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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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übergetreten und auch Mitglied des Schmalkaldener Bundes geworden. So
verwickelt lagen die Verhältnisse zwischen den sächsischen Nachbarn und
Stammesvettern.

Viele Mittel besaß man am Freiberger Hofe nicht. Drei Söhne hatte
Herzog Heinrich: Moritz, August und Severin. Der letzte starb jung. Bei der
Erziehung der Prinzen Moritz und August mußten die Verwandten aus¬
helfen. Auf die Entwickelung des heranwachsenden Moritz war es von Ein¬
fluß, daß er viel an den benachbarten Höfen sich aufhielt; bei dem Kurfürsten
von Mainz und bei seinem Oheim Herzog Georg. Besonders des Letzteren
Art machte ihm Eindruck. Es wird erzählt, Herzog Georg habe von diesem
Neffen Großes erwartet, der es liebte, bei den Gesprächen und Berathungen
reiferer Männer zugegen zu fein. Verbindungen und Beziehungen mit den
Ministern Georg's knüpften sich ihm an. Ihm stand ja die Aussicht auf
Georg's Erbe offen. Die zahlreiche Familie desselben starb dahin; auch der
letzte Sohn, den Georg noch schnell vermählt hatte, um so vielleicht die Fort¬
dauer seiner Linie sicher zu stellen, verschied kinderlos. Und mochte da Georg
ganz zuletzt noch wenigstens die katholische Zukunft seines Landes testamen¬
tarisch zu garantiren versuchen, das war und blieb ein aussichtsloses, unwirk¬
sames Mittel. Nach seinem Tode, im April 1339, kam Herzog Heinrich zur
Regierung. Bald wurde auch das Herzogthum protestantisch. Und auch Moritz,
der Erbprinz, war in diese protestantische Richtung schon hineingeboren. Er
für sich war und blieb bei diesem protestantischen Bekenntniß. Seiner Mutter,
die nicht ganz ohne Sorgen in dieser Hinsicht gewesen zu sein scheint, hatte
er die Versicherung ertheilt, er würde bei seinem Glauben verbleiben. Ge¬
gründeter wohl war die Voraussetzung, daß er aus politischem Felde an die
Tradition Herzog Georg's sich halten, daß er nicht, wie sein schwacher Vater,
ohne Weiteres dem kurfürstlichen Vetter sich unterordnen würde. Es hat nicht
an Lockungen von der einen, an Warnungen und Mahnungen von der an¬
deren Seite gefehlt. Ganz ähnlich wie Georg, war auch Moritz in der An¬
lehnung an "große Herren" sein Glück zu suchen geneigt, d. h. eine gewisse
Empfänglichkeit für die durch kaiserlichen Dienst zu erwerbende Machterhöhung
wurde bei ihm vorausgesetzt.

Ein Gegensatz zur Regierung seines Vaters war nicht zu verkennen.
Dieser schwache Fürst war kaum im Stande, sein Land und sein Haus zu
regieren. Die Wirthschaft am Hofe gerieth in solche Unordnung, daß die
Stände sich anschickten, einzuschreiten. Da starb Heinrich am 18. August 1541.

Und Moritz übernahm die Negierung 20 Jahre alt. Seine Verbindung
mit den von Heinrich entfernten Ministern Georg's hatte er nie aufgegeben;
gegen den Willen der Eltern hatte er des heldenmütigen Landgrafen Philipp
von Hessen Tochter Agnes schon heimgeführt. Nun kehrten die alten Räthe


übergetreten und auch Mitglied des Schmalkaldener Bundes geworden. So
verwickelt lagen die Verhältnisse zwischen den sächsischen Nachbarn und
Stammesvettern.

Viele Mittel besaß man am Freiberger Hofe nicht. Drei Söhne hatte
Herzog Heinrich: Moritz, August und Severin. Der letzte starb jung. Bei der
Erziehung der Prinzen Moritz und August mußten die Verwandten aus¬
helfen. Auf die Entwickelung des heranwachsenden Moritz war es von Ein¬
fluß, daß er viel an den benachbarten Höfen sich aufhielt; bei dem Kurfürsten
von Mainz und bei seinem Oheim Herzog Georg. Besonders des Letzteren
Art machte ihm Eindruck. Es wird erzählt, Herzog Georg habe von diesem
Neffen Großes erwartet, der es liebte, bei den Gesprächen und Berathungen
reiferer Männer zugegen zu fein. Verbindungen und Beziehungen mit den
Ministern Georg's knüpften sich ihm an. Ihm stand ja die Aussicht auf
Georg's Erbe offen. Die zahlreiche Familie desselben starb dahin; auch der
letzte Sohn, den Georg noch schnell vermählt hatte, um so vielleicht die Fort¬
dauer seiner Linie sicher zu stellen, verschied kinderlos. Und mochte da Georg
ganz zuletzt noch wenigstens die katholische Zukunft seines Landes testamen¬
tarisch zu garantiren versuchen, das war und blieb ein aussichtsloses, unwirk¬
sames Mittel. Nach seinem Tode, im April 1339, kam Herzog Heinrich zur
Regierung. Bald wurde auch das Herzogthum protestantisch. Und auch Moritz,
der Erbprinz, war in diese protestantische Richtung schon hineingeboren. Er
für sich war und blieb bei diesem protestantischen Bekenntniß. Seiner Mutter,
die nicht ganz ohne Sorgen in dieser Hinsicht gewesen zu sein scheint, hatte
er die Versicherung ertheilt, er würde bei seinem Glauben verbleiben. Ge¬
gründeter wohl war die Voraussetzung, daß er aus politischem Felde an die
Tradition Herzog Georg's sich halten, daß er nicht, wie sein schwacher Vater,
ohne Weiteres dem kurfürstlichen Vetter sich unterordnen würde. Es hat nicht
an Lockungen von der einen, an Warnungen und Mahnungen von der an¬
deren Seite gefehlt. Ganz ähnlich wie Georg, war auch Moritz in der An¬
lehnung an „große Herren" sein Glück zu suchen geneigt, d. h. eine gewisse
Empfänglichkeit für die durch kaiserlichen Dienst zu erwerbende Machterhöhung
wurde bei ihm vorausgesetzt.

Ein Gegensatz zur Regierung seines Vaters war nicht zu verkennen.
Dieser schwache Fürst war kaum im Stande, sein Land und sein Haus zu
regieren. Die Wirthschaft am Hofe gerieth in solche Unordnung, daß die
Stände sich anschickten, einzuschreiten. Da starb Heinrich am 18. August 1541.

Und Moritz übernahm die Negierung 20 Jahre alt. Seine Verbindung
mit den von Heinrich entfernten Ministern Georg's hatte er nie aufgegeben;
gegen den Willen der Eltern hatte er des heldenmütigen Landgrafen Philipp
von Hessen Tochter Agnes schon heimgeführt. Nun kehrten die alten Räthe


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[0454] übergetreten und auch Mitglied des Schmalkaldener Bundes geworden. So verwickelt lagen die Verhältnisse zwischen den sächsischen Nachbarn und Stammesvettern. Viele Mittel besaß man am Freiberger Hofe nicht. Drei Söhne hatte Herzog Heinrich: Moritz, August und Severin. Der letzte starb jung. Bei der Erziehung der Prinzen Moritz und August mußten die Verwandten aus¬ helfen. Auf die Entwickelung des heranwachsenden Moritz war es von Ein¬ fluß, daß er viel an den benachbarten Höfen sich aufhielt; bei dem Kurfürsten von Mainz und bei seinem Oheim Herzog Georg. Besonders des Letzteren Art machte ihm Eindruck. Es wird erzählt, Herzog Georg habe von diesem Neffen Großes erwartet, der es liebte, bei den Gesprächen und Berathungen reiferer Männer zugegen zu fein. Verbindungen und Beziehungen mit den Ministern Georg's knüpften sich ihm an. Ihm stand ja die Aussicht auf Georg's Erbe offen. Die zahlreiche Familie desselben starb dahin; auch der letzte Sohn, den Georg noch schnell vermählt hatte, um so vielleicht die Fort¬ dauer seiner Linie sicher zu stellen, verschied kinderlos. Und mochte da Georg ganz zuletzt noch wenigstens die katholische Zukunft seines Landes testamen¬ tarisch zu garantiren versuchen, das war und blieb ein aussichtsloses, unwirk¬ sames Mittel. Nach seinem Tode, im April 1339, kam Herzog Heinrich zur Regierung. Bald wurde auch das Herzogthum protestantisch. Und auch Moritz, der Erbprinz, war in diese protestantische Richtung schon hineingeboren. Er für sich war und blieb bei diesem protestantischen Bekenntniß. Seiner Mutter, die nicht ganz ohne Sorgen in dieser Hinsicht gewesen zu sein scheint, hatte er die Versicherung ertheilt, er würde bei seinem Glauben verbleiben. Ge¬ gründeter wohl war die Voraussetzung, daß er aus politischem Felde an die Tradition Herzog Georg's sich halten, daß er nicht, wie sein schwacher Vater, ohne Weiteres dem kurfürstlichen Vetter sich unterordnen würde. Es hat nicht an Lockungen von der einen, an Warnungen und Mahnungen von der an¬ deren Seite gefehlt. Ganz ähnlich wie Georg, war auch Moritz in der An¬ lehnung an „große Herren" sein Glück zu suchen geneigt, d. h. eine gewisse Empfänglichkeit für die durch kaiserlichen Dienst zu erwerbende Machterhöhung wurde bei ihm vorausgesetzt. Ein Gegensatz zur Regierung seines Vaters war nicht zu verkennen. Dieser schwache Fürst war kaum im Stande, sein Land und sein Haus zu regieren. Die Wirthschaft am Hofe gerieth in solche Unordnung, daß die Stände sich anschickten, einzuschreiten. Da starb Heinrich am 18. August 1541. Und Moritz übernahm die Negierung 20 Jahre alt. Seine Verbindung mit den von Heinrich entfernten Ministern Georg's hatte er nie aufgegeben; gegen den Willen der Eltern hatte er des heldenmütigen Landgrafen Philipp von Hessen Tochter Agnes schon heimgeführt. Nun kehrten die alten Räthe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/454>, abgerufen am 22.07.2024.