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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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ruhte nicht. Ihr Präsident ging persönlich zum Herzoge, und er konnte be¬
richten (Dabelow nennt es eine "merkwürdige Relation"), daß der Herzog
seinen dringenden Vorstellungen wohl Gehör geschenkt habe. Er hatte noch
weitere 10,000 Rthlr. abgelassen, nur die Jagd hatte er nicht preisgegeben
und Holz hatte er nicht schlagen lassen wollen. Kaum war dieser Punkt
hierdurch bereinigt, so brachen neue.Zwistigkeiten aus, weil die Stände, mit
Recht verlangten, daß die dem Lande aufzulegenden neuen Steuern in eine
besondere, unter ständischer Verwaltung stehende Kasse fließen sollten, was
der Herzog nicht bewilligte.

Dieser Punkt wurde so schwierig, daß man sich, wie es scheint in Folge
eines Compromisses beider Parteien, an die Vermittelung des Königs von
Sachsen wandte, der zwei Commissaire nach Cöthen entsendete. Unter thätiger
Beihülfe dieser Herren wurde denn endlich am 23. September 1811 ein hur¬
tiger Vertrag zwischen dem Herzoge und den Ständen abgeschlossen.

Hierin reservirt sich der Herzog die im Wesentlichen schon oben aufgeführten
Schlosser (außer der Residenz nebst allem Zubehör, 7 Schlösser, Oekonomien, Fische¬
reien u. s. ro.), sämmtliche zum herzoglichen Kornboden kommenden Getreidezinsen und
Deputate und eine jährliche Baarsnmme von 50,000 Thlr. in monatlichen Raten,
während er alle Steuern, Dvmanial- und Landeseinkünfte zur allmähligen Tilgung
der Kammerschulden nebst Zinsen, alle ausstehenden Neste an Pachtgeldern, Steuern,
Zinsen, alle Naturalvorräthe aus den nicht reservirten Domänen, alle Ablösungsgelder,
Lehnsanfälle, rückfallendcn Appanagen und Wittumsgelder zur Bezahlung der früheren
Hofbuchschulden, bis zu 20,000 Thlr. zur Tilgung der rückständigen Kammerzinsen,
Appanagen :c. überläßt. Ferner übernehmen die Stände die gesammten Landes - Ad¬
ministrationskosten, die Erhaltung des Rheinbund - Contingents *), die Besoldung der
Staatsdiener, wozu provisorisch 30,000 Thlr. ausgeworfen werden, die Staatsdiener-
und Wittwenpensionen, für welche durch jährliche Beiträge von 3000 Thlr. ein Fonds
gebildet wird', der Herzog dagegen die Bestreitung der eigenen Subsistenz und die
Erhaltung des Hofstaats, die Vergütung der Wildschaden, alle Bauten und Reparaturen auf
seinen Reservaten und die Erhaltung der Haustruppen. Derselbe verpflichtet sich auch
anstatt Steuern und Abgaben von seinen Reservaten jährlich 800 Thlr. zu zahlen.

Die öffentliche Bekanntmachung des Vertrags zwischen dem Herzoge und
den Ständen erfolgte erst unter dem 6. Januar 1812, nachdem das neue
Steuergesetz, ohne welches derselbe nicht hätte ausgeführt werden können, ent¬
worfen, discutirt und unter dem 20. Dezember 1811 publicirt war. Es
nahm die Steuerkraft des Landes nach den verschiedensten Richtungen hin in
Anspruch, aber doch in einer Weise, welche die Fürsorge und Umsicht der
Stände wohl erkennen läßt. Mit diesem Steuergesetz und dem abgeschlossenen
Vertrage war ein wesentlicher Schritt zur Besserung der finanziellen Lage des
Landes gethan, wenigstens war die Aussicht auf Besserung des Landescredits
eröffnet; denn in der That wurden vom 1. Januar 1812 an die laufenden



-) Etwa 22,000 Thlr.

ruhte nicht. Ihr Präsident ging persönlich zum Herzoge, und er konnte be¬
richten (Dabelow nennt es eine „merkwürdige Relation"), daß der Herzog
seinen dringenden Vorstellungen wohl Gehör geschenkt habe. Er hatte noch
weitere 10,000 Rthlr. abgelassen, nur die Jagd hatte er nicht preisgegeben
und Holz hatte er nicht schlagen lassen wollen. Kaum war dieser Punkt
hierdurch bereinigt, so brachen neue.Zwistigkeiten aus, weil die Stände, mit
Recht verlangten, daß die dem Lande aufzulegenden neuen Steuern in eine
besondere, unter ständischer Verwaltung stehende Kasse fließen sollten, was
der Herzog nicht bewilligte.

Dieser Punkt wurde so schwierig, daß man sich, wie es scheint in Folge
eines Compromisses beider Parteien, an die Vermittelung des Königs von
Sachsen wandte, der zwei Commissaire nach Cöthen entsendete. Unter thätiger
Beihülfe dieser Herren wurde denn endlich am 23. September 1811 ein hur¬
tiger Vertrag zwischen dem Herzoge und den Ständen abgeschlossen.

Hierin reservirt sich der Herzog die im Wesentlichen schon oben aufgeführten
Schlosser (außer der Residenz nebst allem Zubehör, 7 Schlösser, Oekonomien, Fische¬
reien u. s. ro.), sämmtliche zum herzoglichen Kornboden kommenden Getreidezinsen und
Deputate und eine jährliche Baarsnmme von 50,000 Thlr. in monatlichen Raten,
während er alle Steuern, Dvmanial- und Landeseinkünfte zur allmähligen Tilgung
der Kammerschulden nebst Zinsen, alle ausstehenden Neste an Pachtgeldern, Steuern,
Zinsen, alle Naturalvorräthe aus den nicht reservirten Domänen, alle Ablösungsgelder,
Lehnsanfälle, rückfallendcn Appanagen und Wittumsgelder zur Bezahlung der früheren
Hofbuchschulden, bis zu 20,000 Thlr. zur Tilgung der rückständigen Kammerzinsen,
Appanagen :c. überläßt. Ferner übernehmen die Stände die gesammten Landes - Ad¬
ministrationskosten, die Erhaltung des Rheinbund - Contingents *), die Besoldung der
Staatsdiener, wozu provisorisch 30,000 Thlr. ausgeworfen werden, die Staatsdiener-
und Wittwenpensionen, für welche durch jährliche Beiträge von 3000 Thlr. ein Fonds
gebildet wird', der Herzog dagegen die Bestreitung der eigenen Subsistenz und die
Erhaltung des Hofstaats, die Vergütung der Wildschaden, alle Bauten und Reparaturen auf
seinen Reservaten und die Erhaltung der Haustruppen. Derselbe verpflichtet sich auch
anstatt Steuern und Abgaben von seinen Reservaten jährlich 800 Thlr. zu zahlen.

Die öffentliche Bekanntmachung des Vertrags zwischen dem Herzoge und
den Ständen erfolgte erst unter dem 6. Januar 1812, nachdem das neue
Steuergesetz, ohne welches derselbe nicht hätte ausgeführt werden können, ent¬
worfen, discutirt und unter dem 20. Dezember 1811 publicirt war. Es
nahm die Steuerkraft des Landes nach den verschiedensten Richtungen hin in
Anspruch, aber doch in einer Weise, welche die Fürsorge und Umsicht der
Stände wohl erkennen läßt. Mit diesem Steuergesetz und dem abgeschlossenen
Vertrage war ein wesentlicher Schritt zur Besserung der finanziellen Lage des
Landes gethan, wenigstens war die Aussicht auf Besserung des Landescredits
eröffnet; denn in der That wurden vom 1. Januar 1812 an die laufenden



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/388>, abgerufen am 24.08.2024.