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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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war es dabei gewesen, daß die öffentliche Meinung der protestantischen Kreise
sich offen und heftig für Johann Friedrich geäußert. Der Aerger der Parte;
über die Selbständigkeit des Anfängers des Kleinfürsten hatte sich deutlich
Luft gemacht. Auch das trieb ihn zum Kaiser.

Und mehr und mehr lockte ihn die kaiserliche Staatskunst. Immer
deutlicher, immer fester gestaltet traten aus dem Nebel anfangs allgemein
gehaltener Worte bestimmte politische Aufgaben heraus. Der Kaiser bereitete
seinen Protestantenkrieg vor, indem er sich einzelne Protestanten als Helfer
und Diener gewann.

Wir bewundern mit Recht die außerordentliche Virtuosität, mit der die
Minister und Diplomaten Karl's das große Unternehmen vorbereitet und zu¬
gerichtet halZn. Es ist eines der Meisterstücke diplomatischer Arbeit, Aber
nicht mindere Anerkennung verdient die Leistung des jungen Sachsenfürsten,
eines Politikers im 24ten und 25ten Lebensjahre. Er zeigte keine Eile und
keinen Eifer, unter die Streiter des Kaisers eingereiht zu werden, sich seinen
Lohn zu verdienen. Sehr vorsichtig hielt er sich zurück, -- er vermied es, sich
zu binden. Er wartete bis man ihn brauchte: er hatte es bis zuletzt in der
Hand die Bedingungen nicht fertig annehmen zu müssen, sondern sie ver¬
handeln und bedingen zu dürfen. Bei aller Zögerung riß der Faden der
Unterhandlung nie ab. Und trotz allem war bis zum letzten Abschluß ihm
auch die Möglichkeit offen, nicht mit dem Kaiser gegen die Protestanten,
sondern mit den Protestanten gegen den Kaiser zu gehen. Seinen Gedanken
enthüllt uns diese den Protestanten zugekehrte Seite am besten.

Da war für ihn der Ausgangspunkt dies: daß er am protestantischen
Religionsbekenntniß principiell festhalten, daß er aber jenem damaligen pro¬
testantischen Bunde nicht beitreten d. I). sich nicht unterordnen wollte. Unter
die Führung eines Johann Friedrich sich zu stellen war ihm unmöglich. Er
war Moritz' specieller Gegner und Rivale, er war dazu so unfähig und so un¬
glücklich in der Leitung der gemeinsamen protestantischen Angelegenheiten, daß
es einem politisch denkenden Kopfe nicht anstehen konnte unter ihm zu dienen.
Vor der persönlichen Ehrenhaftigkeit und Frömmigkeit des Kurfürsten wird
man die höchste Achtung hegen und dabei doch von seiner politischen Fähig¬
keit die allergeringste Meinung haben dürfen. Die Organisation des großen
protestantischen Bundes war eine schwerfällige; eine wirkliche Action desselben
war kaum zu erwarten.

Als die Vorboten des kaiserlichen Sturmes am Himmel sich zeigten, war
es Moritz' Absicht einen protestantischen Vertheidigungsbund neu zu bilden,
dessen Leitung einem Triumvirate zu übertragen wäre, nämlich Johann
Friedrich, Philipp und Moritz selbst. Aus die allgemeine Haltung würde
damit Moritz einen direkten Einfluß, ja nach der Lage der Dinge und Per-


war es dabei gewesen, daß die öffentliche Meinung der protestantischen Kreise
sich offen und heftig für Johann Friedrich geäußert. Der Aerger der Parte;
über die Selbständigkeit des Anfängers des Kleinfürsten hatte sich deutlich
Luft gemacht. Auch das trieb ihn zum Kaiser.

Und mehr und mehr lockte ihn die kaiserliche Staatskunst. Immer
deutlicher, immer fester gestaltet traten aus dem Nebel anfangs allgemein
gehaltener Worte bestimmte politische Aufgaben heraus. Der Kaiser bereitete
seinen Protestantenkrieg vor, indem er sich einzelne Protestanten als Helfer
und Diener gewann.

Wir bewundern mit Recht die außerordentliche Virtuosität, mit der die
Minister und Diplomaten Karl's das große Unternehmen vorbereitet und zu¬
gerichtet halZn. Es ist eines der Meisterstücke diplomatischer Arbeit, Aber
nicht mindere Anerkennung verdient die Leistung des jungen Sachsenfürsten,
eines Politikers im 24ten und 25ten Lebensjahre. Er zeigte keine Eile und
keinen Eifer, unter die Streiter des Kaisers eingereiht zu werden, sich seinen
Lohn zu verdienen. Sehr vorsichtig hielt er sich zurück, — er vermied es, sich
zu binden. Er wartete bis man ihn brauchte: er hatte es bis zuletzt in der
Hand die Bedingungen nicht fertig annehmen zu müssen, sondern sie ver¬
handeln und bedingen zu dürfen. Bei aller Zögerung riß der Faden der
Unterhandlung nie ab. Und trotz allem war bis zum letzten Abschluß ihm
auch die Möglichkeit offen, nicht mit dem Kaiser gegen die Protestanten,
sondern mit den Protestanten gegen den Kaiser zu gehen. Seinen Gedanken
enthüllt uns diese den Protestanten zugekehrte Seite am besten.

Da war für ihn der Ausgangspunkt dies: daß er am protestantischen
Religionsbekenntniß principiell festhalten, daß er aber jenem damaligen pro¬
testantischen Bunde nicht beitreten d. I). sich nicht unterordnen wollte. Unter
die Führung eines Johann Friedrich sich zu stellen war ihm unmöglich. Er
war Moritz' specieller Gegner und Rivale, er war dazu so unfähig und so un¬
glücklich in der Leitung der gemeinsamen protestantischen Angelegenheiten, daß
es einem politisch denkenden Kopfe nicht anstehen konnte unter ihm zu dienen.
Vor der persönlichen Ehrenhaftigkeit und Frömmigkeit des Kurfürsten wird
man die höchste Achtung hegen und dabei doch von seiner politischen Fähig¬
keit die allergeringste Meinung haben dürfen. Die Organisation des großen
protestantischen Bundes war eine schwerfällige; eine wirkliche Action desselben
war kaum zu erwarten.

Als die Vorboten des kaiserlichen Sturmes am Himmel sich zeigten, war
es Moritz' Absicht einen protestantischen Vertheidigungsbund neu zu bilden,
dessen Leitung einem Triumvirate zu übertragen wäre, nämlich Johann
Friedrich, Philipp und Moritz selbst. Aus die allgemeine Haltung würde
damit Moritz einen direkten Einfluß, ja nach der Lage der Dinge und Per-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/456>, abgerufen am 25.08.2024.