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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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ist diese starke Seite der Bismarck'schen Staatskunst in höherem Maaße zur
Geltung gekommen, als in ihrer Politik gegen die Kurie. Noch nicht zwei
Jahre sind vergangen, seitdem das Deutsche Staatsoberhaupt dem Papste
die Annahme der deutschen Kaiserkrone in einem ebenso ehrfurchtsvollen und be¬
bescheidenen als wohlmeinenden Handschreiben mittheilte, das damals freund¬
liche Worte des Segens aus dem Vatican als Antwort hervorrief. Seit diesen
Tagen hat die deutsche Politik in allen ihren directen Verhandlungen mit dem heil.
Stuhl denselben Geist freundlichen Entgegenkommens und versöhnlicher Milde
gezeigt. Aber wie sind diese Versuche der Verständigung und Annäherung in
Rom aufgenommen worden! Wir erinnern hier nur an die Acte schroffster
UnHöflichkeit und Feindseligkeit der Kurie: Die Ernennung des Cardinals
Hohenlohe zum deutschen Botschafter in Rom ist vom Papst zurückgewiesen
worden; zweimal hatderheil. Vater in öffentlichen Anreden den Zorn Gottes über
das deutsche Reich und seine Regierung herabgefleht; überall empfangen die
geistlichen Rebellen wieder Kaiser und Reich ermunternden Beistand und aposto¬
lische Segen spenden aus Rom; bis zur Benediction des verworfensten bairischen
Jesuitenblattes, das in dem schmählichen Bankbruch der Dachauer Banken
der Mitschuldige der Betrüger gewesen, hat sich die Kurie erniedrigt.

Ueberall in der Welt, wo Glaube und Religion, Moral und Sitte
noch geachtet werden, hat dieses Verhalten der Kurie die tiefste Entrüstung
erregt. Nichts mehr ist übrig von jener sprüchwörtlichen Feinheit und ma߬
vollen Ruhe in der Haltung des Kirchenoberhauptes, welche die größten Päpste
den ungestümen Angriffen unsrer Franken- und Staufenkaiser gegen¬
über auszeichnete. Heut hat sich das Verhältniß von Grund aus verwandelt.
Nur ein Wort schwebt auf Aller Zungen bei dem heutigen Gebühren des
Papstthums: daß Gott den mit Blindheit schlägt, den er verderben will.

Aber mit größter Einmütigkeit ist die katholische Hierarchie in dem
übermüthig heraufbeschworenen Kampfe mit dem Deutschen Reiche auf die
Seite der Kurie getreten. Diejenigen deutschen Bischöfe, die auf dem Vatica-
num und später noch die Folgen der Annahme des Dogmas von der Unfehl¬
barkeit, vor Allem den schweren Gewissenszwang gegen die Kirchengenossen
und die unheilvollen Verwickelungen mit der modernen Staatsgewalt nicht
düster genug schildern konnten: stehen heute an der Spitze der unduldsamsten
Jnsallibilisten, verfolgen mit Absetzung und Kirchenbann Andersdenkende,
vereinigen sich in nachhaltiger Rebellion gegen den Staat und seine Gebote
und beweisen in ihren Hirtenbriefen und Denkschriften aufs Neue die vollendete
Kunst der Entstellung und Lüge, die dem Jesuitismus eigen ist.

Schrittweise und mit immer steigender Energie ist der Kampf geführt worden,
den Deutschland, herausgefordert und nothgedrungen, gegen diese Feinde aufgenom¬
men hat. Das Reich als solches hat bisher nur einen Streich geführt, einen


ist diese starke Seite der Bismarck'schen Staatskunst in höherem Maaße zur
Geltung gekommen, als in ihrer Politik gegen die Kurie. Noch nicht zwei
Jahre sind vergangen, seitdem das Deutsche Staatsoberhaupt dem Papste
die Annahme der deutschen Kaiserkrone in einem ebenso ehrfurchtsvollen und be¬
bescheidenen als wohlmeinenden Handschreiben mittheilte, das damals freund¬
liche Worte des Segens aus dem Vatican als Antwort hervorrief. Seit diesen
Tagen hat die deutsche Politik in allen ihren directen Verhandlungen mit dem heil.
Stuhl denselben Geist freundlichen Entgegenkommens und versöhnlicher Milde
gezeigt. Aber wie sind diese Versuche der Verständigung und Annäherung in
Rom aufgenommen worden! Wir erinnern hier nur an die Acte schroffster
UnHöflichkeit und Feindseligkeit der Kurie: Die Ernennung des Cardinals
Hohenlohe zum deutschen Botschafter in Rom ist vom Papst zurückgewiesen
worden; zweimal hatderheil. Vater in öffentlichen Anreden den Zorn Gottes über
das deutsche Reich und seine Regierung herabgefleht; überall empfangen die
geistlichen Rebellen wieder Kaiser und Reich ermunternden Beistand und aposto¬
lische Segen spenden aus Rom; bis zur Benediction des verworfensten bairischen
Jesuitenblattes, das in dem schmählichen Bankbruch der Dachauer Banken
der Mitschuldige der Betrüger gewesen, hat sich die Kurie erniedrigt.

Ueberall in der Welt, wo Glaube und Religion, Moral und Sitte
noch geachtet werden, hat dieses Verhalten der Kurie die tiefste Entrüstung
erregt. Nichts mehr ist übrig von jener sprüchwörtlichen Feinheit und ma߬
vollen Ruhe in der Haltung des Kirchenoberhauptes, welche die größten Päpste
den ungestümen Angriffen unsrer Franken- und Staufenkaiser gegen¬
über auszeichnete. Heut hat sich das Verhältniß von Grund aus verwandelt.
Nur ein Wort schwebt auf Aller Zungen bei dem heutigen Gebühren des
Papstthums: daß Gott den mit Blindheit schlägt, den er verderben will.

Aber mit größter Einmütigkeit ist die katholische Hierarchie in dem
übermüthig heraufbeschworenen Kampfe mit dem Deutschen Reiche auf die
Seite der Kurie getreten. Diejenigen deutschen Bischöfe, die auf dem Vatica-
num und später noch die Folgen der Annahme des Dogmas von der Unfehl¬
barkeit, vor Allem den schweren Gewissenszwang gegen die Kirchengenossen
und die unheilvollen Verwickelungen mit der modernen Staatsgewalt nicht
düster genug schildern konnten: stehen heute an der Spitze der unduldsamsten
Jnsallibilisten, verfolgen mit Absetzung und Kirchenbann Andersdenkende,
vereinigen sich in nachhaltiger Rebellion gegen den Staat und seine Gebote
und beweisen in ihren Hirtenbriefen und Denkschriften aufs Neue die vollendete
Kunst der Entstellung und Lüge, die dem Jesuitismus eigen ist.

Schrittweise und mit immer steigender Energie ist der Kampf geführt worden,
den Deutschland, herausgefordert und nothgedrungen, gegen diese Feinde aufgenom¬
men hat. Das Reich als solches hat bisher nur einen Streich geführt, einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/11>, abgerufen am 02.10.2024.