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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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clere zum Einexerciren der conscribirten Mannschaften in das Land gekommen,
Andere hatte der Herzog zufällig auf der Jagd kennen gelernt. Einer von
den Erstern, ein gewisser L., der nachher zum Hauptmann avancirte und nach
des Herzogs Tode mit einer Abfindung in's Preußische zurückgegangen ist,
wie fast die ganze höhere und niedere Dienerschaft, trieb für seine Rechnung
einen ganz einträglichen Handel mit Militär - Abschieden, *) einem damals be¬
sonders seltenen und kostspieligen Artikel. Andere labten sich, wie man sagt,
an dem Klänge reichlicher Goldstücke bei neuen herrschaftlichen Verpachtungen.
Ein anderer, auch längst verschollener Günstling, der schon genannte M.,
wußte sich den Adel und die Stellung eines Hausmarschalls zu verschaffen.
Seinem Bruder verschaffte er die Stelle eines Districts - Einnehmers, obschon
die Stände ihn unverhohlen bedeutender Unterschlagungen und nichtswürdiger
Bedrückung der steuerzahlenden anklagten, und der Herzog selbst bestellte mit
seinem Worte die von ihm verlangte Caution. Ein dritter, H,, ein Fleischer
aus Wulfen, nachmals in hoher Stellung verstorben, viel geprügelt und viel
geliebt, war dem Herzoge so sehr an's Herz gewachsen, daß ihm derselbe, als
er bei einem Krankheitsanfalle den Tod nahe glaubte, weinend zurief: "mein
lieber Heinrich, nun muß ich von Dir scheiden!" Und -- die Anekdote scheint
wohl der Erwähnung werth derselbe Günstling bekam auch sein eigen¬
thümliches Denkmal bei den legislatorischen Schöpfungen seines fürstlichen
Gönners. Der Günstling pflegte die Redensart im Munde zu führen: "uff
alle Fälle!" Eines Tages war der Herzog mit der Durchsicht des neu ent¬
worfenen Conscriptionsgesetzes beschäftigt. Er fand, daß es an den im Gesetz¬
entwurf bestimmten Strafen für Desertion, nämlich Tod, Kugelschleppen und
Zwangsarbeit, nicht genug sei, und äußerte gegen den Günstling: "Heinrich,
hier müssen wir noch eine Strafe haben." ,.Uff alle Fälle!" lautete die geist¬
reiche Antwort. "Richtig", sagte der Herzog, "Du weißt doch Alles!" Und
heute noch kann man in dem Conscriptionsgesetz vom 3. Mai 1811 im VI.
Titel (Bd. 1. S. 169 der Cöthenschen Gesetzsammlung) lesen: "Die Strafen
der Deserteurs bestimmen Wir, wie folgt: 1. der Tod, 2. das Kugelnach-
schleppcn, 3. öffentliche Zwangsarbeiten. 4. die Strafe für alle Fälle."

Von den hier einschlagenden Anekdoten mag nur eine Thatsache noch an¬
geführt werden, die ein Streiflicht auf die Unverschämtheit der Umgebung des
Herzogs in einem andern, wenn auch verwandten, Gebiete wirft. Ein verein¬
zelter Ausgabeposten aus einer Jahresrechnung der Herzog!. Hofhaltung lautet:
"für Petersilie 100 Thlr.", ein Ansatz, den man trotz der verschwenderischsten
Hofhaltung nicht genug bewundern kann, wenn man in Anschlag bringt, daß
dem Hofe ein halbes Dutzend Schloßgärten zur Bestreitung der Petersilien¬
bedürfnisse zur Verfügung stand. --



*) Stenzel Anhang S. 4S.

clere zum Einexerciren der conscribirten Mannschaften in das Land gekommen,
Andere hatte der Herzog zufällig auf der Jagd kennen gelernt. Einer von
den Erstern, ein gewisser L., der nachher zum Hauptmann avancirte und nach
des Herzogs Tode mit einer Abfindung in's Preußische zurückgegangen ist,
wie fast die ganze höhere und niedere Dienerschaft, trieb für seine Rechnung
einen ganz einträglichen Handel mit Militär - Abschieden, *) einem damals be¬
sonders seltenen und kostspieligen Artikel. Andere labten sich, wie man sagt,
an dem Klänge reichlicher Goldstücke bei neuen herrschaftlichen Verpachtungen.
Ein anderer, auch längst verschollener Günstling, der schon genannte M.,
wußte sich den Adel und die Stellung eines Hausmarschalls zu verschaffen.
Seinem Bruder verschaffte er die Stelle eines Districts - Einnehmers, obschon
die Stände ihn unverhohlen bedeutender Unterschlagungen und nichtswürdiger
Bedrückung der steuerzahlenden anklagten, und der Herzog selbst bestellte mit
seinem Worte die von ihm verlangte Caution. Ein dritter, H,, ein Fleischer
aus Wulfen, nachmals in hoher Stellung verstorben, viel geprügelt und viel
geliebt, war dem Herzoge so sehr an's Herz gewachsen, daß ihm derselbe, als
er bei einem Krankheitsanfalle den Tod nahe glaubte, weinend zurief: „mein
lieber Heinrich, nun muß ich von Dir scheiden!" Und — die Anekdote scheint
wohl der Erwähnung werth derselbe Günstling bekam auch sein eigen¬
thümliches Denkmal bei den legislatorischen Schöpfungen seines fürstlichen
Gönners. Der Günstling pflegte die Redensart im Munde zu führen: „uff
alle Fälle!" Eines Tages war der Herzog mit der Durchsicht des neu ent¬
worfenen Conscriptionsgesetzes beschäftigt. Er fand, daß es an den im Gesetz¬
entwurf bestimmten Strafen für Desertion, nämlich Tod, Kugelschleppen und
Zwangsarbeit, nicht genug sei, und äußerte gegen den Günstling: „Heinrich,
hier müssen wir noch eine Strafe haben." ,.Uff alle Fälle!" lautete die geist¬
reiche Antwort. „Richtig", sagte der Herzog, „Du weißt doch Alles!" Und
heute noch kann man in dem Conscriptionsgesetz vom 3. Mai 1811 im VI.
Titel (Bd. 1. S. 169 der Cöthenschen Gesetzsammlung) lesen: „Die Strafen
der Deserteurs bestimmen Wir, wie folgt: 1. der Tod, 2. das Kugelnach-
schleppcn, 3. öffentliche Zwangsarbeiten. 4. die Strafe für alle Fälle."

Von den hier einschlagenden Anekdoten mag nur eine Thatsache noch an¬
geführt werden, die ein Streiflicht auf die Unverschämtheit der Umgebung des
Herzogs in einem andern, wenn auch verwandten, Gebiete wirft. Ein verein¬
zelter Ausgabeposten aus einer Jahresrechnung der Herzog!. Hofhaltung lautet:
„für Petersilie 100 Thlr.", ein Ansatz, den man trotz der verschwenderischsten
Hofhaltung nicht genug bewundern kann, wenn man in Anschlag bringt, daß
dem Hofe ein halbes Dutzend Schloßgärten zur Bestreitung der Petersilien¬
bedürfnisse zur Verfügung stand. —



*) Stenzel Anhang S. 4S.
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[0293] clere zum Einexerciren der conscribirten Mannschaften in das Land gekommen, Andere hatte der Herzog zufällig auf der Jagd kennen gelernt. Einer von den Erstern, ein gewisser L., der nachher zum Hauptmann avancirte und nach des Herzogs Tode mit einer Abfindung in's Preußische zurückgegangen ist, wie fast die ganze höhere und niedere Dienerschaft, trieb für seine Rechnung einen ganz einträglichen Handel mit Militär - Abschieden, *) einem damals be¬ sonders seltenen und kostspieligen Artikel. Andere labten sich, wie man sagt, an dem Klänge reichlicher Goldstücke bei neuen herrschaftlichen Verpachtungen. Ein anderer, auch längst verschollener Günstling, der schon genannte M., wußte sich den Adel und die Stellung eines Hausmarschalls zu verschaffen. Seinem Bruder verschaffte er die Stelle eines Districts - Einnehmers, obschon die Stände ihn unverhohlen bedeutender Unterschlagungen und nichtswürdiger Bedrückung der steuerzahlenden anklagten, und der Herzog selbst bestellte mit seinem Worte die von ihm verlangte Caution. Ein dritter, H,, ein Fleischer aus Wulfen, nachmals in hoher Stellung verstorben, viel geprügelt und viel geliebt, war dem Herzoge so sehr an's Herz gewachsen, daß ihm derselbe, als er bei einem Krankheitsanfalle den Tod nahe glaubte, weinend zurief: „mein lieber Heinrich, nun muß ich von Dir scheiden!" Und — die Anekdote scheint wohl der Erwähnung werth derselbe Günstling bekam auch sein eigen¬ thümliches Denkmal bei den legislatorischen Schöpfungen seines fürstlichen Gönners. Der Günstling pflegte die Redensart im Munde zu führen: „uff alle Fälle!" Eines Tages war der Herzog mit der Durchsicht des neu ent¬ worfenen Conscriptionsgesetzes beschäftigt. Er fand, daß es an den im Gesetz¬ entwurf bestimmten Strafen für Desertion, nämlich Tod, Kugelschleppen und Zwangsarbeit, nicht genug sei, und äußerte gegen den Günstling: „Heinrich, hier müssen wir noch eine Strafe haben." ,.Uff alle Fälle!" lautete die geist¬ reiche Antwort. „Richtig", sagte der Herzog, „Du weißt doch Alles!" Und heute noch kann man in dem Conscriptionsgesetz vom 3. Mai 1811 im VI. Titel (Bd. 1. S. 169 der Cöthenschen Gesetzsammlung) lesen: „Die Strafen der Deserteurs bestimmen Wir, wie folgt: 1. der Tod, 2. das Kugelnach- schleppcn, 3. öffentliche Zwangsarbeiten. 4. die Strafe für alle Fälle." Von den hier einschlagenden Anekdoten mag nur eine Thatsache noch an¬ geführt werden, die ein Streiflicht auf die Unverschämtheit der Umgebung des Herzogs in einem andern, wenn auch verwandten, Gebiete wirft. Ein verein¬ zelter Ausgabeposten aus einer Jahresrechnung der Herzog!. Hofhaltung lautet: „für Petersilie 100 Thlr.", ein Ansatz, den man trotz der verschwenderischsten Hofhaltung nicht genug bewundern kann, wenn man in Anschlag bringt, daß dem Hofe ein halbes Dutzend Schloßgärten zur Bestreitung der Petersilien¬ bedürfnisse zur Verfügung stand. — *) Stenzel Anhang S. 4S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/293>, abgerufen am 24.08.2024.