher ihm jene Freiheit seiner Entschlüsse gewahrt blieb. &#x2014; Im großen<lb/>
Hauptquartier andrerseits war man der Ansicht, daß weder die Zweite, noch<lb/>
vollends die schwächere Erste Armee vereinzelt einem Zusammenstoß mit der<lb/>
französischen Hauptmacht ausgesetzt werden dürfe. &#x2014; Wider Erwarten hatte<lb/>
sich der Gegner bisher unthätig verhalten; aber es war immer noch möglich,<lb/>
daß die Zweite Armee, beim Austritt aus der pfälzischen Waldzone ange¬<lb/>
griffen, einer Unterstützung bedürfen werde. Da sich der Anmarsch der deut¬<lb/>
schen Hauptarmee nicht mehr, als geschehn, beschleunigen ließ, so blieb für<lb/>
solchen Fall nur übrig, die Erste Armee näher an jene heranzuziehen, um ihr<lb/>
die Hand bieten zu können. Dies war aber offenbar nicht mehr angängig,<lb/>
wenn die Erste Armee bis hart an oder über die Saar vorgerückt war. Es</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] den Vormarsch gegen die Saar anordnete: eine Maßnahme, die bekanntlich am 6. August zur Schlacht bei Spichern führte. Allerdings wird hervorgehoben, daß diese Schlacht nicht in der Absicht des Generals v. Steinmetz gelegen habe; „aber hiervon abgesehn" heißt es dann weiter „herrschte unverkennbar zwischen dem Großen Hauptquartier und dem Oberbefehlshaber der Ersten Armee eine gewisse Verschiedenheit der Anschauungen und nächsten Ab¬ sichten." Die Correspondenz der Generale v. Moltke und v. Stein¬ metz in den Tagen nach dem 3. August gibt über die bestimmenden Gründe auf beiden Seiten folgenden Aufschluß: — „Die Erste Armee war früher als die beiden andern versammelt; sie stand zunächst am Feinde und bildete eine Offensivflanke für die Zweite Armee, jedenfalls so lange bis diese in gleiche Höhe mit ihr gelangen konnte. General v. Steinmetz strebte deßhalb von An¬ fang an dahin, Kräfte des Gegners auf sich zu ziehen, wie er es auch bei Beginn des Feldzuges von 18L6 mit Erfolg gethan hatte. In diesem Sinne war sein beabsichtigter Vorstoß aus der Linie Saarlouis-Hellenhausen gedacht, als nach dem Gefecht bei Saarbrücken eine Verschiebung der französischen Hauptkräfte in südöstlicher Richtung bekannt wurde. Als demnächst aus höheren Befehl die Aufstellung bei Tholey genommen war, und Truppen der Zweiten Armee bereits über die Quartiere der Ersten Armee nach Westen vorrückten, mußte General v. Steinmetz befürchten, bet längerem Verweilen im Hunsrück völlig in die zweite Linie gedrängt zu werden, wenn vor ihm die Corps des Prinzen Friedrich Carl die Grenze erreichten. Der General ging dabei von der Annahme aus, daß die Zweite Armee dazu bestimmt sei, unter Beibehal¬ tung ihrer bisherigen Marschrichtung gegen Nancy zu operiren. Für die Erste Armee blieb in diesem Falle noch ein Bewegungsfeld südlich der Mosel¬ festungen, auf welchem der Oberbefehlshaber eine mehr selbständige Thätigkeit entwickeln zu können gedachte. Nun hatte aber General v. Steinmetz bisher nur verzögernde oder hemmende Weisungen von Oben erhalten. Er wünschte daher weitergehende Direetiven für einen längeren Zeitabschnitt, innerhalb welcher ihm jene Freiheit seiner Entschlüsse gewahrt blieb. — Im großen Hauptquartier andrerseits war man der Ansicht, daß weder die Zweite, noch vollends die schwächere Erste Armee vereinzelt einem Zusammenstoß mit der französischen Hauptmacht ausgesetzt werden dürfe. — Wider Erwarten hatte sich der Gegner bisher unthätig verhalten; aber es war immer noch möglich, daß die Zweite Armee, beim Austritt aus der pfälzischen Waldzone ange¬ griffen, einer Unterstützung bedürfen werde. Da sich der Anmarsch der deut¬ schen Hauptarmee nicht mehr, als geschehn, beschleunigen ließ, so blieb für solchen Fall nur übrig, die Erste Armee näher an jene heranzuziehen, um ihr die Hand bieten zu können. Dies war aber offenbar nicht mehr angängig, wenn die Erste Armee bis hart an oder über die Saar vorgerückt war. Es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/90
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/90>, abgerufen am 23.07.2024.