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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Noch einige Charakterzüge des Herzogs dürfen hier nicht verschwiegen
bleiben: Er liebte es, ihm ferner stehende Persönlichkeiten durch Zutraulichkeit,
sich nahe zu bringen. Wehe ihnen aber, wenn sie Schritte der Annäherung
leichtsinnig thaten. Denn im Nu schlug er in's Gegentheil um und griff nicht
selten zur Reitpeitsche, um die in's Schwanken gerathenen Standesbegriffe auf
angemessene Art wieder in's Gleichgewicht zu bringen. Auf der andern Seite
war der Herzog trotz seiner colossalen Figur und trotz seines durch und durch
militärischen Bluts, persönlich feige und leicht einzuschüchtern. Man erzählt
hierzu folgendes Beispiel: Bei der Audienz eines höhern Beamten, vermuthlich
durch dessen Widerspruch gereizt, gerieth er einst in die höchste Wuth und
schrie nach den an der Wand hängenden goldenen Pistolen, um den Wider¬
sprechenden niederzuschießen. Der Beamte, schnell gefaßt, nahm ruhig die
Pistolen von der Wand und trug sie, die Mündungen zufällig auf den Her¬
zog gerichtet, diesem hin. Sofort war der Herzog abgekühlt, und unter ängst¬
lichen Rufen: "Die Pistolen weg, hinaus!" zog er sich rückwärts durch die
Thür aus dem Gemach.

Stenzel hat dem Herzoge im "Handbuche"*) zu seinen anderen Mensch¬
lichkeiten auch noch den Trunk vorgeworfen, im "Anhange"**) hat er dieses
auf den Einwand seiner Gegner selbst zurückgenommen. Er erklärt seinen
Irrthum durch ein Mißverstehen der von den Zeitgenossen festgestellten That¬
sache, daß der Herzog in den letzten Jahren beträchtliche Quantitäten Naphta,
jedoch nicht als Reizmittel für den abgestumpften Gaumen, sondern gegen
Umwandelungen von Schwäche, zu sich zu nehmen pflegte. Um gerecht zu sein,
kann hier ein Umstand nicht unerwähnt bleiben, der viel dazu beigetragen
haben muß, daß der bessere Theil des Herzogs je mehr und mehr von Dornen
und Unkraut überwuchert wurde. Er lebte in durchaus unglücklichen häus¬
lichen Verhältnissen, Etwa 2^ Jahr nach seinem Regierungsantritt hatte er
sich mit Caroline Friderike. Tochter des Herzogs August von Nassau-Usingen,
vermählt. Von jeher ein Feind der Frauen, hatten ihn selbst die vortrefflichen
Eigenschaften dieser schönen und edlen Gemahlin, zumal sich niedrige Kabalen
zwischen Beide gestellt hatten***), nicht bekehren können. Die Ehe war kin¬
derlos geblieben, und eine nachmals eingetretene unheilbare Geisteskrankheit
der Fürstin hatte zu einer freiwilligen, nachher, im Jahre 1803, zu einer
förmlichen Scheidung der Ehe geführt. Der Herzog pflegte sich öfters in
herabwürdigender Weise über die Gemahlin zu äußern, so einmal zu einer
nahe stehenden Person: "er sei mit seiner Frau angeführt, man habe ihm das
Jawort in der Trunkenheit abgenommen." Für sein häusliches Leben blieb
ihm, da auch das Verhältniß zu seiner kurz vor ihm verstorbenen Mutter





") S. 46.
Würdig, Anhalt. Volkskai. für 1864, S. 3.
S. 301.

Noch einige Charakterzüge des Herzogs dürfen hier nicht verschwiegen
bleiben: Er liebte es, ihm ferner stehende Persönlichkeiten durch Zutraulichkeit,
sich nahe zu bringen. Wehe ihnen aber, wenn sie Schritte der Annäherung
leichtsinnig thaten. Denn im Nu schlug er in's Gegentheil um und griff nicht
selten zur Reitpeitsche, um die in's Schwanken gerathenen Standesbegriffe auf
angemessene Art wieder in's Gleichgewicht zu bringen. Auf der andern Seite
war der Herzog trotz seiner colossalen Figur und trotz seines durch und durch
militärischen Bluts, persönlich feige und leicht einzuschüchtern. Man erzählt
hierzu folgendes Beispiel: Bei der Audienz eines höhern Beamten, vermuthlich
durch dessen Widerspruch gereizt, gerieth er einst in die höchste Wuth und
schrie nach den an der Wand hängenden goldenen Pistolen, um den Wider¬
sprechenden niederzuschießen. Der Beamte, schnell gefaßt, nahm ruhig die
Pistolen von der Wand und trug sie, die Mündungen zufällig auf den Her¬
zog gerichtet, diesem hin. Sofort war der Herzog abgekühlt, und unter ängst¬
lichen Rufen: „Die Pistolen weg, hinaus!" zog er sich rückwärts durch die
Thür aus dem Gemach.

Stenzel hat dem Herzoge im „Handbuche"*) zu seinen anderen Mensch¬
lichkeiten auch noch den Trunk vorgeworfen, im „Anhange"**) hat er dieses
auf den Einwand seiner Gegner selbst zurückgenommen. Er erklärt seinen
Irrthum durch ein Mißverstehen der von den Zeitgenossen festgestellten That¬
sache, daß der Herzog in den letzten Jahren beträchtliche Quantitäten Naphta,
jedoch nicht als Reizmittel für den abgestumpften Gaumen, sondern gegen
Umwandelungen von Schwäche, zu sich zu nehmen pflegte. Um gerecht zu sein,
kann hier ein Umstand nicht unerwähnt bleiben, der viel dazu beigetragen
haben muß, daß der bessere Theil des Herzogs je mehr und mehr von Dornen
und Unkraut überwuchert wurde. Er lebte in durchaus unglücklichen häus¬
lichen Verhältnissen, Etwa 2^ Jahr nach seinem Regierungsantritt hatte er
sich mit Caroline Friderike. Tochter des Herzogs August von Nassau-Usingen,
vermählt. Von jeher ein Feind der Frauen, hatten ihn selbst die vortrefflichen
Eigenschaften dieser schönen und edlen Gemahlin, zumal sich niedrige Kabalen
zwischen Beide gestellt hatten***), nicht bekehren können. Die Ehe war kin¬
derlos geblieben, und eine nachmals eingetretene unheilbare Geisteskrankheit
der Fürstin hatte zu einer freiwilligen, nachher, im Jahre 1803, zu einer
förmlichen Scheidung der Ehe geführt. Der Herzog pflegte sich öfters in
herabwürdigender Weise über die Gemahlin zu äußern, so einmal zu einer
nahe stehenden Person: „er sei mit seiner Frau angeführt, man habe ihm das
Jawort in der Trunkenheit abgenommen." Für sein häusliches Leben blieb
ihm, da auch das Verhältniß zu seiner kurz vor ihm verstorbenen Mutter





") S. 46.
Würdig, Anhalt. Volkskai. für 1864, S. 3.
S. 301.
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[0294] Noch einige Charakterzüge des Herzogs dürfen hier nicht verschwiegen bleiben: Er liebte es, ihm ferner stehende Persönlichkeiten durch Zutraulichkeit, sich nahe zu bringen. Wehe ihnen aber, wenn sie Schritte der Annäherung leichtsinnig thaten. Denn im Nu schlug er in's Gegentheil um und griff nicht selten zur Reitpeitsche, um die in's Schwanken gerathenen Standesbegriffe auf angemessene Art wieder in's Gleichgewicht zu bringen. Auf der andern Seite war der Herzog trotz seiner colossalen Figur und trotz seines durch und durch militärischen Bluts, persönlich feige und leicht einzuschüchtern. Man erzählt hierzu folgendes Beispiel: Bei der Audienz eines höhern Beamten, vermuthlich durch dessen Widerspruch gereizt, gerieth er einst in die höchste Wuth und schrie nach den an der Wand hängenden goldenen Pistolen, um den Wider¬ sprechenden niederzuschießen. Der Beamte, schnell gefaßt, nahm ruhig die Pistolen von der Wand und trug sie, die Mündungen zufällig auf den Her¬ zog gerichtet, diesem hin. Sofort war der Herzog abgekühlt, und unter ängst¬ lichen Rufen: „Die Pistolen weg, hinaus!" zog er sich rückwärts durch die Thür aus dem Gemach. Stenzel hat dem Herzoge im „Handbuche"*) zu seinen anderen Mensch¬ lichkeiten auch noch den Trunk vorgeworfen, im „Anhange"**) hat er dieses auf den Einwand seiner Gegner selbst zurückgenommen. Er erklärt seinen Irrthum durch ein Mißverstehen der von den Zeitgenossen festgestellten That¬ sache, daß der Herzog in den letzten Jahren beträchtliche Quantitäten Naphta, jedoch nicht als Reizmittel für den abgestumpften Gaumen, sondern gegen Umwandelungen von Schwäche, zu sich zu nehmen pflegte. Um gerecht zu sein, kann hier ein Umstand nicht unerwähnt bleiben, der viel dazu beigetragen haben muß, daß der bessere Theil des Herzogs je mehr und mehr von Dornen und Unkraut überwuchert wurde. Er lebte in durchaus unglücklichen häus¬ lichen Verhältnissen, Etwa 2^ Jahr nach seinem Regierungsantritt hatte er sich mit Caroline Friderike. Tochter des Herzogs August von Nassau-Usingen, vermählt. Von jeher ein Feind der Frauen, hatten ihn selbst die vortrefflichen Eigenschaften dieser schönen und edlen Gemahlin, zumal sich niedrige Kabalen zwischen Beide gestellt hatten***), nicht bekehren können. Die Ehe war kin¬ derlos geblieben, und eine nachmals eingetretene unheilbare Geisteskrankheit der Fürstin hatte zu einer freiwilligen, nachher, im Jahre 1803, zu einer förmlichen Scheidung der Ehe geführt. Der Herzog pflegte sich öfters in herabwürdigender Weise über die Gemahlin zu äußern, so einmal zu einer nahe stehenden Person: „er sei mit seiner Frau angeführt, man habe ihm das Jawort in der Trunkenheit abgenommen." Für sein häusliches Leben blieb ihm, da auch das Verhältniß zu seiner kurz vor ihm verstorbenen Mutter ") S. 46. Würdig, Anhalt. Volkskai. für 1864, S. 3. S. 301.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/294>, abgerufen am 24.08.2024.