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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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man darf ihn auch ermorden mit List, im Hinterhalte wie Ehud den Moabiter-
könig Eglon niederstreckte. Es beweist zwar größere Kraft und höhere Mann-
haftigkeit, Feindschaft offen zu üben und ohne Versteck sich aus den Feind zu
stürzen. Aber es ist nicht weniger ein Beweis von Klugheit, Betrug und
Hinterlist anzuwenden, womit sowohl für den Einzelnen als für den Staat
weniger Gefahr verbunden ist. und ich lobe mir die Sitte der Spartaner,
welche dem Mars einen weißen Hahn opferten, wenn sie in einer Feldschlacht
gesiegt hatten, hingegen einen fetten Ochsen, wenn der Feind einer List oder
im Hinterhalt erlegen war." "Indessen fragt sich's, ob es auf gleiche Weise
erlaubt sei, einen öffentlichen Feind oder Tyrannen durch Gift und tödtliche
Kräuter umzubringen. Unseres Wissens ist das oft geschehen, und wir glauben
nicht, daß jemand, der zum Morde entschlossen ist, die dazu gebotene Gelegenheit
fahren lassen und sie erst dem Urtheil der Theologen unterbreiten wird. Ferner
ist der Mord durch Gift mit weit weniger Gefahr und größerer Hoffnung auf
Straflosigkeit verbunden; er trübt die öffentliche Freude nicht, da der Tyrann
vertilgt, der Urheber der dadurch hervorgerufnen öffentlichen Freude aber gerettet
wird." "Wir untersuchen indeß hier nicht, was die Menschen thun, sondern was
die Gesetze der Natur erlauben, und nach diesen ist es völlig einerlei, ob du
mit dem Dolche oder mit Gift mordest, besonders da ja List und Trug beim
Tyrannenmorde gestattet sind." "Zwar fällt es schwer, einem Fürsten Gift
beizubringen, da er von seinen Hofleuten umgeben ist, jede Speise vorher
kosten läßt und von Wachen beschützt wird. Aber wenn sich eine Gelegenheit
findet, wer ist dann wohl so spitzfindig und subtil, daß er einen Unterschied
zwischen beiden Todesarten machen wollte!"

Mariana meint dann, indem er damit die Versigtungsbefugniß zu be¬
schränken glaubt, man dürfe das Gift dem König nicht in Speisen oder Ge¬
tränke mischen, sondern es ihm nur von außen beibringen, so daß er nicht
selber zu seinem Tode beitrage. "Denn man hat ja auch Gift von solcher
Wirkung, daß ein Stuhl oder ein Kleid, damit bestrichen, zu tödten vermag.
So haben ja oft die maurischen Könige ihre Feinde ermordet durch über¬
sandte kostbare Geschenke, Kleider, Leinwand. Waffen, Sättel."

"Nun könnte aber", so schließt der fürchterliche Jesuit seine Erörterung,
"jemand gegen den Tyrannenmord überhaupt einwenden, daß das Concil zu
Constanz in der vierten Session den Satz verdammt hat. daß ein Tyrann von
einem jeden Unterthan nicht nur mit offener Gewalt, sondern auch durch
Hinterhalt und List getödtet werden könne. Aber ich finde nicht, daß Papst
Martin der Fünfte dieses Decret des Concils gebilligt habe, und ebenso wenig
ist dieß durch Eugen den Vierten oder dessen Nachfolger geschehen, von deren
Beistimmung die Concile von Constanz und Basel allein Gültigkeit erhielten.
Dazu war jenes Decret durchaus kein allgemeines, sondern speciell gegen die


man darf ihn auch ermorden mit List, im Hinterhalte wie Ehud den Moabiter-
könig Eglon niederstreckte. Es beweist zwar größere Kraft und höhere Mann-
haftigkeit, Feindschaft offen zu üben und ohne Versteck sich aus den Feind zu
stürzen. Aber es ist nicht weniger ein Beweis von Klugheit, Betrug und
Hinterlist anzuwenden, womit sowohl für den Einzelnen als für den Staat
weniger Gefahr verbunden ist. und ich lobe mir die Sitte der Spartaner,
welche dem Mars einen weißen Hahn opferten, wenn sie in einer Feldschlacht
gesiegt hatten, hingegen einen fetten Ochsen, wenn der Feind einer List oder
im Hinterhalt erlegen war." „Indessen fragt sich's, ob es auf gleiche Weise
erlaubt sei, einen öffentlichen Feind oder Tyrannen durch Gift und tödtliche
Kräuter umzubringen. Unseres Wissens ist das oft geschehen, und wir glauben
nicht, daß jemand, der zum Morde entschlossen ist, die dazu gebotene Gelegenheit
fahren lassen und sie erst dem Urtheil der Theologen unterbreiten wird. Ferner
ist der Mord durch Gift mit weit weniger Gefahr und größerer Hoffnung auf
Straflosigkeit verbunden; er trübt die öffentliche Freude nicht, da der Tyrann
vertilgt, der Urheber der dadurch hervorgerufnen öffentlichen Freude aber gerettet
wird." „Wir untersuchen indeß hier nicht, was die Menschen thun, sondern was
die Gesetze der Natur erlauben, und nach diesen ist es völlig einerlei, ob du
mit dem Dolche oder mit Gift mordest, besonders da ja List und Trug beim
Tyrannenmorde gestattet sind." „Zwar fällt es schwer, einem Fürsten Gift
beizubringen, da er von seinen Hofleuten umgeben ist, jede Speise vorher
kosten läßt und von Wachen beschützt wird. Aber wenn sich eine Gelegenheit
findet, wer ist dann wohl so spitzfindig und subtil, daß er einen Unterschied
zwischen beiden Todesarten machen wollte!"

Mariana meint dann, indem er damit die Versigtungsbefugniß zu be¬
schränken glaubt, man dürfe das Gift dem König nicht in Speisen oder Ge¬
tränke mischen, sondern es ihm nur von außen beibringen, so daß er nicht
selber zu seinem Tode beitrage. „Denn man hat ja auch Gift von solcher
Wirkung, daß ein Stuhl oder ein Kleid, damit bestrichen, zu tödten vermag.
So haben ja oft die maurischen Könige ihre Feinde ermordet durch über¬
sandte kostbare Geschenke, Kleider, Leinwand. Waffen, Sättel."

„Nun könnte aber", so schließt der fürchterliche Jesuit seine Erörterung,
„jemand gegen den Tyrannenmord überhaupt einwenden, daß das Concil zu
Constanz in der vierten Session den Satz verdammt hat. daß ein Tyrann von
einem jeden Unterthan nicht nur mit offener Gewalt, sondern auch durch
Hinterhalt und List getödtet werden könne. Aber ich finde nicht, daß Papst
Martin der Fünfte dieses Decret des Concils gebilligt habe, und ebenso wenig
ist dieß durch Eugen den Vierten oder dessen Nachfolger geschehen, von deren
Beistimmung die Concile von Constanz und Basel allein Gültigkeit erhielten.
Dazu war jenes Decret durchaus kein allgemeines, sondern speciell gegen die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/383>, abgerufen am 04.07.2024.