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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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loren. Gleichwohl ist unsere Stellung eine ungleich bessere als vor dem
12. Mai. Der Hauptvorwurf, den man damals dem Entwurf zur neuen
Bundesverfassung machte, war der, das Volk habe eine Revision des Bundes
von 1848 nie verlangt und nicht einmal gewünscht -- das ganze Machwerk sei
ein "Herrenbund". Nun haben aber am 27. October alle Candidaten un¬
serer Partei dem Volke offen erklärt, daß sie, falls gewählt, sofort eine neue
Revision an die Hand nehmen würden. Wählte nun das Volk sie gleichwohl,
so erklärte es dadurch seine Zustimmung zu ihrem Vorhaben, es nahm sie
und sich selbst für eine neue Revision in Pflicht. Zudem hatte es am 12. Mai
den Anschein, als stünden Konfessionen und Nationalitäten sich entgegen, der
deutsch-protestantischen Schweiz die katholische einerseits, die romanische anderer¬
seits. Dieser Schein ist verflogen: neben den Cantonen Schaffhausen, Zürich,
Basel und Bern, die in ihren Vertretungen auch die letzten Gegner der Re¬
vision (so Zürich Dubs) ausgemerzt haben, steht nun das fast ausschließlich
katholische Solothurn und das französische Neuenburg. Die katholischen Can-
tone Luzern und Tessin sind wenigstens getheilt, getheilt auch das paritätische
Bünden; die ebenfalls paritätischen Aargau und Se. Gallen sind mit je einer
einzigen Ausnahme revisionistisch, Glarus und Thurgau ganz. So bildet
unsere Parrei ein geschlossenes Ganze mit festem Ziel, während unsere Gegner
uns nichts entgegen zu setzen vermögen, das einem Princip auch nur von
ferne ähnlich sieht, weder den katholischen Glauben noch das romanische Blut,
ja nicht einmal die Cantonalhoheit, seit zwei Drittel unseres Volkes über sie
zur Tagesordnung geschritten sind.

Durch die am 2. December zusammentretende Bundesversammlung wird
ein frischer Luftzug wehen. Höchst wahrscheinlich wird der Bundesrath ganz
aus Freunden der Revision bestellt und sodann der am 12. Mai verworfene
Entwurf zu einer neuen Bundesverfassung sofort einer neuen Berathung unter¬
breitet werden. Daß demselben -- so schnell brechen gute Gedanken sich Bahn --
schon jetzt die Mehrheit des Volkes gewonnen ist, bezweifelt Niemand mehr.
Fraglich ist nur, wie zu diesem Entwurf der in letzter Zeit eher revisions¬
feindlich gewordene Ständerath sich stellen wird. Hier liegt der Knoten. Ob
". zu lösen oder zu zerhauen, davon das nächste Mal.




UanKe's neueste Werke.

Der Altmeister unserer deutschen Historiker, Leopold von Ranke, hat be¬
kanntlich die Muse seines Alters dazu bestimmt, noch eine Anzahl neuer Ar-


loren. Gleichwohl ist unsere Stellung eine ungleich bessere als vor dem
12. Mai. Der Hauptvorwurf, den man damals dem Entwurf zur neuen
Bundesverfassung machte, war der, das Volk habe eine Revision des Bundes
von 1848 nie verlangt und nicht einmal gewünscht — das ganze Machwerk sei
ein „Herrenbund". Nun haben aber am 27. October alle Candidaten un¬
serer Partei dem Volke offen erklärt, daß sie, falls gewählt, sofort eine neue
Revision an die Hand nehmen würden. Wählte nun das Volk sie gleichwohl,
so erklärte es dadurch seine Zustimmung zu ihrem Vorhaben, es nahm sie
und sich selbst für eine neue Revision in Pflicht. Zudem hatte es am 12. Mai
den Anschein, als stünden Konfessionen und Nationalitäten sich entgegen, der
deutsch-protestantischen Schweiz die katholische einerseits, die romanische anderer¬
seits. Dieser Schein ist verflogen: neben den Cantonen Schaffhausen, Zürich,
Basel und Bern, die in ihren Vertretungen auch die letzten Gegner der Re¬
vision (so Zürich Dubs) ausgemerzt haben, steht nun das fast ausschließlich
katholische Solothurn und das französische Neuenburg. Die katholischen Can-
tone Luzern und Tessin sind wenigstens getheilt, getheilt auch das paritätische
Bünden; die ebenfalls paritätischen Aargau und Se. Gallen sind mit je einer
einzigen Ausnahme revisionistisch, Glarus und Thurgau ganz. So bildet
unsere Parrei ein geschlossenes Ganze mit festem Ziel, während unsere Gegner
uns nichts entgegen zu setzen vermögen, das einem Princip auch nur von
ferne ähnlich sieht, weder den katholischen Glauben noch das romanische Blut,
ja nicht einmal die Cantonalhoheit, seit zwei Drittel unseres Volkes über sie
zur Tagesordnung geschritten sind.

Durch die am 2. December zusammentretende Bundesversammlung wird
ein frischer Luftzug wehen. Höchst wahrscheinlich wird der Bundesrath ganz
aus Freunden der Revision bestellt und sodann der am 12. Mai verworfene
Entwurf zu einer neuen Bundesverfassung sofort einer neuen Berathung unter¬
breitet werden. Daß demselben — so schnell brechen gute Gedanken sich Bahn —
schon jetzt die Mehrheit des Volkes gewonnen ist, bezweifelt Niemand mehr.
Fraglich ist nur, wie zu diesem Entwurf der in letzter Zeit eher revisions¬
feindlich gewordene Ständerath sich stellen wird. Hier liegt der Knoten. Ob
«. zu lösen oder zu zerhauen, davon das nächste Mal.




UanKe's neueste Werke.

Der Altmeister unserer deutschen Historiker, Leopold von Ranke, hat be¬
kanntlich die Muse seines Alters dazu bestimmt, noch eine Anzahl neuer Ar-


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[0316] loren. Gleichwohl ist unsere Stellung eine ungleich bessere als vor dem 12. Mai. Der Hauptvorwurf, den man damals dem Entwurf zur neuen Bundesverfassung machte, war der, das Volk habe eine Revision des Bundes von 1848 nie verlangt und nicht einmal gewünscht — das ganze Machwerk sei ein „Herrenbund". Nun haben aber am 27. October alle Candidaten un¬ serer Partei dem Volke offen erklärt, daß sie, falls gewählt, sofort eine neue Revision an die Hand nehmen würden. Wählte nun das Volk sie gleichwohl, so erklärte es dadurch seine Zustimmung zu ihrem Vorhaben, es nahm sie und sich selbst für eine neue Revision in Pflicht. Zudem hatte es am 12. Mai den Anschein, als stünden Konfessionen und Nationalitäten sich entgegen, der deutsch-protestantischen Schweiz die katholische einerseits, die romanische anderer¬ seits. Dieser Schein ist verflogen: neben den Cantonen Schaffhausen, Zürich, Basel und Bern, die in ihren Vertretungen auch die letzten Gegner der Re¬ vision (so Zürich Dubs) ausgemerzt haben, steht nun das fast ausschließlich katholische Solothurn und das französische Neuenburg. Die katholischen Can- tone Luzern und Tessin sind wenigstens getheilt, getheilt auch das paritätische Bünden; die ebenfalls paritätischen Aargau und Se. Gallen sind mit je einer einzigen Ausnahme revisionistisch, Glarus und Thurgau ganz. So bildet unsere Parrei ein geschlossenes Ganze mit festem Ziel, während unsere Gegner uns nichts entgegen zu setzen vermögen, das einem Princip auch nur von ferne ähnlich sieht, weder den katholischen Glauben noch das romanische Blut, ja nicht einmal die Cantonalhoheit, seit zwei Drittel unseres Volkes über sie zur Tagesordnung geschritten sind. Durch die am 2. December zusammentretende Bundesversammlung wird ein frischer Luftzug wehen. Höchst wahrscheinlich wird der Bundesrath ganz aus Freunden der Revision bestellt und sodann der am 12. Mai verworfene Entwurf zu einer neuen Bundesverfassung sofort einer neuen Berathung unter¬ breitet werden. Daß demselben — so schnell brechen gute Gedanken sich Bahn — schon jetzt die Mehrheit des Volkes gewonnen ist, bezweifelt Niemand mehr. Fraglich ist nur, wie zu diesem Entwurf der in letzter Zeit eher revisions¬ feindlich gewordene Ständerath sich stellen wird. Hier liegt der Knoten. Ob «. zu lösen oder zu zerhauen, davon das nächste Mal. UanKe's neueste Werke. Der Altmeister unserer deutschen Historiker, Leopold von Ranke, hat be¬ kanntlich die Muse seines Alters dazu bestimmt, noch eine Anzahl neuer Ar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/316>, abgerufen am 03.07.2024.