Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

überstellung zweier Summen in zwei verschiedenen Münzsorten. Wie nun,
wenn jene außerordentliche Mannigfaltigkeit und Unsicherheit der Münzen
herrschte, auf die ich hinwies? Wer hätte es wohl vermocht, unter solchen
Umständen alle Kombinationen des Umtausches der verschiedenen Münzsorten,
ihre Unterarten und Werthabweichungen durchzudenken und auf einen bestimm¬
ten Kurs zurückzuführen? Zur Fixirung desselben gehörte ein vereinfachendes
Hülfsmittel, ein einheitliches Werthmaß inmitten der verzweifelten Vielheit
und Unzuverlässigkeit der kursirenden Münzen. Wie aber dieses Einheitsmaß
schaffen? Die Kaufleute hatten kein Recht und keine Macht, eine goldene
oder silberne Einheitsmünze zu schlagen und in Umlauf zu bringen. Dafür
kamen sie mit wunderbarem Instinkt auf ein imaginäres Einheitsgeld, das
bald wichtiger wurde, als alle Arten des sinnlichen Metallgeldes. Die
Bankiers schlugen, wie die Schriftsteller sich ausdrücken, den nur in der
Phantasie vorhandenen fondus marelnrruM, eine Rechnungsmünze, wie das
Pfund Sterling, die Mark Banco.

Den Ursprung beschreibt zuerst Hieronymus de Luca 1517, dem sich die
Späteren anschließen, folgendermaßen. Deutsche Kaufleute gaben den Anstoß,
indem sie zur Genfer Waarenmesse rohe Goldbarren mitbrachten und nach dem
Gewicht zum An- und Verkauf verwendeten. Augenscheinlich lernte man so
die Bedeutung des rohen Edelmetalls kennen und das reine Edelmetall in
seinem Vorzuge vor den nur zu oft geringhaltigen oder gar betrügerisch ver¬
schlechterten Münzen gebührend schätzen. Der Goldbarren von einem gewissen
Gewicht und einer gewissen Feinheit war immer ein und dasselbe Maß.

Allmählig fragten sich die Kaufleute, warum denn den Barren reell
zur Messe führen, reell damit zahlen? Man konnte ja auf die bestimmte
Menge Geldes eine Anweisung, einen Wechsel stellen, wenn man dem Wechsel
eine nach dem Goldbarren bemessene Einheit zu Grunde legte. Zu dieser
Einheit ließen sich alle Geldsorten in ein Verhältniß setzen. Die Wechselsumme
oder Differenzen derselben ließen sich nach diesem Verhältniß mit beliebiger
reeller Münze ausgleichen. So reifte schon auf der Lyoner Messe der Ge¬
danke, aus der Mark Goldes, zu 8 Unzen von bestimmtem Feingehalt, nicht
in Wirklichkeit, sondern nur in der Vorstellung, 65 Scudi zu machen. Zur
Unterscheidung von den körperlichen Scudi, wie sie namentlich auch die Ge¬
nueser besaßen, nannte man diese sinnlich gar nicht vorhandenen, nur eine
Quantität Goldes, V"s der Mark bezeichnenden Scudi's seuäi as marod".

So Etwas wurde begreiflicherweise nicht sofort von Allen richtig ver¬
standen! Manche Juristen konnten sich damit nicht befreunden. Covaceuvias
de Leyvas, ein hochgeachteter, gelehrter Autor über Münzwesen stritt noch
wider diese Art von Geld. Selbst bei Scaccia im Anfang des 17. Jahrhun¬
derts läßt sich eine Bedenklichkeit nicht verkennen. Erst Raphael de Turri


überstellung zweier Summen in zwei verschiedenen Münzsorten. Wie nun,
wenn jene außerordentliche Mannigfaltigkeit und Unsicherheit der Münzen
herrschte, auf die ich hinwies? Wer hätte es wohl vermocht, unter solchen
Umständen alle Kombinationen des Umtausches der verschiedenen Münzsorten,
ihre Unterarten und Werthabweichungen durchzudenken und auf einen bestimm¬
ten Kurs zurückzuführen? Zur Fixirung desselben gehörte ein vereinfachendes
Hülfsmittel, ein einheitliches Werthmaß inmitten der verzweifelten Vielheit
und Unzuverlässigkeit der kursirenden Münzen. Wie aber dieses Einheitsmaß
schaffen? Die Kaufleute hatten kein Recht und keine Macht, eine goldene
oder silberne Einheitsmünze zu schlagen und in Umlauf zu bringen. Dafür
kamen sie mit wunderbarem Instinkt auf ein imaginäres Einheitsgeld, das
bald wichtiger wurde, als alle Arten des sinnlichen Metallgeldes. Die
Bankiers schlugen, wie die Schriftsteller sich ausdrücken, den nur in der
Phantasie vorhandenen fondus marelnrruM, eine Rechnungsmünze, wie das
Pfund Sterling, die Mark Banco.

Den Ursprung beschreibt zuerst Hieronymus de Luca 1517, dem sich die
Späteren anschließen, folgendermaßen. Deutsche Kaufleute gaben den Anstoß,
indem sie zur Genfer Waarenmesse rohe Goldbarren mitbrachten und nach dem
Gewicht zum An- und Verkauf verwendeten. Augenscheinlich lernte man so
die Bedeutung des rohen Edelmetalls kennen und das reine Edelmetall in
seinem Vorzuge vor den nur zu oft geringhaltigen oder gar betrügerisch ver¬
schlechterten Münzen gebührend schätzen. Der Goldbarren von einem gewissen
Gewicht und einer gewissen Feinheit war immer ein und dasselbe Maß.

Allmählig fragten sich die Kaufleute, warum denn den Barren reell
zur Messe führen, reell damit zahlen? Man konnte ja auf die bestimmte
Menge Geldes eine Anweisung, einen Wechsel stellen, wenn man dem Wechsel
eine nach dem Goldbarren bemessene Einheit zu Grunde legte. Zu dieser
Einheit ließen sich alle Geldsorten in ein Verhältniß setzen. Die Wechselsumme
oder Differenzen derselben ließen sich nach diesem Verhältniß mit beliebiger
reeller Münze ausgleichen. So reifte schon auf der Lyoner Messe der Ge¬
danke, aus der Mark Goldes, zu 8 Unzen von bestimmtem Feingehalt, nicht
in Wirklichkeit, sondern nur in der Vorstellung, 65 Scudi zu machen. Zur
Unterscheidung von den körperlichen Scudi, wie sie namentlich auch die Ge¬
nueser besaßen, nannte man diese sinnlich gar nicht vorhandenen, nur eine
Quantität Goldes, V«s der Mark bezeichnenden Scudi's seuäi as marod«.

So Etwas wurde begreiflicherweise nicht sofort von Allen richtig ver¬
standen! Manche Juristen konnten sich damit nicht befreunden. Covaceuvias
de Leyvas, ein hochgeachteter, gelehrter Autor über Münzwesen stritt noch
wider diese Art von Geld. Selbst bei Scaccia im Anfang des 17. Jahrhun¬
derts läßt sich eine Bedenklichkeit nicht verkennen. Erst Raphael de Turri


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129493"/>
          <p xml:id="ID_1580" prev="#ID_1579"> überstellung zweier Summen in zwei verschiedenen Münzsorten. Wie nun,<lb/>
wenn jene außerordentliche Mannigfaltigkeit und Unsicherheit der Münzen<lb/>
herrschte, auf die ich hinwies? Wer hätte es wohl vermocht, unter solchen<lb/>
Umständen alle Kombinationen des Umtausches der verschiedenen Münzsorten,<lb/>
ihre Unterarten und Werthabweichungen durchzudenken und auf einen bestimm¬<lb/>
ten Kurs zurückzuführen? Zur Fixirung desselben gehörte ein vereinfachendes<lb/>
Hülfsmittel, ein einheitliches Werthmaß inmitten der verzweifelten Vielheit<lb/>
und Unzuverlässigkeit der kursirenden Münzen. Wie aber dieses Einheitsmaß<lb/>
schaffen? Die Kaufleute hatten kein Recht und keine Macht, eine goldene<lb/>
oder silberne Einheitsmünze zu schlagen und in Umlauf zu bringen. Dafür<lb/>
kamen sie mit wunderbarem Instinkt auf ein imaginäres Einheitsgeld, das<lb/>
bald wichtiger wurde, als alle Arten des sinnlichen Metallgeldes. Die<lb/>
Bankiers schlugen, wie die Schriftsteller sich ausdrücken, den nur in der<lb/>
Phantasie vorhandenen fondus marelnrruM, eine Rechnungsmünze, wie das<lb/>
Pfund Sterling, die Mark Banco.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1581"> Den Ursprung beschreibt zuerst Hieronymus de Luca 1517, dem sich die<lb/>
Späteren anschließen, folgendermaßen. Deutsche Kaufleute gaben den Anstoß,<lb/>
indem sie zur Genfer Waarenmesse rohe Goldbarren mitbrachten und nach dem<lb/>
Gewicht zum An- und Verkauf verwendeten. Augenscheinlich lernte man so<lb/>
die Bedeutung des rohen Edelmetalls kennen und das reine Edelmetall in<lb/>
seinem Vorzuge vor den nur zu oft geringhaltigen oder gar betrügerisch ver¬<lb/>
schlechterten Münzen gebührend schätzen. Der Goldbarren von einem gewissen<lb/>
Gewicht und einer gewissen Feinheit war immer ein und dasselbe Maß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1582"> Allmählig fragten sich die Kaufleute, warum denn den Barren reell<lb/>
zur Messe führen, reell damit zahlen? Man konnte ja auf die bestimmte<lb/>
Menge Geldes eine Anweisung, einen Wechsel stellen, wenn man dem Wechsel<lb/>
eine nach dem Goldbarren bemessene Einheit zu Grunde legte. Zu dieser<lb/>
Einheit ließen sich alle Geldsorten in ein Verhältniß setzen. Die Wechselsumme<lb/>
oder Differenzen derselben ließen sich nach diesem Verhältniß mit beliebiger<lb/>
reeller Münze ausgleichen. So reifte schon auf der Lyoner Messe der Ge¬<lb/>
danke, aus der Mark Goldes, zu 8 Unzen von bestimmtem Feingehalt, nicht<lb/>
in Wirklichkeit, sondern nur in der Vorstellung, 65 Scudi zu machen. Zur<lb/>
Unterscheidung von den körperlichen Scudi, wie sie namentlich auch die Ge¬<lb/>
nueser besaßen, nannte man diese sinnlich gar nicht vorhandenen, nur eine<lb/>
Quantität Goldes, V«s der Mark bezeichnenden Scudi's seuäi as marod«.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1583" next="#ID_1584"> So Etwas wurde begreiflicherweise nicht sofort von Allen richtig ver¬<lb/>
standen! Manche Juristen konnten sich damit nicht befreunden. Covaceuvias<lb/>
de Leyvas, ein hochgeachteter, gelehrter Autor über Münzwesen stritt noch<lb/>
wider diese Art von Geld. Selbst bei Scaccia im Anfang des 17. Jahrhun¬<lb/>
derts läßt sich eine Bedenklichkeit nicht verkennen. Erst Raphael de Turri</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] überstellung zweier Summen in zwei verschiedenen Münzsorten. Wie nun, wenn jene außerordentliche Mannigfaltigkeit und Unsicherheit der Münzen herrschte, auf die ich hinwies? Wer hätte es wohl vermocht, unter solchen Umständen alle Kombinationen des Umtausches der verschiedenen Münzsorten, ihre Unterarten und Werthabweichungen durchzudenken und auf einen bestimm¬ ten Kurs zurückzuführen? Zur Fixirung desselben gehörte ein vereinfachendes Hülfsmittel, ein einheitliches Werthmaß inmitten der verzweifelten Vielheit und Unzuverlässigkeit der kursirenden Münzen. Wie aber dieses Einheitsmaß schaffen? Die Kaufleute hatten kein Recht und keine Macht, eine goldene oder silberne Einheitsmünze zu schlagen und in Umlauf zu bringen. Dafür kamen sie mit wunderbarem Instinkt auf ein imaginäres Einheitsgeld, das bald wichtiger wurde, als alle Arten des sinnlichen Metallgeldes. Die Bankiers schlugen, wie die Schriftsteller sich ausdrücken, den nur in der Phantasie vorhandenen fondus marelnrruM, eine Rechnungsmünze, wie das Pfund Sterling, die Mark Banco. Den Ursprung beschreibt zuerst Hieronymus de Luca 1517, dem sich die Späteren anschließen, folgendermaßen. Deutsche Kaufleute gaben den Anstoß, indem sie zur Genfer Waarenmesse rohe Goldbarren mitbrachten und nach dem Gewicht zum An- und Verkauf verwendeten. Augenscheinlich lernte man so die Bedeutung des rohen Edelmetalls kennen und das reine Edelmetall in seinem Vorzuge vor den nur zu oft geringhaltigen oder gar betrügerisch ver¬ schlechterten Münzen gebührend schätzen. Der Goldbarren von einem gewissen Gewicht und einer gewissen Feinheit war immer ein und dasselbe Maß. Allmählig fragten sich die Kaufleute, warum denn den Barren reell zur Messe führen, reell damit zahlen? Man konnte ja auf die bestimmte Menge Geldes eine Anweisung, einen Wechsel stellen, wenn man dem Wechsel eine nach dem Goldbarren bemessene Einheit zu Grunde legte. Zu dieser Einheit ließen sich alle Geldsorten in ein Verhältniß setzen. Die Wechselsumme oder Differenzen derselben ließen sich nach diesem Verhältniß mit beliebiger reeller Münze ausgleichen. So reifte schon auf der Lyoner Messe der Ge¬ danke, aus der Mark Goldes, zu 8 Unzen von bestimmtem Feingehalt, nicht in Wirklichkeit, sondern nur in der Vorstellung, 65 Scudi zu machen. Zur Unterscheidung von den körperlichen Scudi, wie sie namentlich auch die Ge¬ nueser besaßen, nannte man diese sinnlich gar nicht vorhandenen, nur eine Quantität Goldes, V«s der Mark bezeichnenden Scudi's seuäi as marod«. So Etwas wurde begreiflicherweise nicht sofort von Allen richtig ver¬ standen! Manche Juristen konnten sich damit nicht befreunden. Covaceuvias de Leyvas, ein hochgeachteter, gelehrter Autor über Münzwesen stritt noch wider diese Art von Geld. Selbst bei Scaccia im Anfang des 17. Jahrhun¬ derts läßt sich eine Bedenklichkeit nicht verkennen. Erst Raphael de Turri

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/501>, abgerufen am 24.08.2024.