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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Thiere aufgefunden wurden, die heute ganz oder in jener Fundgegend wenig¬
stens ausgestorben sind. In keinem Falle ist eine Spur von Metallgeräthen
als echter Begleiter von Steinwerkzeugen in den Knochenhöhlen, den alten
Kies- oder Thonbetten aufgefunden worden. So unterscheiden sich also schon die
Oberflächensteinwerkzeuge von den Steingeräthen der Höhlen und Allu-
vionen; aber es giebt für beide, so gewonnene Unterabtheilungen noch einen
characteristischen Unterschied. Jene von der Oberfläche sind, wenigstens in den
meisten Fällen, polirt, während jene der Höhlen oder, wie die Geologen sagen,
der quaternären Kiesablagerungen, nicht geschliffen, sondern zugehauen und
gespalten sind. Auch ergeben sich Abweichungen in der Form.

Auf diesen durchgreifenden Unterschied zwischen älterer und jüngerer
Steinperiode zuerst hingewiesen zu haben, war das Verdienst Evans'. Er
war es, welcher im Jahre 1869, als die Entdeckungen von Boucher de Perthes
^in Sommethal die Aufmerksamkeit der Forscher anregten, zuerst die Verschieden¬
artigkeit der beiden Perioden andeutete. Es folgte dann der Schluß, daß
zwischen beiden Abtheilungen ein ungeheuerer Zeitraum liege und damals erst,
nicht eher, kam man zu dem Bewußtsein von der gewaltigen Ausdehnung,
welche die Steinperiode überhaupt besitzt. Die Nothwendigkeit, Unterabthei¬
lungen herzustellen, lag vor und Sir John Lubbock schuf die Namen der pa-
läolithischen und neolithischen Periode für die alte und neue Steinzeit. Für die
Paläolithische Zeit nimmt Evans dann mit gutem Grunde abermals eine
Trennung in zwei Abtheilungen vor, er unterscheidet die Zeit der Höhlen und
die Zeit der Alluvionen, da sowohl die Fauna als die Werkzeuge dieser beiden
Unterperioden nicht unbeträchtlich von einander abweichen. Bei der Unter¬
suchung der einzelnen in unseren Museen aufbewahrten Steingeräthschcisten
beginnt Evans mit den jüngsten, jenen, die auf der Erdoberfläche gefunden
wurden und geht allmählich zu den älteren über. Das ist die richtigste Me¬
thode , denn so kann der Verfasser von dem Bekannteren zum Unbekannteren
vorschreiten. Niemand darf einen Zweifel darüber hegen, daß die oft fein und
mit großer Mühe polirten und geschliffenen Feuersteine aus der Oberflächen¬
periode wirklich das Werk von Menschenhänden sind, so sehr auch Manche
Zweifel über die älteren Sachen hegen. Solche polirte Messer, Pfeilspitzen
und Beile, mit Spitzen und Schneiden, die scharf wie aus Stahl gearbeitet
sind, zeigt uns der erste Theil des Werkes. Man betrachte nur den abgebil¬
deten polirten Celt aus Diorit, welcher zu Burwell Fen in Cambridgeshire
gefunden wurde und man muß gestehen, daß hier ein ausgesucht feines
Exemplar von bearbeiteten Steine vorliegt. Der Leser wird völlig überzeugt
von der hohen Technik, die in der Verarbeitung von Stein mit Stein Platz
gegriffen hat, und kann nun auch zu den roheren Formen übergehen, bei denen
es für das ungeübte Auge manchmal zweifelhaft wird, ob in der That Men-


Grenzboten l872. IV. Z8

Thiere aufgefunden wurden, die heute ganz oder in jener Fundgegend wenig¬
stens ausgestorben sind. In keinem Falle ist eine Spur von Metallgeräthen
als echter Begleiter von Steinwerkzeugen in den Knochenhöhlen, den alten
Kies- oder Thonbetten aufgefunden worden. So unterscheiden sich also schon die
Oberflächensteinwerkzeuge von den Steingeräthen der Höhlen und Allu-
vionen; aber es giebt für beide, so gewonnene Unterabtheilungen noch einen
characteristischen Unterschied. Jene von der Oberfläche sind, wenigstens in den
meisten Fällen, polirt, während jene der Höhlen oder, wie die Geologen sagen,
der quaternären Kiesablagerungen, nicht geschliffen, sondern zugehauen und
gespalten sind. Auch ergeben sich Abweichungen in der Form.

Auf diesen durchgreifenden Unterschied zwischen älterer und jüngerer
Steinperiode zuerst hingewiesen zu haben, war das Verdienst Evans'. Er
war es, welcher im Jahre 1869, als die Entdeckungen von Boucher de Perthes
^in Sommethal die Aufmerksamkeit der Forscher anregten, zuerst die Verschieden¬
artigkeit der beiden Perioden andeutete. Es folgte dann der Schluß, daß
zwischen beiden Abtheilungen ein ungeheuerer Zeitraum liege und damals erst,
nicht eher, kam man zu dem Bewußtsein von der gewaltigen Ausdehnung,
welche die Steinperiode überhaupt besitzt. Die Nothwendigkeit, Unterabthei¬
lungen herzustellen, lag vor und Sir John Lubbock schuf die Namen der pa-
läolithischen und neolithischen Periode für die alte und neue Steinzeit. Für die
Paläolithische Zeit nimmt Evans dann mit gutem Grunde abermals eine
Trennung in zwei Abtheilungen vor, er unterscheidet die Zeit der Höhlen und
die Zeit der Alluvionen, da sowohl die Fauna als die Werkzeuge dieser beiden
Unterperioden nicht unbeträchtlich von einander abweichen. Bei der Unter¬
suchung der einzelnen in unseren Museen aufbewahrten Steingeräthschcisten
beginnt Evans mit den jüngsten, jenen, die auf der Erdoberfläche gefunden
wurden und geht allmählich zu den älteren über. Das ist die richtigste Me¬
thode , denn so kann der Verfasser von dem Bekannteren zum Unbekannteren
vorschreiten. Niemand darf einen Zweifel darüber hegen, daß die oft fein und
mit großer Mühe polirten und geschliffenen Feuersteine aus der Oberflächen¬
periode wirklich das Werk von Menschenhänden sind, so sehr auch Manche
Zweifel über die älteren Sachen hegen. Solche polirte Messer, Pfeilspitzen
und Beile, mit Spitzen und Schneiden, die scharf wie aus Stahl gearbeitet
sind, zeigt uns der erste Theil des Werkes. Man betrachte nur den abgebil¬
deten polirten Celt aus Diorit, welcher zu Burwell Fen in Cambridgeshire
gefunden wurde und man muß gestehen, daß hier ein ausgesucht feines
Exemplar von bearbeiteten Steine vorliegt. Der Leser wird völlig überzeugt
von der hohen Technik, die in der Verarbeitung von Stein mit Stein Platz
gegriffen hat, und kann nun auch zu den roheren Formen übergehen, bei denen
es für das ungeübte Auge manchmal zweifelhaft wird, ob in der That Men-


Grenzboten l872. IV. Z8
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[0305] Thiere aufgefunden wurden, die heute ganz oder in jener Fundgegend wenig¬ stens ausgestorben sind. In keinem Falle ist eine Spur von Metallgeräthen als echter Begleiter von Steinwerkzeugen in den Knochenhöhlen, den alten Kies- oder Thonbetten aufgefunden worden. So unterscheiden sich also schon die Oberflächensteinwerkzeuge von den Steingeräthen der Höhlen und Allu- vionen; aber es giebt für beide, so gewonnene Unterabtheilungen noch einen characteristischen Unterschied. Jene von der Oberfläche sind, wenigstens in den meisten Fällen, polirt, während jene der Höhlen oder, wie die Geologen sagen, der quaternären Kiesablagerungen, nicht geschliffen, sondern zugehauen und gespalten sind. Auch ergeben sich Abweichungen in der Form. Auf diesen durchgreifenden Unterschied zwischen älterer und jüngerer Steinperiode zuerst hingewiesen zu haben, war das Verdienst Evans'. Er war es, welcher im Jahre 1869, als die Entdeckungen von Boucher de Perthes ^in Sommethal die Aufmerksamkeit der Forscher anregten, zuerst die Verschieden¬ artigkeit der beiden Perioden andeutete. Es folgte dann der Schluß, daß zwischen beiden Abtheilungen ein ungeheuerer Zeitraum liege und damals erst, nicht eher, kam man zu dem Bewußtsein von der gewaltigen Ausdehnung, welche die Steinperiode überhaupt besitzt. Die Nothwendigkeit, Unterabthei¬ lungen herzustellen, lag vor und Sir John Lubbock schuf die Namen der pa- läolithischen und neolithischen Periode für die alte und neue Steinzeit. Für die Paläolithische Zeit nimmt Evans dann mit gutem Grunde abermals eine Trennung in zwei Abtheilungen vor, er unterscheidet die Zeit der Höhlen und die Zeit der Alluvionen, da sowohl die Fauna als die Werkzeuge dieser beiden Unterperioden nicht unbeträchtlich von einander abweichen. Bei der Unter¬ suchung der einzelnen in unseren Museen aufbewahrten Steingeräthschcisten beginnt Evans mit den jüngsten, jenen, die auf der Erdoberfläche gefunden wurden und geht allmählich zu den älteren über. Das ist die richtigste Me¬ thode , denn so kann der Verfasser von dem Bekannteren zum Unbekannteren vorschreiten. Niemand darf einen Zweifel darüber hegen, daß die oft fein und mit großer Mühe polirten und geschliffenen Feuersteine aus der Oberflächen¬ periode wirklich das Werk von Menschenhänden sind, so sehr auch Manche Zweifel über die älteren Sachen hegen. Solche polirte Messer, Pfeilspitzen und Beile, mit Spitzen und Schneiden, die scharf wie aus Stahl gearbeitet sind, zeigt uns der erste Theil des Werkes. Man betrachte nur den abgebil¬ deten polirten Celt aus Diorit, welcher zu Burwell Fen in Cambridgeshire gefunden wurde und man muß gestehen, daß hier ein ausgesucht feines Exemplar von bearbeiteten Steine vorliegt. Der Leser wird völlig überzeugt von der hohen Technik, die in der Verarbeitung von Stein mit Stein Platz gegriffen hat, und kann nun auch zu den roheren Formen übergehen, bei denen es für das ungeübte Auge manchmal zweifelhaft wird, ob in der That Men- Grenzboten l872. IV. Z8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/305>, abgerufen am 04.07.2024.