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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Als Villemessant im Alter von ein und zwanzig Jahren von den Ufern
der Loire nach Paris kam und bald nachher die Mittel zur Gründung des
Modejournals "Sylphide" fand, nahm er, wie wir gesehen haben, zu allerlei
Manövern seine Zuflucht, um dem Blatte Leser zu gewinnen. Unter andern
originellen Einfällen kam ihm bei dieser Jagd auf Abonnenten auch der. die,
welche das Blatt bestellten, zu einem Concert einzuladen. Genau bekannt mit Henri
Herz, bat er diesen, ihn zu dem Zwecke auf einen Abend seine Salons oder
doch einen Theil derselben zu vermiethen. Herz lehnte die Vermiethung ab.
erbot sich aber freundlich, ihm die Zimmer gratis zu überlassen. So blieb
nur noch die Schwierigkeit, eine Anzahl bedeutender Künstler zu gewinnen.
Die Sterne der musikalischen Welt ließen sich ohne viel Zögern engagiren,
aber Villemessant überlegte sich, daß in Paris ein Mann lebte, dessen Anwe¬
senheit in seinem Concert, wenn sie auch nur fünf Minuten dauerte, für das
Unternehmen mehr Werth hatte, als alle musikalischen Größen zusammenge¬
nommen.

Dieser Mann war Alexander Dumas, der damals in der vollen Frische
seines Rufes stand. Villemessant ließ den großen Mann durch einen Freund
sondiren und bearbeiten, und siehe da, mit Erfolg, er empfing die bestimmte
Zusage, Dumas werde sich in den Herrschen Salons einstellen. Sein Plan
war also gesichert, er konnte einen literarischen Löwen zeigen, um dann die
Leserzahl seiner Modezeitung zu vermehren. Als der betreffende Abend kam,
waren die Zimmer, wo das Concert stattfand, gestopft voll Menschen. End¬
lich verbreitete sich das Gerücht, daß Dumas aus seiner Kutsche gestiegen,
und die Aufregung, die niemand nach der Plattform der Musiker blicken ließ,
sondern Aller Augen auf die Thür gerichtet hielt, erreichte ihren Gipfel. Als
der sehnlichst Erwartete eintrat, erhob sich die ganze Versammlung von ihren
Stühlen. "Sinais kzouv<zi-g,in x6n6trg,ut A^us une sslls als sveewclö n'a,
pi-oäuit un est Med", sagt Villemessant. Wenn er mit irgend jemand sprach,
fo wurde der glückliche Sterbliche sofort der Zielpunkt aller Opernguker.

Dumas war zu dieser Zeit die erstaunlichste Gestalt in der schönen Li¬
teratur Europas. Seine ungeheuere Fruchtbarkeit, sein gleichmäßiger, über¬
raschender Erfolg in allem, was er in die Hand nahm, seine für die Arbeit
wie für das Vergnügen gleich verschwenderisch ausgestattete Natur, die wun¬
derbare Ueberfülle seiner Erfindung verschafften ihm eine geradezu fabelhafte
Celebrität. Alle Welt las seine Romane, und die Elite von Paris ging in
seine Stücke. Schon in seinem bloßen Namen lag ein magischer Reiz, so daß
einem Schauspiel schon die Aufmerksamkeit eines zahlreichen Publicums gesichert
war, wenn sein Name auf der Ankündigung stand.

Auch äußerlich, in Gesicht und Körperbau hatte er etwas Jmponirendes.
"Wie der Schriftsteller in sich alle Fähigkeiten vereinigte, so war der Mensch


Als Villemessant im Alter von ein und zwanzig Jahren von den Ufern
der Loire nach Paris kam und bald nachher die Mittel zur Gründung des
Modejournals „Sylphide" fand, nahm er, wie wir gesehen haben, zu allerlei
Manövern seine Zuflucht, um dem Blatte Leser zu gewinnen. Unter andern
originellen Einfällen kam ihm bei dieser Jagd auf Abonnenten auch der. die,
welche das Blatt bestellten, zu einem Concert einzuladen. Genau bekannt mit Henri
Herz, bat er diesen, ihn zu dem Zwecke auf einen Abend seine Salons oder
doch einen Theil derselben zu vermiethen. Herz lehnte die Vermiethung ab.
erbot sich aber freundlich, ihm die Zimmer gratis zu überlassen. So blieb
nur noch die Schwierigkeit, eine Anzahl bedeutender Künstler zu gewinnen.
Die Sterne der musikalischen Welt ließen sich ohne viel Zögern engagiren,
aber Villemessant überlegte sich, daß in Paris ein Mann lebte, dessen Anwe¬
senheit in seinem Concert, wenn sie auch nur fünf Minuten dauerte, für das
Unternehmen mehr Werth hatte, als alle musikalischen Größen zusammenge¬
nommen.

Dieser Mann war Alexander Dumas, der damals in der vollen Frische
seines Rufes stand. Villemessant ließ den großen Mann durch einen Freund
sondiren und bearbeiten, und siehe da, mit Erfolg, er empfing die bestimmte
Zusage, Dumas werde sich in den Herrschen Salons einstellen. Sein Plan
war also gesichert, er konnte einen literarischen Löwen zeigen, um dann die
Leserzahl seiner Modezeitung zu vermehren. Als der betreffende Abend kam,
waren die Zimmer, wo das Concert stattfand, gestopft voll Menschen. End¬
lich verbreitete sich das Gerücht, daß Dumas aus seiner Kutsche gestiegen,
und die Aufregung, die niemand nach der Plattform der Musiker blicken ließ,
sondern Aller Augen auf die Thür gerichtet hielt, erreichte ihren Gipfel. Als
der sehnlichst Erwartete eintrat, erhob sich die ganze Versammlung von ihren
Stühlen. „Sinais kzouv<zi-g,in x6n6trg,ut A^us une sslls als sveewclö n'a,
pi-oäuit un est Med", sagt Villemessant. Wenn er mit irgend jemand sprach,
fo wurde der glückliche Sterbliche sofort der Zielpunkt aller Opernguker.

Dumas war zu dieser Zeit die erstaunlichste Gestalt in der schönen Li¬
teratur Europas. Seine ungeheuere Fruchtbarkeit, sein gleichmäßiger, über¬
raschender Erfolg in allem, was er in die Hand nahm, seine für die Arbeit
wie für das Vergnügen gleich verschwenderisch ausgestattete Natur, die wun¬
derbare Ueberfülle seiner Erfindung verschafften ihm eine geradezu fabelhafte
Celebrität. Alle Welt las seine Romane, und die Elite von Paris ging in
seine Stücke. Schon in seinem bloßen Namen lag ein magischer Reiz, so daß
einem Schauspiel schon die Aufmerksamkeit eines zahlreichen Publicums gesichert
war, wenn sein Name auf der Ankündigung stand.

Auch äußerlich, in Gesicht und Körperbau hatte er etwas Jmponirendes.
„Wie der Schriftsteller in sich alle Fähigkeiten vereinigte, so war der Mensch


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[0437] Als Villemessant im Alter von ein und zwanzig Jahren von den Ufern der Loire nach Paris kam und bald nachher die Mittel zur Gründung des Modejournals „Sylphide" fand, nahm er, wie wir gesehen haben, zu allerlei Manövern seine Zuflucht, um dem Blatte Leser zu gewinnen. Unter andern originellen Einfällen kam ihm bei dieser Jagd auf Abonnenten auch der. die, welche das Blatt bestellten, zu einem Concert einzuladen. Genau bekannt mit Henri Herz, bat er diesen, ihn zu dem Zwecke auf einen Abend seine Salons oder doch einen Theil derselben zu vermiethen. Herz lehnte die Vermiethung ab. erbot sich aber freundlich, ihm die Zimmer gratis zu überlassen. So blieb nur noch die Schwierigkeit, eine Anzahl bedeutender Künstler zu gewinnen. Die Sterne der musikalischen Welt ließen sich ohne viel Zögern engagiren, aber Villemessant überlegte sich, daß in Paris ein Mann lebte, dessen Anwe¬ senheit in seinem Concert, wenn sie auch nur fünf Minuten dauerte, für das Unternehmen mehr Werth hatte, als alle musikalischen Größen zusammenge¬ nommen. Dieser Mann war Alexander Dumas, der damals in der vollen Frische seines Rufes stand. Villemessant ließ den großen Mann durch einen Freund sondiren und bearbeiten, und siehe da, mit Erfolg, er empfing die bestimmte Zusage, Dumas werde sich in den Herrschen Salons einstellen. Sein Plan war also gesichert, er konnte einen literarischen Löwen zeigen, um dann die Leserzahl seiner Modezeitung zu vermehren. Als der betreffende Abend kam, waren die Zimmer, wo das Concert stattfand, gestopft voll Menschen. End¬ lich verbreitete sich das Gerücht, daß Dumas aus seiner Kutsche gestiegen, und die Aufregung, die niemand nach der Plattform der Musiker blicken ließ, sondern Aller Augen auf die Thür gerichtet hielt, erreichte ihren Gipfel. Als der sehnlichst Erwartete eintrat, erhob sich die ganze Versammlung von ihren Stühlen. „Sinais kzouv<zi-g,in x6n6trg,ut A^us une sslls als sveewclö n'a, pi-oäuit un est Med", sagt Villemessant. Wenn er mit irgend jemand sprach, fo wurde der glückliche Sterbliche sofort der Zielpunkt aller Opernguker. Dumas war zu dieser Zeit die erstaunlichste Gestalt in der schönen Li¬ teratur Europas. Seine ungeheuere Fruchtbarkeit, sein gleichmäßiger, über¬ raschender Erfolg in allem, was er in die Hand nahm, seine für die Arbeit wie für das Vergnügen gleich verschwenderisch ausgestattete Natur, die wun¬ derbare Ueberfülle seiner Erfindung verschafften ihm eine geradezu fabelhafte Celebrität. Alle Welt las seine Romane, und die Elite von Paris ging in seine Stücke. Schon in seinem bloßen Namen lag ein magischer Reiz, so daß einem Schauspiel schon die Aufmerksamkeit eines zahlreichen Publicums gesichert war, wenn sein Name auf der Ankündigung stand. Auch äußerlich, in Gesicht und Körperbau hatte er etwas Jmponirendes. „Wie der Schriftsteller in sich alle Fähigkeiten vereinigte, so war der Mensch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/437>, abgerufen am 22.07.2024.