Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.nier verunstaltet haben. Es ist ein weites, unförmliches Gebäude, in dessen Wir schieden von Antwerpen, besuchten noch Mechelns gewaltige Ka¬ Noch einmal überflogen wir im Geiste die großartige Entwickelung des Dom preußischen Landtag. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 3. März stand zur zweiten nier verunstaltet haben. Es ist ein weites, unförmliches Gebäude, in dessen Wir schieden von Antwerpen, besuchten noch Mechelns gewaltige Ka¬ Noch einmal überflogen wir im Geiste die großartige Entwickelung des Dom preußischen Landtag. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 3. März stand zur zweiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129427"/> <p xml:id="ID_1391" prev="#ID_1390"> nier verunstaltet haben. Es ist ein weites, unförmliches Gebäude, in dessen<lb/> Faxade vier Säulenordnungen übereinander gethürmt, den Eindruck des Un¬<lb/> ruhigen hervorbringen. Interessanter waren einige alte hochgieblige Privat¬<lb/> häuser auf der Place Grande; in einem derselben soll Karl V. gewohnt haben,<lb/> als er den Grundstein zum Chor der Kathedrale legte. Gleich hinter dem<lb/> Hotel de Ville beginnt das Gewirr der Gassen, welche sich nach den Quai's<lb/> herunterziehen, und in denen die Symposien der Matrosen gefeiert werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1392"> Wir schieden von Antwerpen, besuchten noch Mechelns gewaltige Ka¬<lb/> thedrale mit dem Altarblatt von van Dyck und die Liebfrauenkirche mit (Rü-,<lb/> dens' Fischzug), um sodann über Lütttch, wo dem Justizpalaste, dem<lb/> prächtigen Renaissance-Bau der alten Fürstbischöfe von Luik, eingehende Auf¬<lb/> merksamkeit gewidmet werden mußte, Spaa und Verviers heimzukehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1393"> Noch einmal überflogen wir im Geiste die großartige Entwickelung des<lb/> nationalen und künstlerischen Lebens der flandrischen Städte; ihren Handel,<lb/> ihre monumentalen Schöpfungen, ihre reiche Kunstblüthe, ihre weitumfassen¬<lb/> den Verbindungen, ihr Selfgovernment, ihre Befreiung vom Joche der In¬<lb/> quisition. — Was ist davon übrig geblieben, was wird ihnen die Zukunft<lb/> bringen! Einst waren ihre Industrie, ihre Manufactur, selbst ihre Moden<lb/> tonangebend in Europa; flandrische Tuche schmückten einst des Eid Cam¬<lb/> pe ador Gattin, vor der sich Königinnen beugten; ihre Maler schufen eine<lb/> neue Aera der Kunst im Norden Europa's, ihre Schiffe herrschten auf den<lb/> Meeren, in ihren Häfen drängte sich das Gewühl von Vertretern aller Na¬<lb/> tionen. Jetzt sind sie Provinzialstädte eines Staats, mit dem sie nicht<lb/> einmal die Sprache gemein haben; von den Nachbarländern zum Theil über¬<lb/> flügelt, können sie keinen tonangebenden Einfluß unter den Culturvölkern mehr<lb/> ausüben. Wohl ihnen, wenn der breite Strom der Cultur, der die Nationen<lb/> auf ein Niveau erhebt, seine Wogen bis zu ihnen hinsendet; ihr Ruhm wird<lb/> außer den Arbeiten der Gegenwart die treue Bewahrung der Reliquien aus<lb/> großer Vergangenheit sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Dom preußischen Landtag.</head><lb/> <p xml:id="ID_1394" next="#ID_1395"> In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 3. März stand zur zweiten<lb/> Berathung der Gesetzentwurf wegen Abänderung der Klassensteuer und der<lb/> klassificirten Einkommensteuer. Der Entwurf war in der ersten Berathung<lb/> an eine Commission verwiesen worden, deren Antrag und Bericht nun vorlag.<lb/> Wir erläutern zuerst die Reform der Klassensteuer. Dieselbe wurde bisher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
nier verunstaltet haben. Es ist ein weites, unförmliches Gebäude, in dessen
Faxade vier Säulenordnungen übereinander gethürmt, den Eindruck des Un¬
ruhigen hervorbringen. Interessanter waren einige alte hochgieblige Privat¬
häuser auf der Place Grande; in einem derselben soll Karl V. gewohnt haben,
als er den Grundstein zum Chor der Kathedrale legte. Gleich hinter dem
Hotel de Ville beginnt das Gewirr der Gassen, welche sich nach den Quai's
herunterziehen, und in denen die Symposien der Matrosen gefeiert werden.
Wir schieden von Antwerpen, besuchten noch Mechelns gewaltige Ka¬
thedrale mit dem Altarblatt von van Dyck und die Liebfrauenkirche mit (Rü-,
dens' Fischzug), um sodann über Lütttch, wo dem Justizpalaste, dem
prächtigen Renaissance-Bau der alten Fürstbischöfe von Luik, eingehende Auf¬
merksamkeit gewidmet werden mußte, Spaa und Verviers heimzukehren.
Noch einmal überflogen wir im Geiste die großartige Entwickelung des
nationalen und künstlerischen Lebens der flandrischen Städte; ihren Handel,
ihre monumentalen Schöpfungen, ihre reiche Kunstblüthe, ihre weitumfassen¬
den Verbindungen, ihr Selfgovernment, ihre Befreiung vom Joche der In¬
quisition. — Was ist davon übrig geblieben, was wird ihnen die Zukunft
bringen! Einst waren ihre Industrie, ihre Manufactur, selbst ihre Moden
tonangebend in Europa; flandrische Tuche schmückten einst des Eid Cam¬
pe ador Gattin, vor der sich Königinnen beugten; ihre Maler schufen eine
neue Aera der Kunst im Norden Europa's, ihre Schiffe herrschten auf den
Meeren, in ihren Häfen drängte sich das Gewühl von Vertretern aller Na¬
tionen. Jetzt sind sie Provinzialstädte eines Staats, mit dem sie nicht
einmal die Sprache gemein haben; von den Nachbarländern zum Theil über¬
flügelt, können sie keinen tonangebenden Einfluß unter den Culturvölkern mehr
ausüben. Wohl ihnen, wenn der breite Strom der Cultur, der die Nationen
auf ein Niveau erhebt, seine Wogen bis zu ihnen hinsendet; ihr Ruhm wird
außer den Arbeiten der Gegenwart die treue Bewahrung der Reliquien aus
großer Vergangenheit sein.
Dom preußischen Landtag.
In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 3. März stand zur zweiten
Berathung der Gesetzentwurf wegen Abänderung der Klassensteuer und der
klassificirten Einkommensteuer. Der Entwurf war in der ersten Berathung
an eine Commission verwiesen worden, deren Antrag und Bericht nun vorlag.
Wir erläutern zuerst die Reform der Klassensteuer. Dieselbe wurde bisher
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