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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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wieder in die Geschäfte zurück, und eine sichere, besonnen, consequente poli¬
tische Arbeit begann. Zunächst ließ er die weitere- Zersplitterung des H.aus-
besitzes nicht zu: er fand den Bruder August mit einer Apanage ab, ohne
ihm wieder ein eigenes Gebiet zuzuweisen. Er lehnte den Eintritt in den
Schmalkaldener Bund ab. Er näherte sich dem kaiserlichen Hofe, zu persön¬
lichen Diensten bereit. Und die Rechte, die er zu haben glaubte, hielt er mit
Entschlossenheit fest, zu kriegerischem Schutze gerüstet.

Das erste Auftreten des jungen Herzogs sticht ab nicht nur von der un¬
fähigen Schwäche Heinrich's oder dem rastlosen Ehrgeize Georg's, nein auch
mit den andern deutschen Fürsten verglichen, zeichnet es sich durch Entschieden¬
heit der Haltung und durch maßvolle Sicherheit des Strebens sofort vortheil¬
haft aus. Innerhalb der Parteien des damaligen Deutschland ergriff Moritz
sofort eine eigenthümliche, selbständige und feste Stellung.

Es waren damals die Jahre, in welchen der protestantische Bund auf
der Höhe seiner Macht und seines Einflusses stand. Durch seine europäische
Politik war Kaiser Karl damals genöthigt, von den Plänen der Feindschaft
gegen die Protestanten abzugehen, wenigstens einstweilen sie ruhen zu lassen
und eine Verständigung mit ihnen zu suchen. Die religiöse oder kirchliche
Wiedervereinigung war nicht gelungen, aber einen moäus vivendi glaubte
man gefunden zu haben, als 1541 Kaiser Karl einstweilen sie anerkannte und
die weitere Consolidirung der protestantischen Landeskirchen geschehen ließ.
Ja, um nur die politisch-kirchliche Stellung des Schmalkaldener Bundes nicht
noch weiter um sich greifen zu lassen, mußte Karl die Fürsten des Bundes
freundlich behandeln, sie begütigend und besänftigend anfassen. Es ließen
einzelne sich gewinnen. Der lebhafte Landgraf Philipp war jetzt voll Eifer
für seinen Kaiser. Er brachte auch seinen Schwiegersohn Moritz zuerst in
direetere Beziehungen zum Kaiser: dessen Fortschritte in der Welt schienen ihm
am Herzen zu liegen.

Wie schon gesagt, den Eintritt in die protestantische Verbindung hatte
Moritz verweigert. Schutz der etwa bedrohten protestantischen Religion hatte
er auch seinerseits zugesagt, aber in den Bund trat er nicht ein. Zunächst
hielten ihn die alten stets weiter fortgehenden Händel davon zurück, die er
mit dem Kurfürsten von Sachsen noch hatte. Dem jungen, noch unerfahrenen
und unerprobten Neuling gegenüber schlug Kurfürst Johann Friedrich einen
hohen Ton an. Die Naumburger und Meißener Angelegenheiten behandelte
er ohne Rücksicht auf die Rechte und Ansprüche des jungen Herzogs. -- Von
Johann Friedrich, den er verachtete und in der That politisch weit übersah,
wollte sich Moritz nichts gefallen lassen. Er griff zu bewaffneter Abwehr.
Daß es nicht damals gleich zu einem sächsischen Bruderkriege gekommen, hat
nur Philipp's Dazwischenkunft verhindert. Ein böses Symptom für Moritz


wieder in die Geschäfte zurück, und eine sichere, besonnen, consequente poli¬
tische Arbeit begann. Zunächst ließ er die weitere- Zersplitterung des H.aus-
besitzes nicht zu: er fand den Bruder August mit einer Apanage ab, ohne
ihm wieder ein eigenes Gebiet zuzuweisen. Er lehnte den Eintritt in den
Schmalkaldener Bund ab. Er näherte sich dem kaiserlichen Hofe, zu persön¬
lichen Diensten bereit. Und die Rechte, die er zu haben glaubte, hielt er mit
Entschlossenheit fest, zu kriegerischem Schutze gerüstet.

Das erste Auftreten des jungen Herzogs sticht ab nicht nur von der un¬
fähigen Schwäche Heinrich's oder dem rastlosen Ehrgeize Georg's, nein auch
mit den andern deutschen Fürsten verglichen, zeichnet es sich durch Entschieden¬
heit der Haltung und durch maßvolle Sicherheit des Strebens sofort vortheil¬
haft aus. Innerhalb der Parteien des damaligen Deutschland ergriff Moritz
sofort eine eigenthümliche, selbständige und feste Stellung.

Es waren damals die Jahre, in welchen der protestantische Bund auf
der Höhe seiner Macht und seines Einflusses stand. Durch seine europäische
Politik war Kaiser Karl damals genöthigt, von den Plänen der Feindschaft
gegen die Protestanten abzugehen, wenigstens einstweilen sie ruhen zu lassen
und eine Verständigung mit ihnen zu suchen. Die religiöse oder kirchliche
Wiedervereinigung war nicht gelungen, aber einen moäus vivendi glaubte
man gefunden zu haben, als 1541 Kaiser Karl einstweilen sie anerkannte und
die weitere Consolidirung der protestantischen Landeskirchen geschehen ließ.
Ja, um nur die politisch-kirchliche Stellung des Schmalkaldener Bundes nicht
noch weiter um sich greifen zu lassen, mußte Karl die Fürsten des Bundes
freundlich behandeln, sie begütigend und besänftigend anfassen. Es ließen
einzelne sich gewinnen. Der lebhafte Landgraf Philipp war jetzt voll Eifer
für seinen Kaiser. Er brachte auch seinen Schwiegersohn Moritz zuerst in
direetere Beziehungen zum Kaiser: dessen Fortschritte in der Welt schienen ihm
am Herzen zu liegen.

Wie schon gesagt, den Eintritt in die protestantische Verbindung hatte
Moritz verweigert. Schutz der etwa bedrohten protestantischen Religion hatte
er auch seinerseits zugesagt, aber in den Bund trat er nicht ein. Zunächst
hielten ihn die alten stets weiter fortgehenden Händel davon zurück, die er
mit dem Kurfürsten von Sachsen noch hatte. Dem jungen, noch unerfahrenen
und unerprobten Neuling gegenüber schlug Kurfürst Johann Friedrich einen
hohen Ton an. Die Naumburger und Meißener Angelegenheiten behandelte
er ohne Rücksicht auf die Rechte und Ansprüche des jungen Herzogs. — Von
Johann Friedrich, den er verachtete und in der That politisch weit übersah,
wollte sich Moritz nichts gefallen lassen. Er griff zu bewaffneter Abwehr.
Daß es nicht damals gleich zu einem sächsischen Bruderkriege gekommen, hat
nur Philipp's Dazwischenkunft verhindert. Ein böses Symptom für Moritz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/455>, abgerufen am 25.08.2024.