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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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liebsten Landestheilen, der junge volksfreundliche Edelmann, eine schlanke,
vornehme, aristokratische Gestalt, ebenso straff zusammengefaßt wie sein Gegner
schlotterig, ihm an Bildung, Geist und weltmännischen Wesen unendlich über¬
legen, den äußeren Machtmitteln desselben das Bewußtsein seiner ohne Ver¬
gleich edleren und reineren Sache zuversichtlich entgegensetzend. Wie hier Frei¬
heit und Gerechtigkeit gegen selbstsüchtige Tyrannei zu Felde lag, hätte es
nur eines etwas geräumigeren Schauplatzes oder der zufälligen Gegenwart
einer dichterischen Kraft vom Schlage Uhland's oder Beranger's bedurft, um
das Gedächtniß dieses rühmlichen Kampfes der Nachwelt für immer lebendig
zu erhalten. Bennigsen war bald die Bewunderung seiner Parteigenossen
nicht nur, sondern des ganzen Landes durch die meisterhafte Art, wie er seine
Waffen handhabte. Tag für Tag beinahe griff er den zähen kleinen Mann
an der anderen Seite des Ganges an, stets mindestens ebenso gründlich vor¬
bereitet durch seine eigene Umsicht und Thätigkeit, wie dieser mit Hülfe seines
Generalstabes erfahrener alter Ministerialräthe und ehrgeiziger jüngerer Hilfs¬
arbeiter, und stets so scharf wie er treffen konnte, ohne sich gegen den wach¬
sam lauernden Präsidenten, den dienstfertigen Untergebenen seines Gegners,
eine Blöße zu geben. Wer ihn damals reden hörte, der mußte denken, Ben-
nigsen's eigentliche Stärke sei die Invective. Nicht umsonst, schien es, war
er Staatsanwalt gewesen. Die Ministerialbank an der Spitze des Centrums
wurde für Herrn v. Borries zu einer wahren Anklagebank, obwohl die Ge¬
schworenen und die Richter im Saale selbst für den Augenblick leider fehlten.

Die praktischen Erfolge konnten unter den einmal gegebenen Umständen
natürlich nur höchst bescheiden sein. Sie ergaben sich daraus, daß eine so
einschneidende und immer bereite, geistig überlegene Kritik allen Regierungs¬
maßregeln in einer Zeit, die sich die Oeffentlichkeit der parlamentarischen Ver¬
handlungen nicht mehr verkümmern ließ, denn doch selbst auf einen Hof wie
den hannoverschen nicht umhin konnte, einigermaßen zügelnd zu wirken.
Man machte daher nothgedrungen im einzelnen kleine Zugeständnisse, und bei
den unverschämtesten Forderungen gerieth sogar die servile Majorität des
Herrn v. Borries ein oder das andere Mal in ein tugendhaftes Schwanken.
Weit größer und wichtiger war die moralische Wirkung. An Bennigsen's
gelassener Zuversicht und Tapferkeit rankte sich der gesunkene Muth des han^
noverschcn Liberalismus wieder in die Höhe. Wesentlich ihm gebührt das
Verdienst, wenn schon von dem Umschwung in Preußen -- Herbst 1858 --
in Hannover die liberale Action von neuem zu steigen ansingen, und dem¬
zufolge dieses Land nachher zu den kämpfenden Heerhaufen des volkswirt¬
schaftlichen Congresses und des Nationalvereins ein verhältnißmäßig so be¬
deutendes Contingent stellte.

Vor Allen stellte es freilich ihn selbst. Gleich anderen Politikern, welche


liebsten Landestheilen, der junge volksfreundliche Edelmann, eine schlanke,
vornehme, aristokratische Gestalt, ebenso straff zusammengefaßt wie sein Gegner
schlotterig, ihm an Bildung, Geist und weltmännischen Wesen unendlich über¬
legen, den äußeren Machtmitteln desselben das Bewußtsein seiner ohne Ver¬
gleich edleren und reineren Sache zuversichtlich entgegensetzend. Wie hier Frei¬
heit und Gerechtigkeit gegen selbstsüchtige Tyrannei zu Felde lag, hätte es
nur eines etwas geräumigeren Schauplatzes oder der zufälligen Gegenwart
einer dichterischen Kraft vom Schlage Uhland's oder Beranger's bedurft, um
das Gedächtniß dieses rühmlichen Kampfes der Nachwelt für immer lebendig
zu erhalten. Bennigsen war bald die Bewunderung seiner Parteigenossen
nicht nur, sondern des ganzen Landes durch die meisterhafte Art, wie er seine
Waffen handhabte. Tag für Tag beinahe griff er den zähen kleinen Mann
an der anderen Seite des Ganges an, stets mindestens ebenso gründlich vor¬
bereitet durch seine eigene Umsicht und Thätigkeit, wie dieser mit Hülfe seines
Generalstabes erfahrener alter Ministerialräthe und ehrgeiziger jüngerer Hilfs¬
arbeiter, und stets so scharf wie er treffen konnte, ohne sich gegen den wach¬
sam lauernden Präsidenten, den dienstfertigen Untergebenen seines Gegners,
eine Blöße zu geben. Wer ihn damals reden hörte, der mußte denken, Ben-
nigsen's eigentliche Stärke sei die Invective. Nicht umsonst, schien es, war
er Staatsanwalt gewesen. Die Ministerialbank an der Spitze des Centrums
wurde für Herrn v. Borries zu einer wahren Anklagebank, obwohl die Ge¬
schworenen und die Richter im Saale selbst für den Augenblick leider fehlten.

Die praktischen Erfolge konnten unter den einmal gegebenen Umständen
natürlich nur höchst bescheiden sein. Sie ergaben sich daraus, daß eine so
einschneidende und immer bereite, geistig überlegene Kritik allen Regierungs¬
maßregeln in einer Zeit, die sich die Oeffentlichkeit der parlamentarischen Ver¬
handlungen nicht mehr verkümmern ließ, denn doch selbst auf einen Hof wie
den hannoverschen nicht umhin konnte, einigermaßen zügelnd zu wirken.
Man machte daher nothgedrungen im einzelnen kleine Zugeständnisse, und bei
den unverschämtesten Forderungen gerieth sogar die servile Majorität des
Herrn v. Borries ein oder das andere Mal in ein tugendhaftes Schwanken.
Weit größer und wichtiger war die moralische Wirkung. An Bennigsen's
gelassener Zuversicht und Tapferkeit rankte sich der gesunkene Muth des han^
noverschcn Liberalismus wieder in die Höhe. Wesentlich ihm gebührt das
Verdienst, wenn schon von dem Umschwung in Preußen — Herbst 1858 —
in Hannover die liberale Action von neuem zu steigen ansingen, und dem¬
zufolge dieses Land nachher zu den kämpfenden Heerhaufen des volkswirt¬
schaftlichen Congresses und des Nationalvereins ein verhältnißmäßig so be¬
deutendes Contingent stellte.

Vor Allen stellte es freilich ihn selbst. Gleich anderen Politikern, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/16>, abgerufen am 02.10.2024.