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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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zugegen, unter diesen auch dem Auslande bekannte Männer, wie Professor
Ossium, der Oberpriester Wasslijew, das frühere Haupt der orthodoxen Ge¬
meinde zu Paris, und der frühere Geistliche an der Wiesbadener Kapelle, der
gelehrte Oberpriester Janischew. Aus Nützlichskeitsrücksichten einigte man sich
dahin, sich als Petersburger Abtheilung der alten Moskaner Gesellschaft zu
constituiren. Doch nahm man nur theilweise die Satzungen" derselben auf,
und ging namentlich über dies Programm weit hinaus durch Annahme der
folgenden dritten Satzung: Beziehungen mit den Vorkämpfern der rechtgläubigen
Wahrheiten im Auslande zu unterhalten, ihnen eine moralische Unterstützung zu
leisten und an der Verbreitung gesunder Begriffe über die orthodoxeKircheim auslän¬
dischen Publikum mitzuarbeiten. Darin ist der eigentliche Kern und Zweck des Vereins
ausgesprochen. Unter den bestimmenden Ursachen, welche den Plan zur Reife ge¬
bracht, wird ausdrücklich "die wichtige religiöse Bewegung, welche sich im Westen
geltend macht" genannt und hinzugefügt: "der Verein wird'die Mittel haben,
dem Gange dieser Bewegung zu folgen und denen der Vorkämpfer die Hand zu
reichen, welche ihre Blicke auf die rechtgläubige Kirche richten." Wenn da¬
neben betont wurde, daß der Verein ein nicht officieller sei, so war es doch
bekannt, daß das Unternehmen von officieller Seite von vornherein gutge¬
heißen worden, und der heilige spröd säumte denn auch nicht, dem Programm
seine Zustimmung zu ertheilen und durch seinen Oberprocurator um die
Allerhöchste Bestätigung nachzusuchen, welche sofort gewährt wurde.

In der öffentlichen Kundgebung dieser Gedanken und Zwecke bestand die
erste Thätigkeit des neuen Vereins. In dem Schriftstück, welches darauf be¬
rechnet war, demselben in Rußland allgemeinen Anklang zu erwerben, heißt
es u. A.: "Augenblicklich wird der Mangel eines solchen gesellschaftlichen
Mittelpunkts noch fühlbarer und kann derselbe für die Erfolge der Ortho¬
doxie geradezu nachtheilig werden; denn bei der gewaltigen religiösen Bewegung
im Westen Europas steht zu erwarten, daß man sich immer häusiger an uns
Russen als Mitglieder der rechtgläubigen Kirche wenden wird. Wer aber
soll diese Fragen beantworten? Der Kirchen-Obrigkeit steht es nicht.an, sich
auf alle Einzelheiten der religiösen Fragen einzulassen, welche unsere Epoche
bewegen; ihr Wort ist nur in entscheidenden Fällen am Orte." In gleichem
Sinne wirkte der Erzbischof Wasslijew durch eine höchst bedeutungsvolle Rede,
welche die gewinnende Auslegung der griechischen Glaubensregeln und die
großen Reformgedanken enthielt, die zu Anfang dieses geschichtlichen Ueber¬
blicks den gewaltigen Umschwung innerhalb der rechtgläubigen Kirche beleuch¬
ten. Auch wurden die Zwecke des Vereins dem Auslande in Broschüren zu¬
gänglich gemacht. -- Um der Vereinigung mit den Altkatholiken practische
Förderung zu Theil werden zu lassen, begab sich Herr Wasslijew nach Frank¬
reich, um das dortige Haupt derselben, den Abbe Michaud, für den Gedanken


zugegen, unter diesen auch dem Auslande bekannte Männer, wie Professor
Ossium, der Oberpriester Wasslijew, das frühere Haupt der orthodoxen Ge¬
meinde zu Paris, und der frühere Geistliche an der Wiesbadener Kapelle, der
gelehrte Oberpriester Janischew. Aus Nützlichskeitsrücksichten einigte man sich
dahin, sich als Petersburger Abtheilung der alten Moskaner Gesellschaft zu
constituiren. Doch nahm man nur theilweise die Satzungen" derselben auf,
und ging namentlich über dies Programm weit hinaus durch Annahme der
folgenden dritten Satzung: Beziehungen mit den Vorkämpfern der rechtgläubigen
Wahrheiten im Auslande zu unterhalten, ihnen eine moralische Unterstützung zu
leisten und an der Verbreitung gesunder Begriffe über die orthodoxeKircheim auslän¬
dischen Publikum mitzuarbeiten. Darin ist der eigentliche Kern und Zweck des Vereins
ausgesprochen. Unter den bestimmenden Ursachen, welche den Plan zur Reife ge¬
bracht, wird ausdrücklich „die wichtige religiöse Bewegung, welche sich im Westen
geltend macht" genannt und hinzugefügt: „der Verein wird'die Mittel haben,
dem Gange dieser Bewegung zu folgen und denen der Vorkämpfer die Hand zu
reichen, welche ihre Blicke auf die rechtgläubige Kirche richten." Wenn da¬
neben betont wurde, daß der Verein ein nicht officieller sei, so war es doch
bekannt, daß das Unternehmen von officieller Seite von vornherein gutge¬
heißen worden, und der heilige spröd säumte denn auch nicht, dem Programm
seine Zustimmung zu ertheilen und durch seinen Oberprocurator um die
Allerhöchste Bestätigung nachzusuchen, welche sofort gewährt wurde.

In der öffentlichen Kundgebung dieser Gedanken und Zwecke bestand die
erste Thätigkeit des neuen Vereins. In dem Schriftstück, welches darauf be¬
rechnet war, demselben in Rußland allgemeinen Anklang zu erwerben, heißt
es u. A.: „Augenblicklich wird der Mangel eines solchen gesellschaftlichen
Mittelpunkts noch fühlbarer und kann derselbe für die Erfolge der Ortho¬
doxie geradezu nachtheilig werden; denn bei der gewaltigen religiösen Bewegung
im Westen Europas steht zu erwarten, daß man sich immer häusiger an uns
Russen als Mitglieder der rechtgläubigen Kirche wenden wird. Wer aber
soll diese Fragen beantworten? Der Kirchen-Obrigkeit steht es nicht.an, sich
auf alle Einzelheiten der religiösen Fragen einzulassen, welche unsere Epoche
bewegen; ihr Wort ist nur in entscheidenden Fällen am Orte." In gleichem
Sinne wirkte der Erzbischof Wasslijew durch eine höchst bedeutungsvolle Rede,
welche die gewinnende Auslegung der griechischen Glaubensregeln und die
großen Reformgedanken enthielt, die zu Anfang dieses geschichtlichen Ueber¬
blicks den gewaltigen Umschwung innerhalb der rechtgläubigen Kirche beleuch¬
ten. Auch wurden die Zwecke des Vereins dem Auslande in Broschüren zu¬
gänglich gemacht. — Um der Vereinigung mit den Altkatholiken practische
Förderung zu Theil werden zu lassen, begab sich Herr Wasslijew nach Frank¬
reich, um das dortige Haupt derselben, den Abbe Michaud, für den Gedanken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/347>, abgerufen am 02.07.2024.