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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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doch nur in zweiter Linie. Heißes Kopfzerbrechen verursachte dabei, wenig¬
stens der Theorie, die Frage, ob die längere oder kürzere Frist bis zur Rea-
lisirung Einfluß auf den Preis haben dürfe. Uns versteht sich das von selbst;
jeder Wechsel hat sein Diskonto. Aber damals lebte man unter dem Wucher¬
verbot und unter ausdrücklichen Gesetzen der römischen Kurie, welche, wie zu¬
zugestehen, durchaus konsequent, jede Vergütung des Zeitaufschubs als offen¬
baren Wucher verdammten.

Der offizielle Kurs war der gerechte Preis. Erschien der Wechsel
an sich, wie nun kaum Jemand noch zweifelte, ein erlaubtes Geschäft,
so war auch der Gewinn, der sich nach diesem Kurs durch kluge Benutzung
der Konjunkturen ergab, in Ordnung. Darin hatten eben die Meßwechsel
einen gewaltigen Vorsprung. Den übrigen Wechseln fehlte diese allgemein-
gültige, gerechte Preisfestsetzung. Sie waren gerade deßhalb viel leichter der
Anzweiflung wegen Wuchers preisgegeben. Freilich besaß auch der offizielle
Meßkurs keineswegs die Eigenschaft einer absolut zwingenden Taxirung. Er
war nur der abstrakte Maßstab des gerechten Preises. Die Kontrahenten
des Wechsels konnten im einzelnen Fall höher oder niedriger gehen; darin lag
die Spekulation und der Gewinn. Gewöhnlich trug, wie es heißt, der Wechsel
dem Bankier 6--8 Prozent. Allein der offizielle Curs selbst konnte erheblichen
Schwankungen unterliegen; und vollends konnte der Gewinn steigen und
fallen. Als Beispiel der Einwirkung unerwarteter Ereignisse wird angeführt,
daß, als die Holländer 1627 die spanische Silberflotte wegnahmen, die Ge¬
nueser Wechsel mit einem Schlage um 14 Prozent sanken. Es entstand eine
förmliche Panik des Wechselmarktes. Nicht minder beobachtete man allerlei
Machinationen der Hauffe und Baisse, wie an den Börsen der Gegenwart.
Die Juristen und Theologen weisen eine ziemliche Reihe an der Tagesordnung
befindlichen Manipulationen dieser Art auf, die sie als Monopolmacherei brand¬
markten. Ob mit Erfolg, steht dahin. Jedenfalls sehen wir, daß auch schon
damals die geriebene Geschäftswelt verstand, der gerechten Taxe zum Trotz
mit dem Preise zu spielen und durch allerlei Manöver auf die ihr vortheil¬
hafteste Fixirung des Kurses hinzuwirken. Aber solche Excesse thun der Grund¬
idee, daß die allgemeingültige Taxirung der Messe als Fundament des Wechsel-
Verkehrs zu dienen habe, keinen Eintrag. Das stimmte vollkommen überein
mit der kanonischen Ansicht, daß überhaupt jedem Ding wo möglich offi¬
ziell der rechte Preis zu bestimmen sei; eine Ansicht, deren Nachklänge wir
noch unlängst an älterer Taxen erfuhren.

Indessen, den Kurs der Wechsel zu bestimmen, bot doch eine ganz andere
Schwierigkeit, als die Tarifirung sonstiger Waaren. Bei dem Wechsel galt
es, den Preis von Geld wieder in Geld zu bestimmen. Denn erinnern wir
uns, der Wechsel war ja, bis sich das im Meßwechsel anders gestaltete, Gegen-


doch nur in zweiter Linie. Heißes Kopfzerbrechen verursachte dabei, wenig¬
stens der Theorie, die Frage, ob die längere oder kürzere Frist bis zur Rea-
lisirung Einfluß auf den Preis haben dürfe. Uns versteht sich das von selbst;
jeder Wechsel hat sein Diskonto. Aber damals lebte man unter dem Wucher¬
verbot und unter ausdrücklichen Gesetzen der römischen Kurie, welche, wie zu¬
zugestehen, durchaus konsequent, jede Vergütung des Zeitaufschubs als offen¬
baren Wucher verdammten.

Der offizielle Kurs war der gerechte Preis. Erschien der Wechsel
an sich, wie nun kaum Jemand noch zweifelte, ein erlaubtes Geschäft,
so war auch der Gewinn, der sich nach diesem Kurs durch kluge Benutzung
der Konjunkturen ergab, in Ordnung. Darin hatten eben die Meßwechsel
einen gewaltigen Vorsprung. Den übrigen Wechseln fehlte diese allgemein-
gültige, gerechte Preisfestsetzung. Sie waren gerade deßhalb viel leichter der
Anzweiflung wegen Wuchers preisgegeben. Freilich besaß auch der offizielle
Meßkurs keineswegs die Eigenschaft einer absolut zwingenden Taxirung. Er
war nur der abstrakte Maßstab des gerechten Preises. Die Kontrahenten
des Wechsels konnten im einzelnen Fall höher oder niedriger gehen; darin lag
die Spekulation und der Gewinn. Gewöhnlich trug, wie es heißt, der Wechsel
dem Bankier 6—8 Prozent. Allein der offizielle Curs selbst konnte erheblichen
Schwankungen unterliegen; und vollends konnte der Gewinn steigen und
fallen. Als Beispiel der Einwirkung unerwarteter Ereignisse wird angeführt,
daß, als die Holländer 1627 die spanische Silberflotte wegnahmen, die Ge¬
nueser Wechsel mit einem Schlage um 14 Prozent sanken. Es entstand eine
förmliche Panik des Wechselmarktes. Nicht minder beobachtete man allerlei
Machinationen der Hauffe und Baisse, wie an den Börsen der Gegenwart.
Die Juristen und Theologen weisen eine ziemliche Reihe an der Tagesordnung
befindlichen Manipulationen dieser Art auf, die sie als Monopolmacherei brand¬
markten. Ob mit Erfolg, steht dahin. Jedenfalls sehen wir, daß auch schon
damals die geriebene Geschäftswelt verstand, der gerechten Taxe zum Trotz
mit dem Preise zu spielen und durch allerlei Manöver auf die ihr vortheil¬
hafteste Fixirung des Kurses hinzuwirken. Aber solche Excesse thun der Grund¬
idee, daß die allgemeingültige Taxirung der Messe als Fundament des Wechsel-
Verkehrs zu dienen habe, keinen Eintrag. Das stimmte vollkommen überein
mit der kanonischen Ansicht, daß überhaupt jedem Ding wo möglich offi¬
ziell der rechte Preis zu bestimmen sei; eine Ansicht, deren Nachklänge wir
noch unlängst an älterer Taxen erfuhren.

Indessen, den Kurs der Wechsel zu bestimmen, bot doch eine ganz andere
Schwierigkeit, als die Tarifirung sonstiger Waaren. Bei dem Wechsel galt
es, den Preis von Geld wieder in Geld zu bestimmen. Denn erinnern wir
uns, der Wechsel war ja, bis sich das im Meßwechsel anders gestaltete, Gegen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/500>, abgerufen am 24.08.2024.