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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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schenhände dieselben geschaffen haben. Uebung macht hier den Meister und die
Erkenntniß wird nicht jedem leicht.

Ein sehr interessanter Abschnitt in Evans' Werke behandelt die Art und
Weise wie die Steingeräthe in vorgeschichtlichen Zeiten fabricirt wurden, und
als Vorbild dienen dem Verfasser die alten Feuersteinfabriken der Gegenwart,
die trotz Zündhütchen und Hinterlader noch nicht ganz ausgestorben sind.
In England werden noch wöchentlich etwa 250,000 solcher "Flinte" geschlagen,
die regelmäßig nach Afrika ausgeführt werden, wo die alten Feuersteingewehre
Europas unter den Negern Absatz gefunden haben. Zu Brandon schlägt mit
Hämmern und Stahlmeißeln ein geübter Flintschläger zwischen 16,000 und
l8,000 Stück in der Woche und so wie er noch heute sein Geschäft be¬
treibt, so auch der Urmensch im Steinzeitalter. Doch der Mann der Gegen¬
wart hat ja eiserne Werkzeuge bei seiner Arbeit, wird man einwerfen. Aber
Evans ließ große Feuersteinkugeln mit Steinhämmern und Steinmeißeln
bearbeiten und der Flintschläger stellte mit deren Hilfe Werkzeuge her, die ganz
jenen der Steinzeit glichen. Der berühmte schwedische Archäolog Nilsson hat
dasselbe Experiment gemacht und es kann daher kein Zweifel über die Art
und Weise aufkommen, wie die alten Steingeräthe hergestellt wurden. In¬
dessen moderne Experimente und die Theorie könnten uns einmal im Stiche
lassen; da helfen dann dem Forscher die alten Fabriken, die man aufgefunden
hat, die Orte, an denen die Feuersteingeräthe massenhaft von dem Urmenschen
zugehauen wurden. Und solche Fabriken sind keineswegs selten. Eine der
interessantesten hat vor wenigen Jahren Ernst Perrault an der Saone ent¬
deckt"); er wies die Geräthe, Beile, Pfeilspitzen, Hämmer, Mahlsteine in allen
Stadien der Entwicklung nach und zeigte deutlich, wie die alten Steinzeit¬
künstler arbeiteten. Eine fernere Anschauung, wie die Steinzeitmenschen ihre
Werkzeuge und Waffen herstellten, geben uns noch heute aus Feuerstein,
Obsidian gefertigte Waffen verschiedener wilder Völkerschaften in Australien,
Südamerika u. s. w., deren Verfcchrungsart meist bekannt ist. In allen Fällen
war der Polirstein, auf welchem die alten Geräthe durch Abschleifen geglättet
wurden, feststehend; er drehte sich nicht und fast immer sind die Polirstriche
auf den alten Geräthen der Länge nach verlaufend, nicht der Quere nach und
dies ist dann auch ein Kriterium der echten alten Werkzeuge. An unechten
ist für leichtgläubige Liebhaber auch schon kein Mangel mehr. Man hat aber
auch die Beweise, daß durch Sägen mit Feuersteinen unter Beihülfe von
Wasser die alten Steingeräthe hergestellt wurden, ein Prozeß, der bis in die
neueste Zeit den Neuseeländern noch bekannt war. Die Löcher und Höhlungen



") Rot" um' un fo^er no I'-iss la piorrv xoliv "löeouvert an vamp no LImm"? Kto.
oUalons 1870.

schenhände dieselben geschaffen haben. Uebung macht hier den Meister und die
Erkenntniß wird nicht jedem leicht.

Ein sehr interessanter Abschnitt in Evans' Werke behandelt die Art und
Weise wie die Steingeräthe in vorgeschichtlichen Zeiten fabricirt wurden, und
als Vorbild dienen dem Verfasser die alten Feuersteinfabriken der Gegenwart,
die trotz Zündhütchen und Hinterlader noch nicht ganz ausgestorben sind.
In England werden noch wöchentlich etwa 250,000 solcher „Flinte" geschlagen,
die regelmäßig nach Afrika ausgeführt werden, wo die alten Feuersteingewehre
Europas unter den Negern Absatz gefunden haben. Zu Brandon schlägt mit
Hämmern und Stahlmeißeln ein geübter Flintschläger zwischen 16,000 und
l8,000 Stück in der Woche und so wie er noch heute sein Geschäft be¬
treibt, so auch der Urmensch im Steinzeitalter. Doch der Mann der Gegen¬
wart hat ja eiserne Werkzeuge bei seiner Arbeit, wird man einwerfen. Aber
Evans ließ große Feuersteinkugeln mit Steinhämmern und Steinmeißeln
bearbeiten und der Flintschläger stellte mit deren Hilfe Werkzeuge her, die ganz
jenen der Steinzeit glichen. Der berühmte schwedische Archäolog Nilsson hat
dasselbe Experiment gemacht und es kann daher kein Zweifel über die Art
und Weise aufkommen, wie die alten Steingeräthe hergestellt wurden. In¬
dessen moderne Experimente und die Theorie könnten uns einmal im Stiche
lassen; da helfen dann dem Forscher die alten Fabriken, die man aufgefunden
hat, die Orte, an denen die Feuersteingeräthe massenhaft von dem Urmenschen
zugehauen wurden. Und solche Fabriken sind keineswegs selten. Eine der
interessantesten hat vor wenigen Jahren Ernst Perrault an der Saone ent¬
deckt"); er wies die Geräthe, Beile, Pfeilspitzen, Hämmer, Mahlsteine in allen
Stadien der Entwicklung nach und zeigte deutlich, wie die alten Steinzeit¬
künstler arbeiteten. Eine fernere Anschauung, wie die Steinzeitmenschen ihre
Werkzeuge und Waffen herstellten, geben uns noch heute aus Feuerstein,
Obsidian gefertigte Waffen verschiedener wilder Völkerschaften in Australien,
Südamerika u. s. w., deren Verfcchrungsart meist bekannt ist. In allen Fällen
war der Polirstein, auf welchem die alten Geräthe durch Abschleifen geglättet
wurden, feststehend; er drehte sich nicht und fast immer sind die Polirstriche
auf den alten Geräthen der Länge nach verlaufend, nicht der Quere nach und
dies ist dann auch ein Kriterium der echten alten Werkzeuge. An unechten
ist für leichtgläubige Liebhaber auch schon kein Mangel mehr. Man hat aber
auch die Beweise, daß durch Sägen mit Feuersteinen unter Beihülfe von
Wasser die alten Steingeräthe hergestellt wurden, ein Prozeß, der bis in die
neueste Zeit den Neuseeländern noch bekannt war. Die Löcher und Höhlungen



") Rot» um' un fo^er no I'-iss la piorrv xoliv «löeouvert an vamp no LImm«? Kto.
oUalons 1870.
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[0306] schenhände dieselben geschaffen haben. Uebung macht hier den Meister und die Erkenntniß wird nicht jedem leicht. Ein sehr interessanter Abschnitt in Evans' Werke behandelt die Art und Weise wie die Steingeräthe in vorgeschichtlichen Zeiten fabricirt wurden, und als Vorbild dienen dem Verfasser die alten Feuersteinfabriken der Gegenwart, die trotz Zündhütchen und Hinterlader noch nicht ganz ausgestorben sind. In England werden noch wöchentlich etwa 250,000 solcher „Flinte" geschlagen, die regelmäßig nach Afrika ausgeführt werden, wo die alten Feuersteingewehre Europas unter den Negern Absatz gefunden haben. Zu Brandon schlägt mit Hämmern und Stahlmeißeln ein geübter Flintschläger zwischen 16,000 und l8,000 Stück in der Woche und so wie er noch heute sein Geschäft be¬ treibt, so auch der Urmensch im Steinzeitalter. Doch der Mann der Gegen¬ wart hat ja eiserne Werkzeuge bei seiner Arbeit, wird man einwerfen. Aber Evans ließ große Feuersteinkugeln mit Steinhämmern und Steinmeißeln bearbeiten und der Flintschläger stellte mit deren Hilfe Werkzeuge her, die ganz jenen der Steinzeit glichen. Der berühmte schwedische Archäolog Nilsson hat dasselbe Experiment gemacht und es kann daher kein Zweifel über die Art und Weise aufkommen, wie die alten Steingeräthe hergestellt wurden. In¬ dessen moderne Experimente und die Theorie könnten uns einmal im Stiche lassen; da helfen dann dem Forscher die alten Fabriken, die man aufgefunden hat, die Orte, an denen die Feuersteingeräthe massenhaft von dem Urmenschen zugehauen wurden. Und solche Fabriken sind keineswegs selten. Eine der interessantesten hat vor wenigen Jahren Ernst Perrault an der Saone ent¬ deckt"); er wies die Geräthe, Beile, Pfeilspitzen, Hämmer, Mahlsteine in allen Stadien der Entwicklung nach und zeigte deutlich, wie die alten Steinzeit¬ künstler arbeiteten. Eine fernere Anschauung, wie die Steinzeitmenschen ihre Werkzeuge und Waffen herstellten, geben uns noch heute aus Feuerstein, Obsidian gefertigte Waffen verschiedener wilder Völkerschaften in Australien, Südamerika u. s. w., deren Verfcchrungsart meist bekannt ist. In allen Fällen war der Polirstein, auf welchem die alten Geräthe durch Abschleifen geglättet wurden, feststehend; er drehte sich nicht und fast immer sind die Polirstriche auf den alten Geräthen der Länge nach verlaufend, nicht der Quere nach und dies ist dann auch ein Kriterium der echten alten Werkzeuge. An unechten ist für leichtgläubige Liebhaber auch schon kein Mangel mehr. Man hat aber auch die Beweise, daß durch Sägen mit Feuersteinen unter Beihülfe von Wasser die alten Steingeräthe hergestellt wurden, ein Prozeß, der bis in die neueste Zeit den Neuseeländern noch bekannt war. Die Löcher und Höhlungen ") Rot» um' un fo^er no I'-iss la piorrv xoliv «löeouvert an vamp no LImm«? Kto. oUalons 1870.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/306>, abgerufen am 04.07.2024.