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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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um 1640 zeigt ein durch kanonische Zweifel kaum noch getrübtes Erfassen
dieser Erscheinung, deren Bedeutung übrigens, so hoch sie für die Entwicklung
des Wechsels zu veranschlagen ist, auch bei den Neueren keineswegs die ver¬
diente Beachtung gefunden hat. Gleichviel jedoch, was die Theorie davon
hielt, der seuws maienarum war längst in Uebung. Schon für Lyon, dann
aber für Besancon und Piacenza, wurde der Wechsel so gehandelt, daß der
Redner gegen die in seuäi cis mareds ausgedrückte Summe eine andere
Summe in der am Ausstellungsorte üblichen oder einer sonst verabredeten
Münze dem Aussteller zahlte oder versprach. Die Realisirung geschah bei¬
spielsweise für Genua in dem Verhältniß, daß für 101 Markseudi 100 Ge¬
nueser Goldscudi entrichtet wurden. Mithin wurde, da der Goldseudo 68
Soldi galt, der honos maredarum zu 67^8 gerechnet.

Der große Effect des letzteren ist. wie ich hoffen darf, hiernach klar. Als
Zeugniß dafür, daß auch die Zeitgenossen denselben würdigten, brauche ich nur die
Deutung des Namens anzuführen. Lenens heißt der Schild. Den seutus Mar-
oliarum erklärten die Schriftsteller für ganz besonders berechtigt, diesen Namen
zu führen. Denn er sei der wahre Schirm und Schutz des ganzen Wechsel¬
verkehrs, die Stütze der Gerechtigkeit. Von dem fondus marokÄi-um aus
konnten die der Münzverhältnisse kundigen Bankiers den Kurs der Wechsel
für alle Weltgegenden nach Maßgabe der an jedem Orte geltenden Gold- oder
Silbermünze bis zur nächsten Messe fixiren. Lange Aufzählungen belehren
uns, wie sich das für die Haupthandelsplätze gestaltete. Den Durchgang durch die
Einheitswährung der Messe nehmend, erhielten in der That alle Münzbeträge
von Stadt zu Stadt, von Land zu Land ihr rechtes Verhältniß. Nun erst
war Sicherheit der Werthberechnung' bei Werthübertragungen in die Ferne
garantirt.

Diese Bewältigung der Münzverschiedenheit wirft erst volles Licht auf
die dominirende Stellung der Wechselmessen.

Von nun an mußte aber auch das Wesen des Wechsels in ganz anderem
Lichte erscheinen. Bis dahin war er nur als Tausch der gezählten Summe,
der sogenannten Valuta, gegen die Wechselsumme gedacht worden. Kardinal
Kajetan konnte nicht mehr umhin, schon 1S00 den Wechsel als Kaufgeschäft
zu karakterisiren. Anfangs nicht unbestritten, wurde allmählig diese Ansicht
die herrschende. Der Redner schien in Gestalt des Wechsels so und soviel
LeucZi iZe marens mit seiner Valuta zu erkaufen. Auf die juristische Bedeu¬
tung der neuen Auffassung ist hier nicht einzugehen. Sonst würde sich sehr
wohl zeigen lassen, wie von dem einen Punkte aus große Partien des Civil¬
rechts beeinflußt worden sind. Aber der Satz: der Wechsel ist Kauf schließt,
und das muß ich erwähnen, eine Revolution der wirthschaftlichen Prin¬
zipien in sich. War der Wechsel Kauf, so war der seutus marekarum Kauf-


um 1640 zeigt ein durch kanonische Zweifel kaum noch getrübtes Erfassen
dieser Erscheinung, deren Bedeutung übrigens, so hoch sie für die Entwicklung
des Wechsels zu veranschlagen ist, auch bei den Neueren keineswegs die ver¬
diente Beachtung gefunden hat. Gleichviel jedoch, was die Theorie davon
hielt, der seuws maienarum war längst in Uebung. Schon für Lyon, dann
aber für Besancon und Piacenza, wurde der Wechsel so gehandelt, daß der
Redner gegen die in seuäi cis mareds ausgedrückte Summe eine andere
Summe in der am Ausstellungsorte üblichen oder einer sonst verabredeten
Münze dem Aussteller zahlte oder versprach. Die Realisirung geschah bei¬
spielsweise für Genua in dem Verhältniß, daß für 101 Markseudi 100 Ge¬
nueser Goldscudi entrichtet wurden. Mithin wurde, da der Goldseudo 68
Soldi galt, der honos maredarum zu 67^8 gerechnet.

Der große Effect des letzteren ist. wie ich hoffen darf, hiernach klar. Als
Zeugniß dafür, daß auch die Zeitgenossen denselben würdigten, brauche ich nur die
Deutung des Namens anzuführen. Lenens heißt der Schild. Den seutus Mar-
oliarum erklärten die Schriftsteller für ganz besonders berechtigt, diesen Namen
zu führen. Denn er sei der wahre Schirm und Schutz des ganzen Wechsel¬
verkehrs, die Stütze der Gerechtigkeit. Von dem fondus marokÄi-um aus
konnten die der Münzverhältnisse kundigen Bankiers den Kurs der Wechsel
für alle Weltgegenden nach Maßgabe der an jedem Orte geltenden Gold- oder
Silbermünze bis zur nächsten Messe fixiren. Lange Aufzählungen belehren
uns, wie sich das für die Haupthandelsplätze gestaltete. Den Durchgang durch die
Einheitswährung der Messe nehmend, erhielten in der That alle Münzbeträge
von Stadt zu Stadt, von Land zu Land ihr rechtes Verhältniß. Nun erst
war Sicherheit der Werthberechnung' bei Werthübertragungen in die Ferne
garantirt.

Diese Bewältigung der Münzverschiedenheit wirft erst volles Licht auf
die dominirende Stellung der Wechselmessen.

Von nun an mußte aber auch das Wesen des Wechsels in ganz anderem
Lichte erscheinen. Bis dahin war er nur als Tausch der gezählten Summe,
der sogenannten Valuta, gegen die Wechselsumme gedacht worden. Kardinal
Kajetan konnte nicht mehr umhin, schon 1S00 den Wechsel als Kaufgeschäft
zu karakterisiren. Anfangs nicht unbestritten, wurde allmählig diese Ansicht
die herrschende. Der Redner schien in Gestalt des Wechsels so und soviel
LeucZi iZe marens mit seiner Valuta zu erkaufen. Auf die juristische Bedeu¬
tung der neuen Auffassung ist hier nicht einzugehen. Sonst würde sich sehr
wohl zeigen lassen, wie von dem einen Punkte aus große Partien des Civil¬
rechts beeinflußt worden sind. Aber der Satz: der Wechsel ist Kauf schließt,
und das muß ich erwähnen, eine Revolution der wirthschaftlichen Prin¬
zipien in sich. War der Wechsel Kauf, so war der seutus marekarum Kauf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/502>, abgerufen am 24.08.2024.