Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.zu geben wäre. Es ist Grund zu vermuthen, daß Bennigsen für den Anfang In Hannover konnten seine Aussichten auf politischen Erfolg dadurch zu geben wäre. Es ist Grund zu vermuthen, daß Bennigsen für den Anfang In Hannover konnten seine Aussichten auf politischen Erfolg dadurch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129010"/> <p xml:id="ID_33" prev="#ID_32"> zu geben wäre. Es ist Grund zu vermuthen, daß Bennigsen für den Anfang<lb/> eine etwas weniger demokratische Form als den Nationalverein gewünscht<lb/> hätte. Dieser war vielmehr Schulze's Idee. Sie wurde in Frankfurt durch¬<lb/> gesetzt, wo weitere süddeutsche Politiker, namentlich auch Bayern und Schwaben<lb/> sich einstellten, während das Gros der preußischen Liberalen unter Georg von<lb/> Vincke ebenso wie einzelne demokratische Größen gleich Waldeck, vollends aber<lb/> die Masse der liberalen Großdeutschen im Süden dem Sammelplatze fernblieb.<lb/> Eine Form, welche die Action mehr auf Notable beschränkt hätte, würde'<lb/> nicht allein Männern, wie G. von Vincke, Mathy, Hauffer u. f. f., vielleicht<lb/> auch Waldeck, trotz seines Demokratismus, leichter noch nachträglich herange¬<lb/> zogen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch vertrauenerweckender auf die<lb/> damalige altliberale Regierung in Berlin gewirkt haben, die im Nationalverein<lb/> am Ende nur die zweite Auflage der heterogenen Majorität erblicken mochte,<lb/> welche einst in der Paulsktrche die Reichsverfassung entschieden hatte. In¬<lb/> dessen, wenn Bennigsen auch, soweit sich urtheilen läßt, eine etwas gemessene<lb/> Art der Agitation gewünscht hätte, so sah er doch in der Bevorzugung der<lb/> wirklich Gewählten auf den Standpunkt, den die patriotische liberale Opposition<lb/> damals überall noch einnahm, begreiflicher Weise keinen Grund, sich von einem<lb/> so ernsthaft und hoffnungsvoll, so mit dem Gefühl unwiderstehlicher, geschicht¬<lb/> licher Nothwendigkeit unternommenen Werke eigensinnig zurückzuziehen. Man<lb/> erkannte seine ausgezeichnete persönliche Tüchtigkeit an, indem man ihn zum<lb/> Präsidenten des Nationalvereins erwählte.</p><lb/> <p xml:id="ID_34" next="#ID_35"> In Hannover konnten seine Aussichten auf politischen Erfolg dadurch<lb/> selbstverständlich nicht verbessert werden. Der König sah den bloßen unge¬<lb/> horsamen Unterthan sich nun in einen Hochverräther an der Souveränetät<lb/> seiner Krone verwandeln, der ihm obendrein nicht einmal den Gefallen that,<lb/> sich straffällig oder auch nur anklagbar zu machen; die Bevölkerung fiel nur<lb/> in den ' großen Städten und einzelnen unabhängiger gearteten ländlichen<lb/> Strichen dem nationalen Programm des liberalen Führers zu. Hätte dieser<lb/> sich in den Schranken seiner hannoverschen Aufgabe halten können, so würde<lb/> nach einigen Jahren der öffentliche Unmuth über der Borries'sche Miswirth-<lb/> schaft in Verbindung mit den unaufhörlichen Finanznöthen des Hofes ihn<lb/> wohl hoch genug emporgetragen haben, daß der König den Entschluß hätte<lb/> fassen müssen, ihn in seinen Rath zu berufen, um dasjenige zu opfern, was<lb/> sich nicht dauernd festhalten ließ. Diese heimathstaatliche Zukunft schnitt<lb/> Bennigsen sich ab, indem er an die Spitze des revolutionären Vereins trat,<lb/> der die Kaiserkrone wieder über alle Kronen und Krönlein in Deutschland<lb/> erhöhen wollte. Er widmete sich dem Reiche, lange bevor es wirklich wieder<lb/> hergestellt war. Diese Kühnheit und Selbstbescheidung — denn es war beides<lb/> gleichzeitig — eines zu hohen Ansprüchen berechtigten Ehrgeizes wird sicher</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
zu geben wäre. Es ist Grund zu vermuthen, daß Bennigsen für den Anfang
eine etwas weniger demokratische Form als den Nationalverein gewünscht
hätte. Dieser war vielmehr Schulze's Idee. Sie wurde in Frankfurt durch¬
gesetzt, wo weitere süddeutsche Politiker, namentlich auch Bayern und Schwaben
sich einstellten, während das Gros der preußischen Liberalen unter Georg von
Vincke ebenso wie einzelne demokratische Größen gleich Waldeck, vollends aber
die Masse der liberalen Großdeutschen im Süden dem Sammelplatze fernblieb.
Eine Form, welche die Action mehr auf Notable beschränkt hätte, würde'
nicht allein Männern, wie G. von Vincke, Mathy, Hauffer u. f. f., vielleicht
auch Waldeck, trotz seines Demokratismus, leichter noch nachträglich herange¬
zogen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch vertrauenerweckender auf die
damalige altliberale Regierung in Berlin gewirkt haben, die im Nationalverein
am Ende nur die zweite Auflage der heterogenen Majorität erblicken mochte,
welche einst in der Paulsktrche die Reichsverfassung entschieden hatte. In¬
dessen, wenn Bennigsen auch, soweit sich urtheilen läßt, eine etwas gemessene
Art der Agitation gewünscht hätte, so sah er doch in der Bevorzugung der
wirklich Gewählten auf den Standpunkt, den die patriotische liberale Opposition
damals überall noch einnahm, begreiflicher Weise keinen Grund, sich von einem
so ernsthaft und hoffnungsvoll, so mit dem Gefühl unwiderstehlicher, geschicht¬
licher Nothwendigkeit unternommenen Werke eigensinnig zurückzuziehen. Man
erkannte seine ausgezeichnete persönliche Tüchtigkeit an, indem man ihn zum
Präsidenten des Nationalvereins erwählte.
In Hannover konnten seine Aussichten auf politischen Erfolg dadurch
selbstverständlich nicht verbessert werden. Der König sah den bloßen unge¬
horsamen Unterthan sich nun in einen Hochverräther an der Souveränetät
seiner Krone verwandeln, der ihm obendrein nicht einmal den Gefallen that,
sich straffällig oder auch nur anklagbar zu machen; die Bevölkerung fiel nur
in den ' großen Städten und einzelnen unabhängiger gearteten ländlichen
Strichen dem nationalen Programm des liberalen Führers zu. Hätte dieser
sich in den Schranken seiner hannoverschen Aufgabe halten können, so würde
nach einigen Jahren der öffentliche Unmuth über der Borries'sche Miswirth-
schaft in Verbindung mit den unaufhörlichen Finanznöthen des Hofes ihn
wohl hoch genug emporgetragen haben, daß der König den Entschluß hätte
fassen müssen, ihn in seinen Rath zu berufen, um dasjenige zu opfern, was
sich nicht dauernd festhalten ließ. Diese heimathstaatliche Zukunft schnitt
Bennigsen sich ab, indem er an die Spitze des revolutionären Vereins trat,
der die Kaiserkrone wieder über alle Kronen und Krönlein in Deutschland
erhöhen wollte. Er widmete sich dem Reiche, lange bevor es wirklich wieder
hergestellt war. Diese Kühnheit und Selbstbescheidung — denn es war beides
gleichzeitig — eines zu hohen Ansprüchen berechtigten Ehrgeizes wird sicher
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