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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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kein herzliches war, Niemand als sein Neffe Ludwig, der am 16. Septbr.
1802 nachgeborene Sohn seines jüngsten, durch einen Unfall auf der Jagd
umgekommenen Bruders Ludwig, von einer Großherzoglich-Hessischen Prinzessin.
Diesen liebte er zärtlich, und einer von den Erziehern desselben, der zu den
späteren öffentlichen Vertheidigern des Herzogs gehört*), versichert zu Ehren
des Herzogs als Familienhaupt und Landesherr, daß er unausgesetzt die Er¬
zieher des jungen Prinzen ermahnt habe, ja nichts zu verabsäumen, wodurch
dieser zu einem recht guten Menschen und Fürsten gebildet werde, und die
Fehler sorgsam zu meiden, die er an seiner eigenen Erziehung zu rügen
habe.

Bisher ist noch nicht eingehender der Stellung gedacht worden, welche
der Herzog zu Napoleon eingenommen hat. Glaubwürdige Nachrichten
liegen vor, daß er im Herzen auch deutschen Regungen zugänglich war.
Einer seiner Vertheidiger, der Pastor Chemnitz in Deez, führt mehrere Be¬
weise an, daß der Herzog mit tiefem Schmerze die Erniedrigung der deutschen
Fürsten durch Napoleon trug. "Herr Pfarrer" frug er Chemnitz einmal, auf
eine große Büste Napoleons in seinem Wohnzimmer deutend: " was halten
Sie von dem da auf dem Tische? Glauben Sie auch, daß ich ihn ehre? O,
es ist ein schreckliches Loos, dem schmeichelnd die Hand noch küssen zu müssen,
der jeden Augenblick fertig ist, uns in den Staub zu treten." Ein ander
Mal hatte er einen Beamten König Jeromes empfangen und zur Tafel bitten
müssen, war aber für seine Person, Unwohlsein vorschützend, von der Tafel
fortgeblieben und speiste allein mit dem Prinzen Ludwig und Chemnitz.
Bittere Reden über Napoleon, seine Dynastie und sein ganzes Thun bil¬
deten das Tischgespräch, und dieses schloß mit den Worten des Herzogs: "in
jetziger Zeit muß man Gott danken, wenn man kein deutscher Fürst, und,
um seine Existenz zu sichern, nicht zu der Erniedrigung gezwungen ist, Glücks¬
rittern huldigen zu müssen."**) Trotz alledem aber hat kein deutscher Fürst
mehr den Anschein erweckt und mehr Grund zu der allgemeinen Annahme
gegeben, als beuge er sich gern unter das französische Joch, als huldige er
dem "Glücksritter" aus inniger Ueberzeugung. "Als der Herzog", theilt
Stenzel in seinem Anhange mit,***) im Jahre 1809 in Leipzig war und die
Nachricht von Napoleons Siegen über die Oesterreicher in Baiern ankam, so
illuminirte er seine Wohnung, daß große Joachimsthal in der Hainstraße,
während weder Leipzigs Bewohner, noch weniger dort befindliche Fremde, ge¬
zwungen wurden oder sich veranlaßt sahen, ihre Freude auf solche Weise an
den Tag zu legen. Da blutete echten Deutschen das Herz!"

Es lag in dem Wesen des Herzogs, sich gern bemerklich zu machen, 1)






-) Erinnerungen S. 39, 40.
") Pastor Chemnitz in Deetz, Erinnerungen S. 36.
I) Erinn. S. 2b.
'") S. 3ö.

kein herzliches war, Niemand als sein Neffe Ludwig, der am 16. Septbr.
1802 nachgeborene Sohn seines jüngsten, durch einen Unfall auf der Jagd
umgekommenen Bruders Ludwig, von einer Großherzoglich-Hessischen Prinzessin.
Diesen liebte er zärtlich, und einer von den Erziehern desselben, der zu den
späteren öffentlichen Vertheidigern des Herzogs gehört*), versichert zu Ehren
des Herzogs als Familienhaupt und Landesherr, daß er unausgesetzt die Er¬
zieher des jungen Prinzen ermahnt habe, ja nichts zu verabsäumen, wodurch
dieser zu einem recht guten Menschen und Fürsten gebildet werde, und die
Fehler sorgsam zu meiden, die er an seiner eigenen Erziehung zu rügen
habe.

Bisher ist noch nicht eingehender der Stellung gedacht worden, welche
der Herzog zu Napoleon eingenommen hat. Glaubwürdige Nachrichten
liegen vor, daß er im Herzen auch deutschen Regungen zugänglich war.
Einer seiner Vertheidiger, der Pastor Chemnitz in Deez, führt mehrere Be¬
weise an, daß der Herzog mit tiefem Schmerze die Erniedrigung der deutschen
Fürsten durch Napoleon trug. „Herr Pfarrer" frug er Chemnitz einmal, auf
eine große Büste Napoleons in seinem Wohnzimmer deutend: „ was halten
Sie von dem da auf dem Tische? Glauben Sie auch, daß ich ihn ehre? O,
es ist ein schreckliches Loos, dem schmeichelnd die Hand noch küssen zu müssen,
der jeden Augenblick fertig ist, uns in den Staub zu treten." Ein ander
Mal hatte er einen Beamten König Jeromes empfangen und zur Tafel bitten
müssen, war aber für seine Person, Unwohlsein vorschützend, von der Tafel
fortgeblieben und speiste allein mit dem Prinzen Ludwig und Chemnitz.
Bittere Reden über Napoleon, seine Dynastie und sein ganzes Thun bil¬
deten das Tischgespräch, und dieses schloß mit den Worten des Herzogs: „in
jetziger Zeit muß man Gott danken, wenn man kein deutscher Fürst, und,
um seine Existenz zu sichern, nicht zu der Erniedrigung gezwungen ist, Glücks¬
rittern huldigen zu müssen."**) Trotz alledem aber hat kein deutscher Fürst
mehr den Anschein erweckt und mehr Grund zu der allgemeinen Annahme
gegeben, als beuge er sich gern unter das französische Joch, als huldige er
dem „Glücksritter" aus inniger Ueberzeugung. „Als der Herzog", theilt
Stenzel in seinem Anhange mit,***) im Jahre 1809 in Leipzig war und die
Nachricht von Napoleons Siegen über die Oesterreicher in Baiern ankam, so
illuminirte er seine Wohnung, daß große Joachimsthal in der Hainstraße,
während weder Leipzigs Bewohner, noch weniger dort befindliche Fremde, ge¬
zwungen wurden oder sich veranlaßt sahen, ihre Freude auf solche Weise an
den Tag zu legen. Da blutete echten Deutschen das Herz!"

Es lag in dem Wesen des Herzogs, sich gern bemerklich zu machen, 1)






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[0295] kein herzliches war, Niemand als sein Neffe Ludwig, der am 16. Septbr. 1802 nachgeborene Sohn seines jüngsten, durch einen Unfall auf der Jagd umgekommenen Bruders Ludwig, von einer Großherzoglich-Hessischen Prinzessin. Diesen liebte er zärtlich, und einer von den Erziehern desselben, der zu den späteren öffentlichen Vertheidigern des Herzogs gehört*), versichert zu Ehren des Herzogs als Familienhaupt und Landesherr, daß er unausgesetzt die Er¬ zieher des jungen Prinzen ermahnt habe, ja nichts zu verabsäumen, wodurch dieser zu einem recht guten Menschen und Fürsten gebildet werde, und die Fehler sorgsam zu meiden, die er an seiner eigenen Erziehung zu rügen habe. Bisher ist noch nicht eingehender der Stellung gedacht worden, welche der Herzog zu Napoleon eingenommen hat. Glaubwürdige Nachrichten liegen vor, daß er im Herzen auch deutschen Regungen zugänglich war. Einer seiner Vertheidiger, der Pastor Chemnitz in Deez, führt mehrere Be¬ weise an, daß der Herzog mit tiefem Schmerze die Erniedrigung der deutschen Fürsten durch Napoleon trug. „Herr Pfarrer" frug er Chemnitz einmal, auf eine große Büste Napoleons in seinem Wohnzimmer deutend: „ was halten Sie von dem da auf dem Tische? Glauben Sie auch, daß ich ihn ehre? O, es ist ein schreckliches Loos, dem schmeichelnd die Hand noch küssen zu müssen, der jeden Augenblick fertig ist, uns in den Staub zu treten." Ein ander Mal hatte er einen Beamten König Jeromes empfangen und zur Tafel bitten müssen, war aber für seine Person, Unwohlsein vorschützend, von der Tafel fortgeblieben und speiste allein mit dem Prinzen Ludwig und Chemnitz. Bittere Reden über Napoleon, seine Dynastie und sein ganzes Thun bil¬ deten das Tischgespräch, und dieses schloß mit den Worten des Herzogs: „in jetziger Zeit muß man Gott danken, wenn man kein deutscher Fürst, und, um seine Existenz zu sichern, nicht zu der Erniedrigung gezwungen ist, Glücks¬ rittern huldigen zu müssen."**) Trotz alledem aber hat kein deutscher Fürst mehr den Anschein erweckt und mehr Grund zu der allgemeinen Annahme gegeben, als beuge er sich gern unter das französische Joch, als huldige er dem „Glücksritter" aus inniger Ueberzeugung. „Als der Herzog", theilt Stenzel in seinem Anhange mit,***) im Jahre 1809 in Leipzig war und die Nachricht von Napoleons Siegen über die Oesterreicher in Baiern ankam, so illuminirte er seine Wohnung, daß große Joachimsthal in der Hainstraße, während weder Leipzigs Bewohner, noch weniger dort befindliche Fremde, ge¬ zwungen wurden oder sich veranlaßt sahen, ihre Freude auf solche Weise an den Tag zu legen. Da blutete echten Deutschen das Herz!" Es lag in dem Wesen des Herzogs, sich gern bemerklich zu machen, 1) -) Erinnerungen S. 39, 40. ") Pastor Chemnitz in Deetz, Erinnerungen S. 36. I) Erinn. S. 2b. '") S. 3ö.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/295>, abgerufen am 24.08.2024.