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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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welche die als Bahnbrecher gerühmten Dänen erst 1832 zum Besten gaben.
Die alten Schätze unserer Literatur in dieser Beziehung müssen nur erst wieder
ans Licht gezogen werden und dann wird die Priorität mancher "neuen" Ent¬
deckung den Deutschen zufallen. Auch Evans hebt hervor, daß die Dänen
in seiner Heimath Vorgänger gehabt hätten; er führt den Bischof Lyttleton
und Sir William Dugdale an.

Während wir nun aber den Anfang des Eisenzeitalters in unseren Landen
um den Beginn der christlichen Aera setzen -- Aegypter, Hellenen u. s. w.
kannten es ja weit früher -- bleibt uns für die Fixirung der Bronze- oder
der Steinzeit ein weiter Spielraum offen, bei dem tausend Jahre früher oder
später oft kaum in Betracht kommen. Die Begriffe sind elastisch und was
in Deutschland zu passen scheint, stimmt nicht in Belgien oder England. Man
kann herüber und hinüber markten. Das Steinalter aber zeigt dieselben Be¬
ziehungen zu den beiden ihm vorangehenden Perioden wie der Gipfel eines
Berges zu dessen Abhängen und Ausläufern. Die letzteren müssen erst über¬
wunden sein, ehe wir an die Erklimmung des ersteren denken können. Da liegt die
Spitze vor uns, wir klimmen und klimmen und finden schließlich, daß sie so
hoch und steil ist, daß wir nicht hinauf gelangen können. Aber es gelingt
uns doch wenigstens mit Hilfe unsrer Instrumente sie zu messen und am Ende
kommt doch noch der kühne Kummer, der sie bewältigt, wie das Matterhorn
bewältigt worden ist. Aber noch scheint er nicht geboren zu sein. Das Stein¬
zeitalter erstreckt sich rückwärts durch all die unbekannten Reihenfolgen von
Jahrhunderten, als der Mensch schon die Erde bewohnte, aber den Gebrauch
der Metalle nicht kannte; es hat also ein Forscher, wie Evans, gerade genug
zu thun, wenn er seine Untersuchungen auf diese Periode beschränkt. Zwischen
den beiden Extremen derselben, dem unbekannten Ausgangspuncte und dem
Ende, welches die Bronzezeit berührt, müssen aber ganz entschieden sich Unter¬
abtheilungen nachweisen lassen, welche zur Erleichterung der Forschung und
des Studiums dienen. Als die Dänen die drei Abtheilungen allgemeiner
bekannt machten, überwiesen sie dem Steinzeitalter alle jene Steingeräthe und
Waffen, die in der Nähe der Erdoberfläche sowie in Gräbern, in alten Wohn¬
stätten oder in Cairns, d. h. Steinhaufen oder Steinpyramiden von Menschen¬
händen errichtet, gefunden wurden. Diese nannten sie die Steingeräthe der
Steinzeit. Diese erste Eintheilung wurde indessen allmählich als ungenügend
erkannt. Man entdeckte, daß Zeitstufen im Gebrauche der Steingeräthe selbst
vorhanden waren. Außer den nahe der Erdoberfläche, mit den Werken mensch¬
licher Thätigkeit untermischten aufgefundenen Steingeräthen, fand man in
großer Menge solche, welche ein."eit höheres Alter anzeigten. Dahin gehören
namentlich die Funde von Steingeräthen in Höhlen, die noch unter den Tropf'
Steinschichten oder unter alten Alluvialschichten mit den Ueberresten solcher


welche die als Bahnbrecher gerühmten Dänen erst 1832 zum Besten gaben.
Die alten Schätze unserer Literatur in dieser Beziehung müssen nur erst wieder
ans Licht gezogen werden und dann wird die Priorität mancher „neuen" Ent¬
deckung den Deutschen zufallen. Auch Evans hebt hervor, daß die Dänen
in seiner Heimath Vorgänger gehabt hätten; er führt den Bischof Lyttleton
und Sir William Dugdale an.

Während wir nun aber den Anfang des Eisenzeitalters in unseren Landen
um den Beginn der christlichen Aera setzen — Aegypter, Hellenen u. s. w.
kannten es ja weit früher — bleibt uns für die Fixirung der Bronze- oder
der Steinzeit ein weiter Spielraum offen, bei dem tausend Jahre früher oder
später oft kaum in Betracht kommen. Die Begriffe sind elastisch und was
in Deutschland zu passen scheint, stimmt nicht in Belgien oder England. Man
kann herüber und hinüber markten. Das Steinalter aber zeigt dieselben Be¬
ziehungen zu den beiden ihm vorangehenden Perioden wie der Gipfel eines
Berges zu dessen Abhängen und Ausläufern. Die letzteren müssen erst über¬
wunden sein, ehe wir an die Erklimmung des ersteren denken können. Da liegt die
Spitze vor uns, wir klimmen und klimmen und finden schließlich, daß sie so
hoch und steil ist, daß wir nicht hinauf gelangen können. Aber es gelingt
uns doch wenigstens mit Hilfe unsrer Instrumente sie zu messen und am Ende
kommt doch noch der kühne Kummer, der sie bewältigt, wie das Matterhorn
bewältigt worden ist. Aber noch scheint er nicht geboren zu sein. Das Stein¬
zeitalter erstreckt sich rückwärts durch all die unbekannten Reihenfolgen von
Jahrhunderten, als der Mensch schon die Erde bewohnte, aber den Gebrauch
der Metalle nicht kannte; es hat also ein Forscher, wie Evans, gerade genug
zu thun, wenn er seine Untersuchungen auf diese Periode beschränkt. Zwischen
den beiden Extremen derselben, dem unbekannten Ausgangspuncte und dem
Ende, welches die Bronzezeit berührt, müssen aber ganz entschieden sich Unter¬
abtheilungen nachweisen lassen, welche zur Erleichterung der Forschung und
des Studiums dienen. Als die Dänen die drei Abtheilungen allgemeiner
bekannt machten, überwiesen sie dem Steinzeitalter alle jene Steingeräthe und
Waffen, die in der Nähe der Erdoberfläche sowie in Gräbern, in alten Wohn¬
stätten oder in Cairns, d. h. Steinhaufen oder Steinpyramiden von Menschen¬
händen errichtet, gefunden wurden. Diese nannten sie die Steingeräthe der
Steinzeit. Diese erste Eintheilung wurde indessen allmählich als ungenügend
erkannt. Man entdeckte, daß Zeitstufen im Gebrauche der Steingeräthe selbst
vorhanden waren. Außer den nahe der Erdoberfläche, mit den Werken mensch¬
licher Thätigkeit untermischten aufgefundenen Steingeräthen, fand man in
großer Menge solche, welche ein.«eit höheres Alter anzeigten. Dahin gehören
namentlich die Funde von Steingeräthen in Höhlen, die noch unter den Tropf'
Steinschichten oder unter alten Alluvialschichten mit den Ueberresten solcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/304>, abgerufen am 02.07.2024.