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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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..Zunahme" spricht; und zweitens weil bereits vor dem Kriege von 166 Orts-
vereinen 64 an Zahl stark (theilweise um ^) zurückgegangen, 14 stehen ge-
blieben sind, und nur 88 zugenommen haben. Und diese Abwendung von
der neuen Heilssonne hatte keineswegs bloß die Pollaken ergriffen, die Herr
Hirsch durch die Schleußen seiner Beredsamkeit, oder wie er selbst "im Ge¬
werkverein" bescheiden sagt: durch "viel Kraft und Geld" "unserer Organisation"
gewonnen hatte. Auch keineswegs bloß,, die Spreu", und "allerlei Volk", wie die
wohlmeinende und für das Wohl der arbeitenden Klassen wirklich hochver¬
diente Zeitschrift "der Arbeitersreund" (Halle, Waisenhausbuchhandlung) M)
ausdrückt -- etwa -- die Schiller'schen Gevatter Schneider und Handschuhmacher
hatten sich der ferneren Zugehörigkeit zu den Musterwerkvereinen verschlossen,
sondern die Elite ihres Bestandes: Die Mechaniker, die zwischen 4 und L000
Mitglieder stark beigetreten waren. Die Leiter (Generalräthe) dieser Gewerk¬
schaft sprachen wiederholt .Ms. was im Munde eines Draußenstehenden
grobes Aergerniß bereiten würde, daß ihre Angehörigen es über die Maßen
an Ernst und Eifer für die gute Sache fehlen ließen. Auch diese Elite des
Duncker-Hirsch'schen Heeres hat, mit Ausnahme von Berlin, einen Rückgang
in der Gesammt-Mitgliederzahl aufzuweisen. Aeußerst beweglich sind außer¬
dem die Klagen des Verbandsanwaltes über die rasch abgefallenen Früchte
seiner rhetorischen Agitationsreisen. Wie gewonnen, so zeronnen, heißt das
Motto dieser stürmischen Werbungen.

Aber der Hauptgrund des raschen und bedeutenden Rückgangs der Ge¬
werkvereine sind unstreitig die Strikes, die der Verband bis dahin ange¬
zettelt und -- bezahlt, oder richtiger unterstützt hat. Sie sind sammt und
sonders in ihren Erfolgen überaus kläglich, in ihren Ansprüchen an die Ver¬
bandsgenossen dagegen -- deren Kassen, wie wir oben sahen, solidarisch für die
Unternehmungen des Centralraths haften -- überaus kostspielig gewesen. Und
wenn erfahrungsmäßig schon einem erfolgreichen Unternehmen ungern Opfer ge¬
bracht werden, wie viel weniger einer Reihe von Mißerfolgen! Der erste
Strike, den der Verbandsanwalt anzettelte, den er, es findet sich kein anderer
Ausdruck, auf dem Gewissen hat, ist der berufene Strike der Bergarbeiter von
Waldenburg in Schlesien 1869. Man stand damals an der Spitze der 30,000
Genossen, man glaubte heldenmäßig viel Geld zu haben, man hatte sich mit
Worten stark engagirt, die persönlichen, scheinbar vermittelnden Versuche waren
von den Grubenbesitzern einmüthig zurückgewiesen worden, man hatte selbst
den guten Namen Schulze's für die Sache der Strikenden geworben. So
verkündigte die Berliner Vorsehung den Strike im Dezember 1869. Aber
schon Mitte Januar 1870 waren nicht bloß alle Unterstützungen des Ver¬
bandes, sondern auch alle nicht unerheblichen Ersparnisse der 6000 strikenden
Bergarbeiter aufgezehrt. Noch einmal erschien der Anwalt, um zu vermitteln,


Grenzboten 1873. I. . 47

..Zunahme" spricht; und zweitens weil bereits vor dem Kriege von 166 Orts-
vereinen 64 an Zahl stark (theilweise um ^) zurückgegangen, 14 stehen ge-
blieben sind, und nur 88 zugenommen haben. Und diese Abwendung von
der neuen Heilssonne hatte keineswegs bloß die Pollaken ergriffen, die Herr
Hirsch durch die Schleußen seiner Beredsamkeit, oder wie er selbst „im Ge¬
werkverein" bescheiden sagt: durch „viel Kraft und Geld" „unserer Organisation"
gewonnen hatte. Auch keineswegs bloß,, die Spreu", und „allerlei Volk", wie die
wohlmeinende und für das Wohl der arbeitenden Klassen wirklich hochver¬
diente Zeitschrift „der Arbeitersreund" (Halle, Waisenhausbuchhandlung) M)
ausdrückt — etwa — die Schiller'schen Gevatter Schneider und Handschuhmacher
hatten sich der ferneren Zugehörigkeit zu den Musterwerkvereinen verschlossen,
sondern die Elite ihres Bestandes: Die Mechaniker, die zwischen 4 und L000
Mitglieder stark beigetreten waren. Die Leiter (Generalräthe) dieser Gewerk¬
schaft sprachen wiederholt .Ms. was im Munde eines Draußenstehenden
grobes Aergerniß bereiten würde, daß ihre Angehörigen es über die Maßen
an Ernst und Eifer für die gute Sache fehlen ließen. Auch diese Elite des
Duncker-Hirsch'schen Heeres hat, mit Ausnahme von Berlin, einen Rückgang
in der Gesammt-Mitgliederzahl aufzuweisen. Aeußerst beweglich sind außer¬
dem die Klagen des Verbandsanwaltes über die rasch abgefallenen Früchte
seiner rhetorischen Agitationsreisen. Wie gewonnen, so zeronnen, heißt das
Motto dieser stürmischen Werbungen.

Aber der Hauptgrund des raschen und bedeutenden Rückgangs der Ge¬
werkvereine sind unstreitig die Strikes, die der Verband bis dahin ange¬
zettelt und — bezahlt, oder richtiger unterstützt hat. Sie sind sammt und
sonders in ihren Erfolgen überaus kläglich, in ihren Ansprüchen an die Ver¬
bandsgenossen dagegen — deren Kassen, wie wir oben sahen, solidarisch für die
Unternehmungen des Centralraths haften — überaus kostspielig gewesen. Und
wenn erfahrungsmäßig schon einem erfolgreichen Unternehmen ungern Opfer ge¬
bracht werden, wie viel weniger einer Reihe von Mißerfolgen! Der erste
Strike, den der Verbandsanwalt anzettelte, den er, es findet sich kein anderer
Ausdruck, auf dem Gewissen hat, ist der berufene Strike der Bergarbeiter von
Waldenburg in Schlesien 1869. Man stand damals an der Spitze der 30,000
Genossen, man glaubte heldenmäßig viel Geld zu haben, man hatte sich mit
Worten stark engagirt, die persönlichen, scheinbar vermittelnden Versuche waren
von den Grubenbesitzern einmüthig zurückgewiesen worden, man hatte selbst
den guten Namen Schulze's für die Sache der Strikenden geworben. So
verkündigte die Berliner Vorsehung den Strike im Dezember 1869. Aber
schon Mitte Januar 1870 waren nicht bloß alle Unterstützungen des Ver¬
bandes, sondern auch alle nicht unerheblichen Ersparnisse der 6000 strikenden
Bergarbeiter aufgezehrt. Noch einmal erschien der Anwalt, um zu vermitteln,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/377>, abgerufen am 24.08.2024.