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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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man durch den Gotthard zu bohren beginnt, es wird weiter wirken. Brindisi
erwacht zu neuem Leben. Sein Hafen war im Alterthum so ausgezeichnet
und hatte eine so vorzügliche, den Eingang des adriatischen Meeres beherr¬
schende Lage, gerade den ionischen Inseln gegenüber, daß er schon früh und
ganz naturgemäß die Völker zum Handel einladen mußte. Dieser ganze Theil
Italiens, oder vielmehr wie er im Alterthum hieß, die hesperische Küste, war
dicht bedeckt mit reichen griechischen Städten. Hier lag Sybaris. die Stadt
üppiger Schwelger, aber auch Crotona, wo Pythagoras seine Weisheit lehrte.
Damals waren die Römer noch eine wilde Rotte latinischer Bauern, kaum
bekannt jenseit der Albancrberge und der Tiber. Aber Rom erstarkte in den
Waffen und die griechischen Kolonien, weniger kriegerisch als merkantil gesinnt,
fielen unter seine Herrschaft. Brundifium wurde 686 von den Römern er¬
obert, die hier, den vorzüglichen Hafen benutzend, ihre Hauptflottenstation er¬
richteten, als sie den nach Osten zugelegenen Gegenden ihre Aufmerksamkeit
zuwandten. In Brindisi endigte des Römerreichs wichtigste Straße, die Via
Appia, hier ward (um 220 v. Chr.) einer der ältesten lateinischen Dichter,
Quintus Ennius, geboren, der bereits den schönen bequemen Hafen seiner Va¬
terstadt besang.

Aber der herrliche Hafen verfiel, und die Stadt, welche im Mittelalter noch
60,000 Einwohner zählte, hat heute kaum 10,000. Das italienische Parla¬
ment, Brindisis Wichtigkeit erkennend und bemüht, den wichtigen Punkt zu
neuem Leben zu erwecken, bewilligte der Regierung die Mittel, um den Hafen
mit allen Anforderungen der Neuzeit zu versehen und ihn zu einem Werke
ersten Ranges zu erheben. Seit dem Jahre 1866 begannen ununterbrochen
die Arbeiten, und der Hafen naht seiner Vollendung. Fast neun Meter ist die
Tiefe des Binnenhafens geworden, der somit den größten Dampfern entspricht,
und an seinen beiden, die Stadt umgebenden Armen mit steinernen Kaim
versehen ist; am östlichen Hafen auf eine Länge von 132 Meter, am westlichen
Hafen, bis wohin ein Strang der Eisenbahn führt, aus eine Länge von 365
Meter. Der Außenhafen, eine halbe Stunde lang und eine viertel Stunde
breit, ist vollkommen sicher, groß genug, um eine ganze Flotte aufzunehmen,
und mit Dämmen eingefaßt.

Brindisi ist nicht nur der Ausgangspunkt italienischer Dampfer, auch
englische und die des österreichischen Llohd legen hier an; von hier aus wird
jetzt am bequemsten die Ueberlandroute angetreten, nachdem Post und Passa¬
giere mit der Eisenbahn die ganze Länge Italiens durchfahren und somit
einen Vorsprung vor allen nördlicher gelegenen Häfen: Marseille, Genua,
Venedig, Trieft gewonnen haben. Diese Bedeutung Brindisis ist auch all¬
seitig anerkannt worden; sie bezieht sich auf Personen, Briefe, Eilgüter, wäh¬
rend im eigentlichen Güterverkehr Trieft und Venedig den Vorrang besitzen.


man durch den Gotthard zu bohren beginnt, es wird weiter wirken. Brindisi
erwacht zu neuem Leben. Sein Hafen war im Alterthum so ausgezeichnet
und hatte eine so vorzügliche, den Eingang des adriatischen Meeres beherr¬
schende Lage, gerade den ionischen Inseln gegenüber, daß er schon früh und
ganz naturgemäß die Völker zum Handel einladen mußte. Dieser ganze Theil
Italiens, oder vielmehr wie er im Alterthum hieß, die hesperische Küste, war
dicht bedeckt mit reichen griechischen Städten. Hier lag Sybaris. die Stadt
üppiger Schwelger, aber auch Crotona, wo Pythagoras seine Weisheit lehrte.
Damals waren die Römer noch eine wilde Rotte latinischer Bauern, kaum
bekannt jenseit der Albancrberge und der Tiber. Aber Rom erstarkte in den
Waffen und die griechischen Kolonien, weniger kriegerisch als merkantil gesinnt,
fielen unter seine Herrschaft. Brundifium wurde 686 von den Römern er¬
obert, die hier, den vorzüglichen Hafen benutzend, ihre Hauptflottenstation er¬
richteten, als sie den nach Osten zugelegenen Gegenden ihre Aufmerksamkeit
zuwandten. In Brindisi endigte des Römerreichs wichtigste Straße, die Via
Appia, hier ward (um 220 v. Chr.) einer der ältesten lateinischen Dichter,
Quintus Ennius, geboren, der bereits den schönen bequemen Hafen seiner Va¬
terstadt besang.

Aber der herrliche Hafen verfiel, und die Stadt, welche im Mittelalter noch
60,000 Einwohner zählte, hat heute kaum 10,000. Das italienische Parla¬
ment, Brindisis Wichtigkeit erkennend und bemüht, den wichtigen Punkt zu
neuem Leben zu erwecken, bewilligte der Regierung die Mittel, um den Hafen
mit allen Anforderungen der Neuzeit zu versehen und ihn zu einem Werke
ersten Ranges zu erheben. Seit dem Jahre 1866 begannen ununterbrochen
die Arbeiten, und der Hafen naht seiner Vollendung. Fast neun Meter ist die
Tiefe des Binnenhafens geworden, der somit den größten Dampfern entspricht,
und an seinen beiden, die Stadt umgebenden Armen mit steinernen Kaim
versehen ist; am östlichen Hafen auf eine Länge von 132 Meter, am westlichen
Hafen, bis wohin ein Strang der Eisenbahn führt, aus eine Länge von 365
Meter. Der Außenhafen, eine halbe Stunde lang und eine viertel Stunde
breit, ist vollkommen sicher, groß genug, um eine ganze Flotte aufzunehmen,
und mit Dämmen eingefaßt.

Brindisi ist nicht nur der Ausgangspunkt italienischer Dampfer, auch
englische und die des österreichischen Llohd legen hier an; von hier aus wird
jetzt am bequemsten die Ueberlandroute angetreten, nachdem Post und Passa¬
giere mit der Eisenbahn die ganze Länge Italiens durchfahren und somit
einen Vorsprung vor allen nördlicher gelegenen Häfen: Marseille, Genua,
Venedig, Trieft gewonnen haben. Diese Bedeutung Brindisis ist auch all¬
seitig anerkannt worden; sie bezieht sich auf Personen, Briefe, Eilgüter, wäh¬
rend im eigentlichen Güterverkehr Trieft und Venedig den Vorrang besitzen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/75>, abgerufen am 04.07.2024.