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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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des Auges bestimmte eigentlich dem Luxus und nicht dem Bedürfnisse dienende
Anlage denken. Auch das griechische Wort besagt nichts weiter, als ein
besonderes ausgeschiedenes Stück Land, das eben deshalb unter Umständen
auch das sein konnte, was wir Garten nennen. Genau dasselbe besagt unser
Hufe: es ist ein Complex von Ackerland, wahrscheinlich immer nicht bloß durch
ideale, sondern durch sehr reale Marken von dem übrigen Gefilde getrennt,
d. h. ursprünglich meist eingezäunt, wie noch jetzt so viele Feldstücke in unsern
Waldgebirgen, zugleich aber auch dem intensiven Ackerbau des Einzelhoses
(Mnsus) gewidmet. Wo sich die Anfänge dessen, was wir jetzt Garten nennen,
schon in unserer ältesten Vorzeit etwa entwickelt haben mögen -- es scheint
aber, als wenn dieß überall erst unter dem Einfluß römischer landwirt¬
schaftlicher Vorbilder geschehen sei -- gehört natürlich der Garten auch zur
Hufe und löst sich erst später von ihr, je mehr sie selbst bei den veränderten
Gewohnheiten in der Benutzung und Vertheilung des Grundeigenthums ein
antiquirter Begriff wurde und je mehr die Gartencultur im Fortschritt der
äußeren Civilisation an selbständiger Bedeutung gewann. Huf dagegen gehört
deutlich zu dem Stamme, den wir in unserem Zeitwort "heben" noch in seiner
einfachsten Gestalt übrig haben. Ob aber Hufe und Huf zuletzt auf eine und
dieselbe, im Urgrund der Sprache ruhende Wurzel zurückzuführen seien, ist
für diesen Fall gleichgiltig. Jedenfalls fehlt dann erst recht jede Beziehung
an^ das Roß. --

Anderes, was uns wohl auch noch bedenklich erscheint, wollen wir nicht
weiter heranziehen. Die angeführten Beispiele, bei denen wir etwas aus¬
führlicher zu verweilen uns nicht entschlagen konnten, sollen freilich nicht dazu
dienen, das überall sichtbare Bestreben des Autors, sich aller durch die Wissen¬
schaft ihm gegebenen linguistischen Hilfsmittel zur Belebung seines Stoffes im
vollsten Umfang zu bedienen, herabzusetzen oder an dem Fleiße und der Sorg¬
falt, mit der er sich auf einem ihm ursprünglich fremden Gebiete, sattelgerecht
erweist, irgendwie zu mäkeln, aber sie mögen doch für ihn und andere, die
in seinem Falle sind, als eine gelinde Ermahnung zu möglichster Vorsicht
und Bescheidung an ihrer Stelle sein. Wir würden es dankbar erkennen,
wenn unsere Bemerkungen in diesem Sinne, in demselben, dem sie entstammen,
auch aufgenommen würden.

Es ist leicht zu begreifen, daß die Sprache mit um so größerer Genauig¬
keit und Ausführlichkeit den Dingen gegenüber verfährt, je mehr diese dem
Volksbewußtsein an das Herz gewachsen, oder was meist dasselbe sein wird,
in die Bedürfnisse und den Gebrauch des täglichen Lebens verflochten sind.
Darum ist es nicht zu verwundern, daß es möglich war, drei und sechzig ver¬
schiedene Pferdenamen, d. h. solche, die als Appellative zur Bezeichnung des
ganzen Thieres dienen, zusammenzubringen. Sie stammen aus den verschiedensten


des Auges bestimmte eigentlich dem Luxus und nicht dem Bedürfnisse dienende
Anlage denken. Auch das griechische Wort besagt nichts weiter, als ein
besonderes ausgeschiedenes Stück Land, das eben deshalb unter Umständen
auch das sein konnte, was wir Garten nennen. Genau dasselbe besagt unser
Hufe: es ist ein Complex von Ackerland, wahrscheinlich immer nicht bloß durch
ideale, sondern durch sehr reale Marken von dem übrigen Gefilde getrennt,
d. h. ursprünglich meist eingezäunt, wie noch jetzt so viele Feldstücke in unsern
Waldgebirgen, zugleich aber auch dem intensiven Ackerbau des Einzelhoses
(Mnsus) gewidmet. Wo sich die Anfänge dessen, was wir jetzt Garten nennen,
schon in unserer ältesten Vorzeit etwa entwickelt haben mögen — es scheint
aber, als wenn dieß überall erst unter dem Einfluß römischer landwirt¬
schaftlicher Vorbilder geschehen sei — gehört natürlich der Garten auch zur
Hufe und löst sich erst später von ihr, je mehr sie selbst bei den veränderten
Gewohnheiten in der Benutzung und Vertheilung des Grundeigenthums ein
antiquirter Begriff wurde und je mehr die Gartencultur im Fortschritt der
äußeren Civilisation an selbständiger Bedeutung gewann. Huf dagegen gehört
deutlich zu dem Stamme, den wir in unserem Zeitwort „heben" noch in seiner
einfachsten Gestalt übrig haben. Ob aber Hufe und Huf zuletzt auf eine und
dieselbe, im Urgrund der Sprache ruhende Wurzel zurückzuführen seien, ist
für diesen Fall gleichgiltig. Jedenfalls fehlt dann erst recht jede Beziehung
an^ das Roß. —

Anderes, was uns wohl auch noch bedenklich erscheint, wollen wir nicht
weiter heranziehen. Die angeführten Beispiele, bei denen wir etwas aus¬
führlicher zu verweilen uns nicht entschlagen konnten, sollen freilich nicht dazu
dienen, das überall sichtbare Bestreben des Autors, sich aller durch die Wissen¬
schaft ihm gegebenen linguistischen Hilfsmittel zur Belebung seines Stoffes im
vollsten Umfang zu bedienen, herabzusetzen oder an dem Fleiße und der Sorg¬
falt, mit der er sich auf einem ihm ursprünglich fremden Gebiete, sattelgerecht
erweist, irgendwie zu mäkeln, aber sie mögen doch für ihn und andere, die
in seinem Falle sind, als eine gelinde Ermahnung zu möglichster Vorsicht
und Bescheidung an ihrer Stelle sein. Wir würden es dankbar erkennen,
wenn unsere Bemerkungen in diesem Sinne, in demselben, dem sie entstammen,
auch aufgenommen würden.

Es ist leicht zu begreifen, daß die Sprache mit um so größerer Genauig¬
keit und Ausführlichkeit den Dingen gegenüber verfährt, je mehr diese dem
Volksbewußtsein an das Herz gewachsen, oder was meist dasselbe sein wird,
in die Bedürfnisse und den Gebrauch des täglichen Lebens verflochten sind.
Darum ist es nicht zu verwundern, daß es möglich war, drei und sechzig ver¬
schiedene Pferdenamen, d. h. solche, die als Appellative zur Bezeichnung des
ganzen Thieres dienen, zusammenzubringen. Sie stammen aus den verschiedensten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/415>, abgerufen am 22.07.2024.