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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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diesen Bedingungen und mit Hülfe einer neuen extraordinären Auflage zum
Betrage von jährlich 40,000 Thlr. und einiger Holzschläge in den Reservat-
Forsten, hofften sie dem Lande aufhelfen, die rückständigen Kammerzinsen ab¬
stoßen zu können. Allein ihre hauptsächlichsten Wünsche wurden rein abge¬
schlagen, ganz besonders die Wiederaufhebung der Verfassung.

In den dem Verfasser vorliegenden Acten finden sich zu den betreffenden
Vorstellungen der Stände viele charakteristische Randbemerkungen von Dave-
low's Hand. So heißt es bei den dringenden Bitten um Wiederabschaffung
der neuen Verfassung: "Das sind Alles Dinge, die (Bauern) Landleute nicht
gut einsehen können!" Ferner bei Vorstellung der Unbequemlichkeiten des neu
eingeführten Notariats: "Die Stände schreiben hier in der Seele ihrer Freunde,
der Districtsrichter, welche gern wieder die reichlichen Revenüen haben möchten."
Sodann bei den gewiß begründeten Einwendungen gegen die Tauglichkeit der
Moires zur Führung der Civilstandsregister: "Hier reden wieder die Priester
aus den Ständen, die gern fortfahren möchten, Trauungen, Taufen u. dergl.
in den Hauskalender einzutragen." Dann einmal wieder: "Man sieht allent¬
halben, daß die Stände nur das liebe Ich im Auge haben." -- Ferner, als
man den Ständen, wie oben angedeutet, ihre Mitwirkung bei der Steuergesetz¬
gebung auf eine reine Null, auf eine bloße Discussion der vorgelegten Steuer¬
gesetzentwürfe hatte einschränken wollen, und die Stände mit eindringlichen
Worten ihren Repräsentationscharakter gewahrt und den Minister an seine
feierlichen Verheißungen bei der Vereidigung der Stände erinnert hatten, äu¬
ßerte Dabelow: "Die Stände haben durch ihre Einmischungen schon bewiesen,
daß sie des Repräsentativ-Charakters überall nicht werth sind. Ueberall heißt
auch der Repräsentativ-Charakter nicht soviel, als, wenn die Stände keine Ab-
gaben bewilligen wollen, so können sie auch nicht erhoben werden." Eine
ähnlich staatsmännische Weisheit ist in einer Bemerkung Dabelow's bezüglich
der Zinsrückstände der Kammerschulden niedergelegt, deren Bezahlung, wie be¬
merkt, die Stände aus Rücksicht auf den Staatscredit willig übernehmen
wollten: "Diese Zinsrückstände müssen avolirt werden. Der Staatscredit
wird dadurch auch im Geringsten nicht gehoben, wenn jetzt die rückständigen
Zinsen bezahlt werden.

Nur ein Wunsch der Stände fand geneigte Zustimmung, die Herab¬
setzung des Kammerzinsfußes. Allmählig mochte man sich jedoch überzeugen,
daß auch die Forterhaltung der enormen Civilliste ein Ding der Unmöglich¬
keit sei, und gab hierin allmählig nach. Der Herzog erklärte sich, was die
geforderte Baarsumme betrifft, mit 76,000 Rthlr., dann mit 60,000 Rthlr.
zufrieden. Hier wurde jedoch entschieden Halt gemacht. Aber die Kammer



') Wie sogleich gezeigt werden wird, sind die Zinsrückstände nicht abolirt worden.

diesen Bedingungen und mit Hülfe einer neuen extraordinären Auflage zum
Betrage von jährlich 40,000 Thlr. und einiger Holzschläge in den Reservat-
Forsten, hofften sie dem Lande aufhelfen, die rückständigen Kammerzinsen ab¬
stoßen zu können. Allein ihre hauptsächlichsten Wünsche wurden rein abge¬
schlagen, ganz besonders die Wiederaufhebung der Verfassung.

In den dem Verfasser vorliegenden Acten finden sich zu den betreffenden
Vorstellungen der Stände viele charakteristische Randbemerkungen von Dave-
low's Hand. So heißt es bei den dringenden Bitten um Wiederabschaffung
der neuen Verfassung: „Das sind Alles Dinge, die (Bauern) Landleute nicht
gut einsehen können!" Ferner bei Vorstellung der Unbequemlichkeiten des neu
eingeführten Notariats: „Die Stände schreiben hier in der Seele ihrer Freunde,
der Districtsrichter, welche gern wieder die reichlichen Revenüen haben möchten."
Sodann bei den gewiß begründeten Einwendungen gegen die Tauglichkeit der
Moires zur Führung der Civilstandsregister: „Hier reden wieder die Priester
aus den Ständen, die gern fortfahren möchten, Trauungen, Taufen u. dergl.
in den Hauskalender einzutragen." Dann einmal wieder: „Man sieht allent¬
halben, daß die Stände nur das liebe Ich im Auge haben." — Ferner, als
man den Ständen, wie oben angedeutet, ihre Mitwirkung bei der Steuergesetz¬
gebung auf eine reine Null, auf eine bloße Discussion der vorgelegten Steuer¬
gesetzentwürfe hatte einschränken wollen, und die Stände mit eindringlichen
Worten ihren Repräsentationscharakter gewahrt und den Minister an seine
feierlichen Verheißungen bei der Vereidigung der Stände erinnert hatten, äu¬
ßerte Dabelow: „Die Stände haben durch ihre Einmischungen schon bewiesen,
daß sie des Repräsentativ-Charakters überall nicht werth sind. Ueberall heißt
auch der Repräsentativ-Charakter nicht soviel, als, wenn die Stände keine Ab-
gaben bewilligen wollen, so können sie auch nicht erhoben werden." Eine
ähnlich staatsmännische Weisheit ist in einer Bemerkung Dabelow's bezüglich
der Zinsrückstände der Kammerschulden niedergelegt, deren Bezahlung, wie be¬
merkt, die Stände aus Rücksicht auf den Staatscredit willig übernehmen
wollten: „Diese Zinsrückstände müssen avolirt werden. Der Staatscredit
wird dadurch auch im Geringsten nicht gehoben, wenn jetzt die rückständigen
Zinsen bezahlt werden.

Nur ein Wunsch der Stände fand geneigte Zustimmung, die Herab¬
setzung des Kammerzinsfußes. Allmählig mochte man sich jedoch überzeugen,
daß auch die Forterhaltung der enormen Civilliste ein Ding der Unmöglich¬
keit sei, und gab hierin allmählig nach. Der Herzog erklärte sich, was die
geforderte Baarsumme betrifft, mit 76,000 Rthlr., dann mit 60,000 Rthlr.
zufrieden. Hier wurde jedoch entschieden Halt gemacht. Aber die Kammer



') Wie sogleich gezeigt werden wird, sind die Zinsrückstände nicht abolirt worden.
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[0387] diesen Bedingungen und mit Hülfe einer neuen extraordinären Auflage zum Betrage von jährlich 40,000 Thlr. und einiger Holzschläge in den Reservat- Forsten, hofften sie dem Lande aufhelfen, die rückständigen Kammerzinsen ab¬ stoßen zu können. Allein ihre hauptsächlichsten Wünsche wurden rein abge¬ schlagen, ganz besonders die Wiederaufhebung der Verfassung. In den dem Verfasser vorliegenden Acten finden sich zu den betreffenden Vorstellungen der Stände viele charakteristische Randbemerkungen von Dave- low's Hand. So heißt es bei den dringenden Bitten um Wiederabschaffung der neuen Verfassung: „Das sind Alles Dinge, die (Bauern) Landleute nicht gut einsehen können!" Ferner bei Vorstellung der Unbequemlichkeiten des neu eingeführten Notariats: „Die Stände schreiben hier in der Seele ihrer Freunde, der Districtsrichter, welche gern wieder die reichlichen Revenüen haben möchten." Sodann bei den gewiß begründeten Einwendungen gegen die Tauglichkeit der Moires zur Führung der Civilstandsregister: „Hier reden wieder die Priester aus den Ständen, die gern fortfahren möchten, Trauungen, Taufen u. dergl. in den Hauskalender einzutragen." Dann einmal wieder: „Man sieht allent¬ halben, daß die Stände nur das liebe Ich im Auge haben." — Ferner, als man den Ständen, wie oben angedeutet, ihre Mitwirkung bei der Steuergesetz¬ gebung auf eine reine Null, auf eine bloße Discussion der vorgelegten Steuer¬ gesetzentwürfe hatte einschränken wollen, und die Stände mit eindringlichen Worten ihren Repräsentationscharakter gewahrt und den Minister an seine feierlichen Verheißungen bei der Vereidigung der Stände erinnert hatten, äu¬ ßerte Dabelow: „Die Stände haben durch ihre Einmischungen schon bewiesen, daß sie des Repräsentativ-Charakters überall nicht werth sind. Ueberall heißt auch der Repräsentativ-Charakter nicht soviel, als, wenn die Stände keine Ab- gaben bewilligen wollen, so können sie auch nicht erhoben werden." Eine ähnlich staatsmännische Weisheit ist in einer Bemerkung Dabelow's bezüglich der Zinsrückstände der Kammerschulden niedergelegt, deren Bezahlung, wie be¬ merkt, die Stände aus Rücksicht auf den Staatscredit willig übernehmen wollten: „Diese Zinsrückstände müssen avolirt werden. Der Staatscredit wird dadurch auch im Geringsten nicht gehoben, wenn jetzt die rückständigen Zinsen bezahlt werden. Nur ein Wunsch der Stände fand geneigte Zustimmung, die Herab¬ setzung des Kammerzinsfußes. Allmählig mochte man sich jedoch überzeugen, daß auch die Forterhaltung der enormen Civilliste ein Ding der Unmöglich¬ keit sei, und gab hierin allmählig nach. Der Herzog erklärte sich, was die geforderte Baarsumme betrifft, mit 76,000 Rthlr., dann mit 60,000 Rthlr. zufrieden. Hier wurde jedoch entschieden Halt gemacht. Aber die Kammer ') Wie sogleich gezeigt werden wird, sind die Zinsrückstände nicht abolirt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/387>, abgerufen am 24.08.2024.