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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Lehre der Hussiten gerichtet, welche glaubten, daß jeder Fürst durch eine schwere
Sünde seine Herrschaft verliere."

Mariana ist der eifrigste und dreisteste Bertheidiger des Rechts zum
Königsmorde, aber keineswegs der einzige in seinem Orden.

Sa lehrt in seinen "Aphorismen der Beichtväter" unter dem Worte
l^i'Alnus: "Derjenige, welcher einen Staat, den er rechtmäßig an sich ge¬
bracht hat, tyrannisch regiert, kann nur durch ein öffentliches Urtheil abge¬
setzt werden; sobald aber dieses Urtheil gefällt ist, kann sich jeder zum Voll¬
strecker desselben auswerfen. Ein solcher Fürst kann durch das Volk abgesetzt
werden, obschon es ihm ewige Treue geschworen hat, im Falle man ihn wegen
seiner schlechten Negierung zuvor ermahnt hat und er sich nicht bessern will.
Was aber Denjenigen betrifft, der die höchste Gewalt usurpirt hat und sie
tyrannisch übt, so darf jeder aus dem Volke ihn ums Leben bringen, wenn
es kein anderes Mittel giebt, sich des Tyrannen zu entledigen; denn er ist
ein öffentlicher Feind." Es mag hierbei bemerkt werden, daß Sa in derselben
Schrift unter dem Worte <H1sri<:u8 den Satz ausspricht: "Der Aufruhr eines
Geistlichen gegen einen König ist nicht Maiestätsverbrechen, denn ein Geist¬
licher ist nicht Unterthan des Königs."

Valencia in seinen Commentarien, Oisp. S (Zug,oft. 8 as Iwrmeiäio,
wirft die Frage aus: "Ist es jedem Staatsbürger erlaubt, einen Tyrannen
zu,ermorden? Antwort: Entweder ist der Tyrann ein solcher, der, ohne un¬
rechtmäßiger Weise sich der Herrschaft bemächtigt zu haben, von seiner an sich
legitimen Gewalt einen für die Gesellschaft gefährlichen Gebrauch macht, oder
ein solcher, der sich die Herrschaft angemaßt hat und sich nur durch Gewalt
im Besitz derselben erhält. Im erstern Falle steht es keinem Privatmann zu,
ihm das Leben zu nehmen; denn nur dem Staate ist es erlaubt, sich eines
Tyrannen dieser Art zu entledigen; er allein hat das Recht, ihn anzugreifen
und alle Bürger aufzufordern, dem gemeinen Wesen zu Hilfe zu kommen.
Im andern Fall hat jeder, wer es auch sei, das Recht, den Tyrannen zu er¬
morden, es wäre denn, daß aus einem solchen Morde ein noch größerer Nach¬
theil für die Gesellschaft erwüchse."

Bonarscius in seinem "^mMtlieatrum novorum" richtet an die Stadt
Rom folgende Frage: "Warumhast Du den Tarquinius entthront und seine
Familie vertrieben? Der an Lucretia verübte Frevel berechtigte Dich dazu.
Und Du solltest keine Ursache haben, den König von Frankreich -- er meint
Heinrich den Vierten -- einen tyrannischen Herrscher und Unterdrücker der
Freiheit, vom Thron zu stoßen? Kein Krieger sollte sich finden, der seine
Waffen gegen diese wilde Bestie erhöbe?"

Salas in seinem ^raetaws as I^-idus, Huaest, 95, sagt: "Ebenso wie
ihr sagt, Gott gebe den Königen die Macht, Verbrecher mit dem Tode zu
bestrafen, sage ich, Gott als Urheber der Natur hat solche Macht auch dem


Lehre der Hussiten gerichtet, welche glaubten, daß jeder Fürst durch eine schwere
Sünde seine Herrschaft verliere."

Mariana ist der eifrigste und dreisteste Bertheidiger des Rechts zum
Königsmorde, aber keineswegs der einzige in seinem Orden.

Sa lehrt in seinen „Aphorismen der Beichtväter" unter dem Worte
l^i'Alnus: „Derjenige, welcher einen Staat, den er rechtmäßig an sich ge¬
bracht hat, tyrannisch regiert, kann nur durch ein öffentliches Urtheil abge¬
setzt werden; sobald aber dieses Urtheil gefällt ist, kann sich jeder zum Voll¬
strecker desselben auswerfen. Ein solcher Fürst kann durch das Volk abgesetzt
werden, obschon es ihm ewige Treue geschworen hat, im Falle man ihn wegen
seiner schlechten Negierung zuvor ermahnt hat und er sich nicht bessern will.
Was aber Denjenigen betrifft, der die höchste Gewalt usurpirt hat und sie
tyrannisch übt, so darf jeder aus dem Volke ihn ums Leben bringen, wenn
es kein anderes Mittel giebt, sich des Tyrannen zu entledigen; denn er ist
ein öffentlicher Feind." Es mag hierbei bemerkt werden, daß Sa in derselben
Schrift unter dem Worte <H1sri<:u8 den Satz ausspricht: „Der Aufruhr eines
Geistlichen gegen einen König ist nicht Maiestätsverbrechen, denn ein Geist¬
licher ist nicht Unterthan des Königs."

Valencia in seinen Commentarien, Oisp. S (Zug,oft. 8 as Iwrmeiäio,
wirft die Frage aus: „Ist es jedem Staatsbürger erlaubt, einen Tyrannen
zu,ermorden? Antwort: Entweder ist der Tyrann ein solcher, der, ohne un¬
rechtmäßiger Weise sich der Herrschaft bemächtigt zu haben, von seiner an sich
legitimen Gewalt einen für die Gesellschaft gefährlichen Gebrauch macht, oder
ein solcher, der sich die Herrschaft angemaßt hat und sich nur durch Gewalt
im Besitz derselben erhält. Im erstern Falle steht es keinem Privatmann zu,
ihm das Leben zu nehmen; denn nur dem Staate ist es erlaubt, sich eines
Tyrannen dieser Art zu entledigen; er allein hat das Recht, ihn anzugreifen
und alle Bürger aufzufordern, dem gemeinen Wesen zu Hilfe zu kommen.
Im andern Fall hat jeder, wer es auch sei, das Recht, den Tyrannen zu er¬
morden, es wäre denn, daß aus einem solchen Morde ein noch größerer Nach¬
theil für die Gesellschaft erwüchse."

Bonarscius in seinem „^mMtlieatrum novorum" richtet an die Stadt
Rom folgende Frage: „Warumhast Du den Tarquinius entthront und seine
Familie vertrieben? Der an Lucretia verübte Frevel berechtigte Dich dazu.
Und Du solltest keine Ursache haben, den König von Frankreich — er meint
Heinrich den Vierten — einen tyrannischen Herrscher und Unterdrücker der
Freiheit, vom Thron zu stoßen? Kein Krieger sollte sich finden, der seine
Waffen gegen diese wilde Bestie erhöbe?"

Salas in seinem ^raetaws as I^-idus, Huaest, 95, sagt: „Ebenso wie
ihr sagt, Gott gebe den Königen die Macht, Verbrecher mit dem Tode zu
bestrafen, sage ich, Gott als Urheber der Natur hat solche Macht auch dem


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[0384] Lehre der Hussiten gerichtet, welche glaubten, daß jeder Fürst durch eine schwere Sünde seine Herrschaft verliere." Mariana ist der eifrigste und dreisteste Bertheidiger des Rechts zum Königsmorde, aber keineswegs der einzige in seinem Orden. Sa lehrt in seinen „Aphorismen der Beichtväter" unter dem Worte l^i'Alnus: „Derjenige, welcher einen Staat, den er rechtmäßig an sich ge¬ bracht hat, tyrannisch regiert, kann nur durch ein öffentliches Urtheil abge¬ setzt werden; sobald aber dieses Urtheil gefällt ist, kann sich jeder zum Voll¬ strecker desselben auswerfen. Ein solcher Fürst kann durch das Volk abgesetzt werden, obschon es ihm ewige Treue geschworen hat, im Falle man ihn wegen seiner schlechten Negierung zuvor ermahnt hat und er sich nicht bessern will. Was aber Denjenigen betrifft, der die höchste Gewalt usurpirt hat und sie tyrannisch übt, so darf jeder aus dem Volke ihn ums Leben bringen, wenn es kein anderes Mittel giebt, sich des Tyrannen zu entledigen; denn er ist ein öffentlicher Feind." Es mag hierbei bemerkt werden, daß Sa in derselben Schrift unter dem Worte <H1sri<:u8 den Satz ausspricht: „Der Aufruhr eines Geistlichen gegen einen König ist nicht Maiestätsverbrechen, denn ein Geist¬ licher ist nicht Unterthan des Königs." Valencia in seinen Commentarien, Oisp. S (Zug,oft. 8 as Iwrmeiäio, wirft die Frage aus: „Ist es jedem Staatsbürger erlaubt, einen Tyrannen zu,ermorden? Antwort: Entweder ist der Tyrann ein solcher, der, ohne un¬ rechtmäßiger Weise sich der Herrschaft bemächtigt zu haben, von seiner an sich legitimen Gewalt einen für die Gesellschaft gefährlichen Gebrauch macht, oder ein solcher, der sich die Herrschaft angemaßt hat und sich nur durch Gewalt im Besitz derselben erhält. Im erstern Falle steht es keinem Privatmann zu, ihm das Leben zu nehmen; denn nur dem Staate ist es erlaubt, sich eines Tyrannen dieser Art zu entledigen; er allein hat das Recht, ihn anzugreifen und alle Bürger aufzufordern, dem gemeinen Wesen zu Hilfe zu kommen. Im andern Fall hat jeder, wer es auch sei, das Recht, den Tyrannen zu er¬ morden, es wäre denn, daß aus einem solchen Morde ein noch größerer Nach¬ theil für die Gesellschaft erwüchse." Bonarscius in seinem „^mMtlieatrum novorum" richtet an die Stadt Rom folgende Frage: „Warumhast Du den Tarquinius entthront und seine Familie vertrieben? Der an Lucretia verübte Frevel berechtigte Dich dazu. Und Du solltest keine Ursache haben, den König von Frankreich — er meint Heinrich den Vierten — einen tyrannischen Herrscher und Unterdrücker der Freiheit, vom Thron zu stoßen? Kein Krieger sollte sich finden, der seine Waffen gegen diese wilde Bestie erhöbe?" Salas in seinem ^raetaws as I^-idus, Huaest, 95, sagt: „Ebenso wie ihr sagt, Gott gebe den Königen die Macht, Verbrecher mit dem Tode zu bestrafen, sage ich, Gott als Urheber der Natur hat solche Macht auch dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/384>, abgerufen am 04.07.2024.