Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.erhoben nach dem Gesetz vom 1. Mai 1861. welches seiner Zeit eine Reform erhoben nach dem Gesetz vom 1. Mai 1861. welches seiner Zeit eine Reform <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129428"/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394" next="#ID_1396"> erhoben nach dem Gesetz vom 1. Mai 1861. welches seiner Zeit eine Reform<lb/> des allgemeinen Abgabengesetzes vom 30. Mai 1820 angeordnet hatte. Das<lb/> Gesetz vom 1. Mai 1851 hatte die Erhebung der Klassensteuer in drei Haupt¬<lb/> klassen, deren jede wiederum in Unterstufen getheilt war, festgesetzt. Die<lb/> Hauptklassen waren nach der socialen Stellung der Steuerpflichtigen in fol¬<lb/> gender Weise unterschieden: die erste und niedrigste Hauptklasse umfaßte die<lb/> um Tagelohn und' im Gesinde-Verhältniß arbeitenden Personen; die zweite<lb/> und mittlere Hauptklasse die Arbeitsgehülfen, die dritte und höchste Hauptklasse<lb/> alle Diejenigen, welche zu keiner der beiden ersten Klassen zu rechnen sind,<lb/> aber nicht das Einkommen von Tausend Thaler erreichen. Der selbständige<lb/> Besitz und das selbständige Gewerbe, soweit sie noch nicht ein Einkommen von<lb/> Tausend Thalern bringen, waren unter die drei Haupklassen vertheilt je nach¬<lb/> dem ihr Ertrag dem Gewinn eines Tagelöhners und Gesindearbeiters oder<lb/> dem eines selbständigen Gehilfen gleich stand oder denselben überschritt. Man<lb/> sieht, daß die Kriterien der Klassenunterschiede sehr unsicher waren. Der<lb/> Grundsatz, eine Steuer nach der socialen Stellung und der mit ihr verbun¬<lb/> denen socialen Ehre zu erheben, läßt sich theoretisch sehr wohl aufstellen. Die<lb/> Entwickelung der Gesellschaft, drängt indeß sichtlich vorläufig immer mehr<lb/> dahin, die Bedeutung der socialen Beschäftigung in Bezug auf die mit der¬<lb/> selben verbundene Ehre zurückzudrängen. Immer weniger Beschäftigungen<lb/> machen noch eine Ausnahme von dieser Regel. Die Ehre hängt allein ab<lb/> von dem Werth und der Haltung des Individuums, wie sich dieselben im all¬<lb/> gemeinen gesellschaftlichen Leben zur Geltung bringen, welches auch die Be¬<lb/> schäftigung sei. Bei einem solchen Stande der Dinge wird freilich die Auf¬<lb/> legung einer Steuer nach dem Prinzip der socialen Ehre immer unthunlicher.<lb/> Es bleibt nichts übrig, als bei der Besteuerung auch desjenigen Einkommens,<lb/> welches noch nicht die Summe von Tausend Thaler erreicht, die Höhe des<lb/> Einkommens abgesehen von jeder socialen Stellung zur Unterlage zu machen.<lb/> Man wird also den Lohnarbeiter, ja den Dienstboten, wenn er nicht ein<lb/> besseres Einkommen hat, auch höher besteuern, als den selbständigen Gewerbs-<lb/> mann und als den kleinen Beamten. Diese Veränderung des Steuer-Prinzips<lb/> war der eine Zweck des von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurfs. Der<lb/> andere Zweck war, die untersten Stufen der klassensteuerpflichtigen Bevölke¬<lb/> rung zu erleichtern. Zu dem letzteren Zweck hatte die Regierung, wie man<lb/> sich erinnert, bereits in der vorjährigen Landtags-Session einen Gesetzentwurf<lb/> vorgelegt, dahingehend, die niedrigste Stufe der niedrigsten Hauptklasfe von<lb/> der directen Personalsteuer ganz frei zu lassen. Der Gesetzentwurf war da¬<lb/> mals verbunden mit einer anderweitigen Regelung der Mahl- und Schlacht¬<lb/> steuer, und fand theils wegen dieser Verbindung nicht die Zustimmung des<lb/> Abgeordnetenhauses, theils auch deßhalb nicht, weil ein Theil der Abgeord-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
erhoben nach dem Gesetz vom 1. Mai 1861. welches seiner Zeit eine Reform
des allgemeinen Abgabengesetzes vom 30. Mai 1820 angeordnet hatte. Das
Gesetz vom 1. Mai 1851 hatte die Erhebung der Klassensteuer in drei Haupt¬
klassen, deren jede wiederum in Unterstufen getheilt war, festgesetzt. Die
Hauptklassen waren nach der socialen Stellung der Steuerpflichtigen in fol¬
gender Weise unterschieden: die erste und niedrigste Hauptklasse umfaßte die
um Tagelohn und' im Gesinde-Verhältniß arbeitenden Personen; die zweite
und mittlere Hauptklasse die Arbeitsgehülfen, die dritte und höchste Hauptklasse
alle Diejenigen, welche zu keiner der beiden ersten Klassen zu rechnen sind,
aber nicht das Einkommen von Tausend Thaler erreichen. Der selbständige
Besitz und das selbständige Gewerbe, soweit sie noch nicht ein Einkommen von
Tausend Thalern bringen, waren unter die drei Haupklassen vertheilt je nach¬
dem ihr Ertrag dem Gewinn eines Tagelöhners und Gesindearbeiters oder
dem eines selbständigen Gehilfen gleich stand oder denselben überschritt. Man
sieht, daß die Kriterien der Klassenunterschiede sehr unsicher waren. Der
Grundsatz, eine Steuer nach der socialen Stellung und der mit ihr verbun¬
denen socialen Ehre zu erheben, läßt sich theoretisch sehr wohl aufstellen. Die
Entwickelung der Gesellschaft, drängt indeß sichtlich vorläufig immer mehr
dahin, die Bedeutung der socialen Beschäftigung in Bezug auf die mit der¬
selben verbundene Ehre zurückzudrängen. Immer weniger Beschäftigungen
machen noch eine Ausnahme von dieser Regel. Die Ehre hängt allein ab
von dem Werth und der Haltung des Individuums, wie sich dieselben im all¬
gemeinen gesellschaftlichen Leben zur Geltung bringen, welches auch die Be¬
schäftigung sei. Bei einem solchen Stande der Dinge wird freilich die Auf¬
legung einer Steuer nach dem Prinzip der socialen Ehre immer unthunlicher.
Es bleibt nichts übrig, als bei der Besteuerung auch desjenigen Einkommens,
welches noch nicht die Summe von Tausend Thaler erreicht, die Höhe des
Einkommens abgesehen von jeder socialen Stellung zur Unterlage zu machen.
Man wird also den Lohnarbeiter, ja den Dienstboten, wenn er nicht ein
besseres Einkommen hat, auch höher besteuern, als den selbständigen Gewerbs-
mann und als den kleinen Beamten. Diese Veränderung des Steuer-Prinzips
war der eine Zweck des von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurfs. Der
andere Zweck war, die untersten Stufen der klassensteuerpflichtigen Bevölke¬
rung zu erleichtern. Zu dem letzteren Zweck hatte die Regierung, wie man
sich erinnert, bereits in der vorjährigen Landtags-Session einen Gesetzentwurf
vorgelegt, dahingehend, die niedrigste Stufe der niedrigsten Hauptklasfe von
der directen Personalsteuer ganz frei zu lassen. Der Gesetzentwurf war da¬
mals verbunden mit einer anderweitigen Regelung der Mahl- und Schlacht¬
steuer, und fand theils wegen dieser Verbindung nicht die Zustimmung des
Abgeordnetenhauses, theils auch deßhalb nicht, weil ein Theil der Abgeord-
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