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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Staat gegeben, der sie den Königen cediren kann, sowie auch der Staat durch
die Einrichtung der Natur das Recht hat, einen Tyrannen abzusetzen und
selbst zu tödten, wenn er denselben auf keine andere Weise los werden kann."

Tann er äußert sich in seiner Abhandlung ,,of justitia, (Zuaestio 8, u.
32, 34 kurz und bündig: "Jedem Bürger eines unterdrückten Staates ist er¬
laubt, einen Tyrannen, der sich im Wesentlichen als solcher zeigt, zu tödten."

Bei Suarez in seiner "vstensio 1?iäoi vat,lwliea,s, I.. VI. ä<z torma,
M-iunenti üäelitktii;, e. 4, n. 14 heißt es: "Es handelt sich darum, ob ein
Fürst wegen einer tyrannischen Regierung von einem Privatmanne umgebracht
werden darf. Zunächst muß man hier unterscheiden, ob jemand sich selbst oder
den Staat vertheidigen will. In dem ersteren Fall ist wieder zu unterscheiden
ob er sein Leben oder seine gesunden Glieder oder bloß seine äußeren Glücks
güter zu vertheidigen hat. Denn zur Vertheidigung der letzteren ist es nicht
erlaubt, einen König zu tödten, weil dessen Leben mehr werth ist als diese
Güter, und dann auch, weil er gewissermaßen Gott vorstellt und dessen Platz
vertritt. Allein wenn es sich um die Vertheidigung des eignen Lebens handelt,
welches der König dem Unterthan gewaltsam rauben will, so ist es diesem
in der Regel gestattet, sich zu vertheidigen, wenn dieß auch den Tod des
Fürsten nach sich ziehen sollte. Ist aber von der Vertheidigung des Staates
selbst die Rede, so findet diese nur in dem Falle statt, daß der König den
Staat wirklich angreift, um ihn ins Verderben zu stürzen, die Bürger zu
tödten u. d. Alsdann ist es gewißlich erlaubt, dem Fürsten, selbst durch Er¬
mordung desselben, Widerstand zu leisten, falls die Vertheidigung nicht anders
geschehen kann. Denn wenn dieß für das eigne Leben erlaubt ist, so ist es
noch mehr für das allgemeine Beste gestattet, und überdieß hat der Staat
alsdann ja einen gerechten Vertheidigungskrieg gegen einen ungerechten An¬
greifer, wäre dieser auch der eigne König. Also jeder Bürger kann in diesem
Falle als Glied des Staates und von demselben ausdrücklich oder stillschweigend
beauftragt, denselben vertheidigen."

Und weiterhin sagt derselbe jesuitische Schriftsteller (ein "(loetor 8'i'g.vis ot
plus"): "Nachdem ein König rechtmäßig abgesetzt ist, ist er nicht mehr König
noch rechtmäßiger Fürst; ja wenn ein solcher König nach seiner Absetzung
in seiner Hartnäckigkeit beharrt und die Negierung mit Gewalt in den Händen
behält, so ist er auch dem Namen nach ein Tyrann. Durch das über ihn
ausgesprochene Urtheil wird er der Regierung gänzlich verlustig, sodaß er auf
sie durchaus keinen rechtlichen Anspruch mehr hat. Er kann mithin auch von
demselben Augenblicke an in allen Stücken wie ein Tyrann behandelt und
folglich auch von jeder Privatperson getödtet werden."

Jacob Keller sagt in seiner Schrift: "Wie ein Katholik den Mord
eines Tyrannen zu betrachten hat": "Ist er durch Erbfolge, Wahl oder durch


Grenzboten 1872. lo. 48

Staat gegeben, der sie den Königen cediren kann, sowie auch der Staat durch
die Einrichtung der Natur das Recht hat, einen Tyrannen abzusetzen und
selbst zu tödten, wenn er denselben auf keine andere Weise los werden kann."

Tann er äußert sich in seiner Abhandlung ,,of justitia, (Zuaestio 8, u.
32, 34 kurz und bündig: „Jedem Bürger eines unterdrückten Staates ist er¬
laubt, einen Tyrannen, der sich im Wesentlichen als solcher zeigt, zu tödten."

Bei Suarez in seiner „vstensio 1?iäoi vat,lwliea,s, I.. VI. ä<z torma,
M-iunenti üäelitktii;, e. 4, n. 14 heißt es: „Es handelt sich darum, ob ein
Fürst wegen einer tyrannischen Regierung von einem Privatmanne umgebracht
werden darf. Zunächst muß man hier unterscheiden, ob jemand sich selbst oder
den Staat vertheidigen will. In dem ersteren Fall ist wieder zu unterscheiden
ob er sein Leben oder seine gesunden Glieder oder bloß seine äußeren Glücks
güter zu vertheidigen hat. Denn zur Vertheidigung der letzteren ist es nicht
erlaubt, einen König zu tödten, weil dessen Leben mehr werth ist als diese
Güter, und dann auch, weil er gewissermaßen Gott vorstellt und dessen Platz
vertritt. Allein wenn es sich um die Vertheidigung des eignen Lebens handelt,
welches der König dem Unterthan gewaltsam rauben will, so ist es diesem
in der Regel gestattet, sich zu vertheidigen, wenn dieß auch den Tod des
Fürsten nach sich ziehen sollte. Ist aber von der Vertheidigung des Staates
selbst die Rede, so findet diese nur in dem Falle statt, daß der König den
Staat wirklich angreift, um ihn ins Verderben zu stürzen, die Bürger zu
tödten u. d. Alsdann ist es gewißlich erlaubt, dem Fürsten, selbst durch Er¬
mordung desselben, Widerstand zu leisten, falls die Vertheidigung nicht anders
geschehen kann. Denn wenn dieß für das eigne Leben erlaubt ist, so ist es
noch mehr für das allgemeine Beste gestattet, und überdieß hat der Staat
alsdann ja einen gerechten Vertheidigungskrieg gegen einen ungerechten An¬
greifer, wäre dieser auch der eigne König. Also jeder Bürger kann in diesem
Falle als Glied des Staates und von demselben ausdrücklich oder stillschweigend
beauftragt, denselben vertheidigen."

Und weiterhin sagt derselbe jesuitische Schriftsteller (ein „(loetor 8'i'g.vis ot
plus"): „Nachdem ein König rechtmäßig abgesetzt ist, ist er nicht mehr König
noch rechtmäßiger Fürst; ja wenn ein solcher König nach seiner Absetzung
in seiner Hartnäckigkeit beharrt und die Negierung mit Gewalt in den Händen
behält, so ist er auch dem Namen nach ein Tyrann. Durch das über ihn
ausgesprochene Urtheil wird er der Regierung gänzlich verlustig, sodaß er auf
sie durchaus keinen rechtlichen Anspruch mehr hat. Er kann mithin auch von
demselben Augenblicke an in allen Stücken wie ein Tyrann behandelt und
folglich auch von jeder Privatperson getödtet werden."

Jacob Keller sagt in seiner Schrift: „Wie ein Katholik den Mord
eines Tyrannen zu betrachten hat": „Ist er durch Erbfolge, Wahl oder durch


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[0385] Staat gegeben, der sie den Königen cediren kann, sowie auch der Staat durch die Einrichtung der Natur das Recht hat, einen Tyrannen abzusetzen und selbst zu tödten, wenn er denselben auf keine andere Weise los werden kann." Tann er äußert sich in seiner Abhandlung ,,of justitia, (Zuaestio 8, u. 32, 34 kurz und bündig: „Jedem Bürger eines unterdrückten Staates ist er¬ laubt, einen Tyrannen, der sich im Wesentlichen als solcher zeigt, zu tödten." Bei Suarez in seiner „vstensio 1?iäoi vat,lwliea,s, I.. VI. ä<z torma, M-iunenti üäelitktii;, e. 4, n. 14 heißt es: „Es handelt sich darum, ob ein Fürst wegen einer tyrannischen Regierung von einem Privatmanne umgebracht werden darf. Zunächst muß man hier unterscheiden, ob jemand sich selbst oder den Staat vertheidigen will. In dem ersteren Fall ist wieder zu unterscheiden ob er sein Leben oder seine gesunden Glieder oder bloß seine äußeren Glücks güter zu vertheidigen hat. Denn zur Vertheidigung der letzteren ist es nicht erlaubt, einen König zu tödten, weil dessen Leben mehr werth ist als diese Güter, und dann auch, weil er gewissermaßen Gott vorstellt und dessen Platz vertritt. Allein wenn es sich um die Vertheidigung des eignen Lebens handelt, welches der König dem Unterthan gewaltsam rauben will, so ist es diesem in der Regel gestattet, sich zu vertheidigen, wenn dieß auch den Tod des Fürsten nach sich ziehen sollte. Ist aber von der Vertheidigung des Staates selbst die Rede, so findet diese nur in dem Falle statt, daß der König den Staat wirklich angreift, um ihn ins Verderben zu stürzen, die Bürger zu tödten u. d. Alsdann ist es gewißlich erlaubt, dem Fürsten, selbst durch Er¬ mordung desselben, Widerstand zu leisten, falls die Vertheidigung nicht anders geschehen kann. Denn wenn dieß für das eigne Leben erlaubt ist, so ist es noch mehr für das allgemeine Beste gestattet, und überdieß hat der Staat alsdann ja einen gerechten Vertheidigungskrieg gegen einen ungerechten An¬ greifer, wäre dieser auch der eigne König. Also jeder Bürger kann in diesem Falle als Glied des Staates und von demselben ausdrücklich oder stillschweigend beauftragt, denselben vertheidigen." Und weiterhin sagt derselbe jesuitische Schriftsteller (ein „(loetor 8'i'g.vis ot plus"): „Nachdem ein König rechtmäßig abgesetzt ist, ist er nicht mehr König noch rechtmäßiger Fürst; ja wenn ein solcher König nach seiner Absetzung in seiner Hartnäckigkeit beharrt und die Negierung mit Gewalt in den Händen behält, so ist er auch dem Namen nach ein Tyrann. Durch das über ihn ausgesprochene Urtheil wird er der Regierung gänzlich verlustig, sodaß er auf sie durchaus keinen rechtlichen Anspruch mehr hat. Er kann mithin auch von demselben Augenblicke an in allen Stücken wie ein Tyrann behandelt und folglich auch von jeder Privatperson getödtet werden." Jacob Keller sagt in seiner Schrift: „Wie ein Katholik den Mord eines Tyrannen zu betrachten hat": „Ist er durch Erbfolge, Wahl oder durch Grenzboten 1872. lo. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/385>, abgerufen am 04.07.2024.