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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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büße erwirkt und dadurchdie Abkürzung unserer Occupcition ermöglicht, durch densel¬
ben Vertrag aber in bedeutsamer Weise beigetragen zur Befestigung der Regierung
des gegenwärtigen französischen Staatsoberhauptes. Alle unparteiischen und na¬
mentlich alle unserer Reichsregierung nahe stehenden deutschen Organe haben
damals und seither die Erstarkung der französischen Staatsmacht in jeder der
zahlreichen Krisen, welche der Parteigeist in Versailles erzeugte, vorurtheilslos
beglückwünscht. Maßvoll und in den Grenzen des Völkerrechtes ist Deutsch¬
land auch geblieben bei jenen ersten Proben der großen Revanche, die begannen
mit den Freisprechungen französischer Mörder deutscher Soldaten durch fran¬
zösische Geschworne. Keine deutsche Ausschreitung hat diesen und ähnlichen
Orgien des französischen Nationalhasses, an welchen sich die Organe der
französischen Regierung vorweg betheiligten, geantwortet. Nur die Klage
hatten wir mit der ganzen gesitteten Welt gemein, daß tiefer ein Volk nicht
sinken könne, als wenn es seine Justiz dienstbar mache den Leidenschaften des
Pöbels, -- Der von Herrn Thiers angestrebte Rückfall Frankreichs in die
Schutzzollpolitik früherer Jahrzehnte ist für uns noch nicht praktisch geworden
und dürfte in Deutschland geschickteren Unterhändlern begegnen, als England
in demselben Falle aufzubringen im Stande war. -- Deutscher Einfluß hat
in Rumänien zu Gunsten aller betheiligten Gläubiger den ehrlichen Absichten
des dortigen Fürsten gegen die Rechtlosigkeit der autochthonen Volksver¬
treter und Minister zum Siege verholfen. -- In erfreulichster Weise wendet
sich die Sympathie und Achtung aller nationalen und vorwärtsstrebender
Geister in Italien und der Schweiz dem deutschen Reiche zu. Wir danken
diese aufmerksame und freudige Zustimmung vor Allem dem einzigen Kampfe,
den das deutsche Reich in dem vergangenen Jahre mit seiner ganzen Macht
begonnen und fortgeführt hat, und den auch wir Deutsche als das bei
weitem wichtigste Jahresereigniß unserer äußeren und inneren Politik be¬
trachten dürfen: dem Kampf Deutschlands gegen die römische Kurle und ihre
Verbündeten, die Jesuiten und Ultramontanen. Solche Zeugnisse, wie die
bekannte begeisterte Zustimmungsadresse der englischen Notabilitäten an unsern
Fürsten Reichskanzler beweisen, daß auch außerhalb Italiens und der Schweiz
-- die selbst im Mark ihres Staatslebens von den päpstlichen Prätensionen
bedroht sind -- die Augen der ganzen gebildeten Welt, mit der aufrichtigsten
Theilnahme und Bewunderung uns in einem Kampfe begleiten, der an Größe
und Bedeutsamkeit dem Kriege gegen Frankreich keineswegs nachsteht.

Man rühmt mit Recht als einen hervorragenden Zug der Bismarck'schen
Staatskunst ihre Fähigkeit, den jeweiligen Gegner ins Unrecht zu versetzen,
und die Entrüstung der gesitteten Welt über das Haupt seiner Feinde heraus¬
zufordern durch eine beispiellose Offenheit in Darlegung der gesammten
politischen und diplomatischen Action des einzelnen Falles. Niemals aber


büße erwirkt und dadurchdie Abkürzung unserer Occupcition ermöglicht, durch densel¬
ben Vertrag aber in bedeutsamer Weise beigetragen zur Befestigung der Regierung
des gegenwärtigen französischen Staatsoberhauptes. Alle unparteiischen und na¬
mentlich alle unserer Reichsregierung nahe stehenden deutschen Organe haben
damals und seither die Erstarkung der französischen Staatsmacht in jeder der
zahlreichen Krisen, welche der Parteigeist in Versailles erzeugte, vorurtheilslos
beglückwünscht. Maßvoll und in den Grenzen des Völkerrechtes ist Deutsch¬
land auch geblieben bei jenen ersten Proben der großen Revanche, die begannen
mit den Freisprechungen französischer Mörder deutscher Soldaten durch fran¬
zösische Geschworne. Keine deutsche Ausschreitung hat diesen und ähnlichen
Orgien des französischen Nationalhasses, an welchen sich die Organe der
französischen Regierung vorweg betheiligten, geantwortet. Nur die Klage
hatten wir mit der ganzen gesitteten Welt gemein, daß tiefer ein Volk nicht
sinken könne, als wenn es seine Justiz dienstbar mache den Leidenschaften des
Pöbels, — Der von Herrn Thiers angestrebte Rückfall Frankreichs in die
Schutzzollpolitik früherer Jahrzehnte ist für uns noch nicht praktisch geworden
und dürfte in Deutschland geschickteren Unterhändlern begegnen, als England
in demselben Falle aufzubringen im Stande war. — Deutscher Einfluß hat
in Rumänien zu Gunsten aller betheiligten Gläubiger den ehrlichen Absichten
des dortigen Fürsten gegen die Rechtlosigkeit der autochthonen Volksver¬
treter und Minister zum Siege verholfen. — In erfreulichster Weise wendet
sich die Sympathie und Achtung aller nationalen und vorwärtsstrebender
Geister in Italien und der Schweiz dem deutschen Reiche zu. Wir danken
diese aufmerksame und freudige Zustimmung vor Allem dem einzigen Kampfe,
den das deutsche Reich in dem vergangenen Jahre mit seiner ganzen Macht
begonnen und fortgeführt hat, und den auch wir Deutsche als das bei
weitem wichtigste Jahresereigniß unserer äußeren und inneren Politik be¬
trachten dürfen: dem Kampf Deutschlands gegen die römische Kurle und ihre
Verbündeten, die Jesuiten und Ultramontanen. Solche Zeugnisse, wie die
bekannte begeisterte Zustimmungsadresse der englischen Notabilitäten an unsern
Fürsten Reichskanzler beweisen, daß auch außerhalb Italiens und der Schweiz
— die selbst im Mark ihres Staatslebens von den päpstlichen Prätensionen
bedroht sind — die Augen der ganzen gebildeten Welt, mit der aufrichtigsten
Theilnahme und Bewunderung uns in einem Kampfe begleiten, der an Größe
und Bedeutsamkeit dem Kriege gegen Frankreich keineswegs nachsteht.

Man rühmt mit Recht als einen hervorragenden Zug der Bismarck'schen
Staatskunst ihre Fähigkeit, den jeweiligen Gegner ins Unrecht zu versetzen,
und die Entrüstung der gesitteten Welt über das Haupt seiner Feinde heraus¬
zufordern durch eine beispiellose Offenheit in Darlegung der gesammten
politischen und diplomatischen Action des einzelnen Falles. Niemals aber


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/10>, abgerufen am 02.10.2024.